Von Attila Haidegger
Der Dekan erinnert sich noch gut an die Anfänge als Pfarrer in Pfunds, als in den Semesterferien 1991 im Widum Platz für Vertriebene geschaffen wurde. Aus eigener Initiative wurden die damaligen Abstellräume zu Unterkünften umgebaut, samt Küche und Bad. „Von der Politik kam damals nichts, weder organisatorisch, noch finanziell. Wir waren gänzlich auf Spenden und die Hilfsbereitschaft der Mitmenschen angewiesen“, erinnert sich Hinterholzer. Ab 1993 kamen dann bosnische Flüchtlinge, die Unterkünfte im Widum waren bis 2009 durchgehend besetzt. Es sei immer ein friedliches Miteinander gewesen: „Das Zusammenleben basierte auf viel Vertrauen. Mein Arbeitszimmer war stets offen, auch meine Geldtasche ist herumgelegen. Ich habe in meinen gut 30 Jahren keinerlei schlechte Erfahrungen mit vertriebenen Menschen gemacht.“
UNTERSCHEIDEN ZWISCHEN INTEGRATION UND HERBERGE. Mitte März 2022 kamen dann die ersten ukrainischen Flüchtlinge im Oberen Gericht an, 54 davon wurden auf das Dekanat Prutz aufgeteilt. Damals bestand für die Pfundser Räumlichkeiten noch kein Bedarf, im Sommer schien sich die Lage in der Ukraine zu beruhigen, der Westen des Landes blieb von den russischen Bombenangriffen vorerst verschont. Die aus der östlich gelegenen Stadt Charkiw stammende Liliia S. und ihre zwei Söhne (eineinhalb und 14 Jahre alt) wurden mehrmals vertrieben, die Bombenangriffe Russlands waren ein stetiger Begleiter. Im vermeintlich sicheren Kiew angekommen, war auch diese Zufluchtsstätte bald nicht mehr vor russischen Angriffen sicher. In dieser prekären Situation entschloss sich Liliia S. zu flüchten und wandte sich an ihre Freundin Alessia, die bereits im März in Pfunds Zuflucht gefunden hatte. Ihr Mann übt einen systemerhaltenden Beruf aus und unterliegt daher einem Ausreiseverbot. Die Pfundser Bürgermeisterin Melanie Zerlauth wandte sich in Folge an den Dekan und fragte, ob er denn noch Platz im Widum habe. Am Heiligabend kamen Liliia S. und ihre Söhne schließlich in Pfunds an. Auch in der „Pilger-Oase“ im Kapuzinerkloster in Ried sind mittlerweile sieben Frauen aus der Ukraine untergebracht. „Die vertriebenen Ukrainer wollen meiner Erfahrung nach alle zurück. Sie suchen momentan Schutz vor der Kälte und den Angriffen. Daher ist es wichtig zwischen Integration und Herberge zu unterscheiden. Denn in den Gemeinden sind die Kapazitäten in den Schulen, Kindergärten etc. teilweise bereits erschöpft“, so Hinterholzer.
GOOGLE-TRANSLATE UND VORVERLEGTE WEIHNACHTEN. Die aus der Ukraine stammende und in Pfunds verheiratete Natalie Greil unterstütze den Dekan und die Gemeinde von Anfang an bei der Verständigung und Übersetzung der ukrainischen Flüchtlinge, Übersetzer-Apps erfüllen mittlerweile auch ihren Zweck. Im Fall von Liliia S. und ihren Söhnen kommt aber auch Englisch zum Einsatz. Mithilfe sozialer Medien waren Kinderwagen, Baby-Kleidung und Spielzeug schnell organisiert und wurden tatkräftig gespendet. Ein klares Indiz für den Überfluss an Gütern in der Gesellschaft, aber auch für die Hilfsbereitschaft der Pfundser. Das gewöhnlich am 6. Jänner gefeierte ukrainisch-orthodoxe Weihnachten wurde kurzerhand vorverlegt: Bei der Ankunft Liliias an Heiligabend brachte ihr ihre Freundin Alessia einen Christbaum vorbei. Ein kleiner, dennoch herzerwärmender Trost für die Strapazen, die hinter der Mutter und ihren Söhnen liegen.
Die aus Charkiw stammende Liliia S. kam an Heiligabend mit ihren zwei Söhnen – eineinhalb und 14 Jahre alt – in Pfunds an. RS-Foto: Haidegger
Die Flüchtlingswohnung im Widum in Pfunds: Dekan Hinterholzer hat laut eigener Aussage in seiner 30-jährigen Laufbahn als Pfarrer und Dekan noch keine schlechten Erfahrungen mit Vertriebenen gemacht. Foto: Franz Hinterholzer