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„Ich will Frieden in Prutz“

Emotionale Fronten in der Causa „Ärztehaus Prutz“

In Prutz gehen die Wogen hoch: Es geht um das Arzthaus in Gemeindebesitz, aus dem ein Ärztezentrum gemacht werden soll. Bei der Bürgerversammlung am vergangenen Mittwoch waren die Emotionen im vollen Saal der Mittelschule deutlich zu spüren. Am Sonntag fand dann eine Bürgerbefragung statt.
21. März 2022 | von Von Albert Unterpirker und Daniel Haueis
„Ich will Frieden in Prutz“<br />
Bgm. Heinz Kofler: „Da haben die Alarmglocken geschrillt.“ RS-Foto: Unterpirker
Von Albert Unterpirker und Daniel Haueis

Wie sehr die Meinungen bei diesem Thema auseinanderdriften, war schon zu Beginn des Abends zu merken. Manche Bürger hätten das Gefühl, dass man den Arzt nun aus dem Dorf verjage. „Das ist aber nicht der Fall, wir wollen das nicht“, sagt Bgm. Heinz Kofler vor der Versammlung. Der Streitpunkt: Dr. Philipp Plangger, langjähriger praktischer Arzt in Prutz, will einen Vertrag mit der Gemeinde wegen eines neuen Ärztezentrums nur über seine Gesundheitszentrum Obergricht GmbH (GZO) abschließen (um das Risiko für sich und seine Familie zu minimieren). Die Gemeinde will das nicht, da sie in solch einem Fall auch mehrwertsteuerpflichtig wäre, sie möchte sich nun um ein sogenanntes Primärversorgungszentrum bemühen (Einbindung von ÖGK, Land, Ärztekammer). Die Angst, die bei den Prutzern nun umgeht: Kommt man zu keiner Einigung, könnte Dr. Plangger die Gemeinde verlassen. Bgm. Kofler erläuterte in einem Rückblick, wie es zur derzeitigen Situation – die nun sehr komplex ist – gekommen war (siehe Details im Kasten). „Ihm (Dr. Plangger) wäre recht, wenn wir den Mietvertrag nicht mit ihm als Person, sondern mit einer GmbH abschließen würden“, so Kofler, der anfügt: „Dann haben bei mir schon die Alarmglocken geschrillt, weil ich mir gedacht habe: GmbH, das klingt alles so nach Investoren.“ Er habe dann Dr. Lethmüller eingeladen, um rechtliche und steuerliche Dinge anzuschauen, „und welche Vor- und Nachteile wir als Gemeinde haben“. Man habe auch Recherchen angestellt bezüglich der GZO (GmbH), „und sind draufgekommen, dass im Hintergrund (…) eine zweite GmbH ist, eine Investment GmbH“.

EMOTIONEN. Im Anschluss an die Ausführungen des Bürgermeis-ters erklärte Dr. Franz Lethmüller (Gemeindeanwalt) in seinem Referat: „Dass der Arzt verjagt wird, davon kann überhaupt keine Rede sein“ und „Man muss es sich vor Augen führen, dass es die Gemeinde ist, die investiert hat und inves-tiert“. Außerdem: „Es wird niemand vertrieben, der Vertrag von 2012 besteht.“ Er selbst habe an die Gemeinde in dieser Causa einen „Warnschuss“ abgegeben: „Schließt nicht mit einer GmbH ab! Es hat keinen Sinn, Verträge zu machen, die Kopfweh bereiten“, so Lethmüller. Am Ende des Referats fand noch eine lange Fragerunde statt, in der es phasenweise ziemlich emotionell wurde. So gab es u.a. folgende Statements von Bürgern im Saal: „Ich bin schon lange mit Philipp befreundet … Wieso bringen wir es hier nicht zusammen, unsere christlichen Werte zu leben? Warum muss man Philipp Plangger so herunterziehen …?“ Eine Besucherin pflichtete bei. Ein weiterer Besucher: „Wir sind der Meinung, dass unser Arzt sehr viel mehr leistet als er müsste!“ Eine weitere Besucherin: „Ich würde mir Philipp Plangger und ein Primärversorgungszentrum wünschen.“ Eine andere Besucherin: „Der Krieg steht in Europa vor der Tür, ich möchte Frieden in Prutz!“ Ein anderer Besucher: „Ich finde die Fragestellung von der Volksbefragung nicht gut!“ Sie fand am Sonntag statt.

ANGEBOTE DR. PLANGGER. Dr. Philipp Plangger war bei der Gemeindeversammlung nicht anwesend. Er habe, schreibt er in seiner Antwort auf die vorwöchige Anfrage der RUNDSCHAU, eine Einladung dazu erhalten, sein derzeitiger Terminkalender sei aber seit Wochen mit Gesprächen (Angebote von Bregenz bis Kufstein) voll, sodass er „eine kurzfristige Einladung leider nicht wahrnehmen“ konnte. Und: Ein Primärversorgungszentrum in Prutz unter seiner Beteiligung komme jedenfalls nicht infrage.




Es bleibt dabei

Volksbefragung in Prutz: Ergebnis im Sinne der Gemeinde


Staus quo war: Die Gemeinde erweitert das in ihrem Besitz stehende Arzthaus in Prutz, damit Dr. Philipp Plangger darin ein Gesundheitszentrum einrichten kann, für das er Miete bezahlt. Abgelehnt wurde, dass der Vertrag mit der von Dr. Plangger gegründeten Gesundheitszentrum GmbH abgeschlossen wird. Und dabei bleibt es auch nach der Volksbefragung am Sonntag: Knapp 450 Stimmen wurden abgegeben (rund 30 Prozent aller Stimmberechtigten), und davon haben 198 mit Ja (44,39 %) und 248 mit Nein (55,61 %) gestimmt. Mit anderen Worten: Die Mehrheit war gegen die GmbH-Lösung, die Dr. Plangger aus Gründen der Absicherung seiner Familie bevorzugt hätte, die andererseits aber der Gemeinde mögliche Mehrkosten und rechtliche Unsicherheiten gebracht hätte. Laut Bgm. Kofler steht das Angebot der Gemeinde weiterhin (Vertrag mit Dr. Plangger) – nun sei Dr. Plangger am Zug. Kofler will jedenfalls die medizinische Versorgung in seiner Gemeinde sicherstellen. Sollte Dr. Plangger sich aus Prutz verabschieden, wie in den Raum gestellt wurde, wird Kofler in Richtung Primärversorgungseinheit mit Kassenärzten weiterarbeiten. Der Prutzer Arzt war für eine Stellungnahme nicht erreichbar, verkündete aber noch am Sonntagnachmittag auf seiner Homepage: „Wir werden die Bevölkerung und die Medien über unseren genauen Plan in den nächsten Wochen öffentlich informieren.“ (In Prutz sind neben Dr. Philipp Plangger die Hausärztinnen Dr. Kerstin Davies und Dr. Monika Guem tätig).



Ärztehaus/Gesundheitszentrum-Historie

Laut einer Powerpointpräsentation der Gemeinde bei der Gemeindeversammlung hat das Gesundheitszentrum bisher folgende Geschichte: Planungsauftrag an BI Bmst Sylvia Puttinger, direkte Abstimmung Puttinger–Plangger, Dr. Plangger hatte freie Hand bzgl. Planung und Innenaufteilung; Juli 2019: 4. Entwurf für Innenaufteilung. Erste Kostenschätzung beauftragt: ca. 600.000 Euro für den Zubau. Mai 2020: Gespräche mit den Grundnachbarn bzgl. neuem Bebauungsplan. 14.9.2020: neuen Bebauungsplan vom GR erlassen (Grenzabstände f.d. Erweiterung verringert). Mai 2020: Kostenschätzung erhalten mit: 679.200 Euro. Treffen mit Florian Erhart, Georg Schwienbacher und Hansjörg Pregenzer in der Ordination. 5. Planungsentwurf mit Unterkellerung des Zubaues für Lagerzwecke. Juli 2020: Ansuchen Dr. Plangger bzgl. Vermietung an eine GmbH: Besprechung Gemeinde und Dr. Lethmüller und Steuerberater Hofer, Abraten aus juristischer Sicht und seitens des Steuerberaters, Absage an Dr. Plangger. Juli 2020: 9. Entwurf für Innenaufteilung. Juli 2020: Angebot Möbel Innenausbau: 200.000 Euro. Oktober 2020: 3. Kostenschätzung mit 1.133.640 Euro. Besprechung mit Andreas Walser (BH Landeck) wg. Finanzierung, weitere Besprechungen Dr. Plangger am 21.10. und 25.11. 6. April 2021: Projektvorstellung Dr. Plangger im Hauptausschuss (gesam-ter Gemeinderat, vertiefte Diskussion vor den GR-Sitzungen). 28.4.2021: Besprechung Gemeindevorstand und Dr. Plangger, Dr. Plangger Verzicht auf Vermietung an GmbH, Ziel: bestehenden Mietvertrag ergänzen, Klärungen seitens Gemeinde, Gemeinde arbeitet Miethöhe-Vorschlag aus (3 Varianten). 5.5.2021: Vereinbarungen Gemeindevorstand und Dr. Plangger: neue monatliche Miethöhe in Fixvariante wie mit Dr. Plangger vereinbart, Gemeinde verzichtet grundsätzlich auf Untermietverbot, Erhöhung Baukosten trägt Gemeinde/keine Mieterhöhung, wird dem GR in der nächsten Sitzung vorgelegt. 10.6.2021: einstimmiger Beschluss im Gemeinderat. Durchsicht des Vertrags durch Bgm. Ing. Heinz Kofler und Gemeinderäte, Ergebnis: „unakzeptabel“. Recherche: GZO GmbH hat Mayfel Invest GmbH im Hintergrund. 4.11.2021: neuer Vertragsvorschlag seitens Gemeinde im Hauptausschuss beschlossen, an Dr. Plangger geschickt. 29.11.2021: einstimmiger Beschluss des Vertrags im Haupt-ausschuss (noch zwei Änderungen eingebaut), 2.12.2021: Beschluss im Gemeinderat mit 10:3 Stimmen. GR-Wahlkampf – Initiative Volksbefragung „Rette die Prutzer Gesundheitsversorgung“. Februar 2022: Ideenfindung Errichtung von sogenannten Primärversorgungszentren, Prutz ist priorisierter Standort. Februar 2022: Kontakte der Gemeinde mit der österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und dem Land Tirol dazu, hohe Förderungen, Mitarbeit von Dr. Plangger möglich. PS: Die Planungsarbeiten für den Umbau und die Sanierung des Arzthauses sind abgeschlossen. Die Finanzierung wurde vom Gemeinderat beschlossen.
 

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