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„Ja, ich befürchte eine Eskalation“

Prim. Dr. Walter Hasibeder über die intensivmedizinische Behandlung von „Corona“-Patienten am Krankenhaus in Zams

Funktionsstörungen der Lunge oder der Nieren, aber auch die Schädigung des Herzmuskels können die Folge einer schwer verlaufenden Covid-Erkrankung sein. Diese schwer betroffenen Patienten werden von Dr. Walter Hasibeder, Primar der Abteilung Anästhesie und operative Intensivmedizin am Krankenhaus St. Vinzenz in Zams, und seinem Team behandelt.
2. November 2020 | von Daniel Haueis
„Ja, ich befürchte eine Eskalation“
Prim. Walter Hasibeder befürchtet eine Eskalation, aber es wurde im Krankenhaus St. Vinzenz ein Plan erarbeitet, „um auch für den schlimmsten aller Fälle eine qualitätsvolle Intensivmedizin für alle Patient*innen zu gewährleisten“. Foto: Krankenhaus St. Vinzenz Zams
Von Daniel Haueis

RUNDSCHAU: Am 27. Oktober wurden im Krankenhaus St. Vinzenz in Zams 13 Covid-Erkrankte behandelt, zwei davon auf der Intensivstation. Wie viele bedürfen derzeit intensivmedizinischer Behandlung?

Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder: Heute, am 28. Oktober, betreuen wir drei Patient*innen mit schwerer Covid-19-Erkrankung auf unserer Intensivstation.

RUNDSCHAU: Welche Eigenschaften hat der durchschnittliche Patient, der auf die „Intensiv“ verlegt werden muss, und wie lange verbleibt er dort? Anders gefragt: Wer sollte besonders aufpassen, sich nicht anzustecken?

Dr. Walter Hasibeder: Bei den Patient*innen mit einer Covid-19-Erkrankung steht bei Aufnahme auf der Intensivstation meistens das Lungenversagen im Vordergrund. Die zunehmend schlechtere Sauerstoffaufnahme und die damit einhergehende Atemnot stehen am Beginn im Vordergrund der Erkrankung. Besonders Patient*innen, die im weiteren Verlauf künstlich beatmet werden mussten, entwickelten Funktionsstörungen mehrerer Organsysteme. Fast die Hälfte dieser Patienten benötigte in der ersten Pandemiephase eine Nierenersatztherapie, alle Patient*innen zeigten im Labor eine Schädigung des Herzmuskels. Die lange Beatmungsdauer und die lange Zeit der weitgehenden Immobilisation führt zu extremer Muskelschwäche und langen Rehabilitationszeiten über viele Wochen und Monate. Wie bei vielen anderen intensivpflichtigen Erkrankungen ist der Verlauf einer Covid-19-Erkrankung vor allem bei Patient*innen mit bereits stark eingeschränkten Körperfunktionen – wir sprechen dabei oft von gebrechlichen Patient*innen – besonders schwer. Häufig handelt es sich dabei um ältere Menschen mit mehrfachen schweren, zum Teil über Jahre bestehenden Vorerkrankungen. Allerdings spielen bei der Erkrankungsschwere auch andere Faktoren eine wichtige Rolle. Ein bekanntes Beispiel ist die Viruslast (Zahl der Viruspartikel), die zum Zeitpunkt der Infektion auf den Infizierten einwirken. Je höher die Viruslast, desto rascher und heftiger kann eine unspezifische Immunantwort und damit die allgemeine Entzündungsreaktion des Organismus ausfallen. Je unkontrollierter die Immunantwort unseres Organismus auf das Eindringen von Viren und Bakterien ausfällt, desto schwerer sind die Symptome der Erkrankung. Wir haben schwere Verläufe auch bei jüngeren, vorher gesunden Menschen gesehen.

RUNDSCHAU: Bis zu 14 Intensivbetten stehen im Krankenhaus in Zams zur Verfügung. Befürchten Sie eine Überlastung von „St. Vinzenz“? Und was wird passieren, wenn es wirklich mehr Patienten als Betten gibt?

Dr. Walter Hasibeder: Ja, ich befürchte eine Eskalation im Rahmen der Pandemie. Wir haben aber gemeinsam mit unseren internistischen Intensivmedizinern und der Geschäftsführung einen guten Plan ausgearbeitet, um auch für den schlimmsten aller Fälle eine qualitätsvolle Intensivmedizin für alle Patient*innen zu gewährleisten.

RUNDSCHAU: Wie ist es Ihnen und Ihren Mitarbeitern im Frühjahr ergangen, wie geht’s jetzt angesichts der steigenden Infiziertenzahlen?

Dr. Walter Hasibeder: Wir alle schauen mit großer Sorge in die Zukunft! Persönlich ärgere ich mich sehr über das innenpolitische „Hick-Hack“ rund um die Pandemie und die teilweise völlig konträren Aussagen verschiedener Expert*innen zu den verordneten Schutzmaßnahmen. Was wir in einer gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise wie der Covid-19-Pandemie brauchen, sind klare Standards und Aussagen aller Verantwortlichen, an denen sich unsere Bevölkerung ohne Zweifel orientieren kann! Das wurde nach der ersten Pandemiephase, die wir im Gegensatz zu Nachbarländern sehr gut gemeistert haben, aus meiner Sicht und aus der Sicht vieler Mitarbeiter und Kolleg*innen, völlig verabsäumt.

RUNDSCHAU: Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin fordert von der Politik Maßnahmen und diese auch nachvollziehbar zu kommunizieren. Was tun Sie, damit Sie nicht Covid-Patient werden, und welche Maßnahmen würden Sie als Politiker verordnen?

Dr. Walter Hasibeder: Es gibt nur ein Bündel wirksamer Schutzmaßnahmen gegen die Ansteckung: Maske richtig tragen, Abstand halten und Hände regelmäßig desinfizieren. Wir brauchen sicher keine Diskussionen mehr über die Wirksamkeit der Maske als Schutz vor Ansteckungen. Wir haben in unserem Krankenhaus beim Personal, trotz hohem Expositionsrisiko in der ersten Pandemiephase, relativ wenig Infektionen beobachtet und der Hauptgrund dafür ist und waren sicherlich die angeführten einfachen Schutzmaßnahmen, die lückenlos eingehalten wurden.

RUNDSCHAU: Danke.

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