Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Es wird gebohrt

Untersuchungen für Alpen-Schienenkreuz Terra Raetica beschlossen

Österreich, Italien und die Schweiz wollen sich per Bahn über das Dreiländereck verbinden und so auch besser mit Europa vernetzen. Die Reschenbahn könnte ein Teil des Projekts sein. Nauders scheint nicht die besten Karten zu haben, ans Bahnnetz angeschlossen zu werden.
7. März 2022 | von Daniel Haueis
Es wird gebohrt<br />
Was seit 100 Jahren nicht gelungen ist, soll in den nächsten Jahrzehnten vielleicht doch noch entstehen: eine Bahnlinie von Landeck (Foto) Richtung Süden. RS-Foto: Archiv
Von Daniel Haueis

Angestrebt wird ein attraktiver Alpen-Bahnknoten und dessen Anbindung an das internationale Schienennetz. Dadurch sollen der alpenquerende Verkehr und damit die Umweltbelastung reduziert werden, was wiederum eine touristische Aufwertung mit sich bringt. Das Projekt „Schienenverbindungen Terra Raetica“ soll Landeck, Mals, Scuol und Bormio und damit das Dreiländereck Österreich-Italien-Schweiz verbinden. Die beteiligten Länder haben im Herbst 2020 mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung ihren Willen bekundet, es Realität werden zu lassen. Unter dem Vorsitz des Landes Südtirol wurde eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Technikern der vier Regionen Tirol, Südtirol, Graubünden und Lombardei, gegründet, um die bisherigen Planungsideen zu analysieren und gleichzeitig einen Leitfaden mit Zielen festzulegen, auf dessen Basis weitere politische Entscheidungen getroffen werden sollen. Am 2. März haben sich LH Günther Platter und LH-Stv. Ingrid Felipe mit ihren Pendants und weiteren Vertretern der Länder in Scuol getroffen, um Eckpunkte des Alpenbahnkreuzes zu definieren.

UNTERSUCHUNGEN. Entschieden wurde, dass in den kommenden Jahren geologische und hydrogeologische Untersuchungen und Machbarkeitsstudien möglicher Trassenverläufe durchgeführt werden, berücksichtigt werden dabei auch Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Konkret genannt werden Trassen in den Bereichen Scuol–Mals, Landeck–Scuol, Land-eck–Mals, Garmisch-Partenkirchen–Fernpass–Silz und Tirano–Bormio. Ob Nauders jemals einen Bahnhof erhalten könnte, bleibt also vorerst unklar. Denn die im Bezirk Land-eck insgesamt wohl bevorzugte „Reschenbahn“ würde von Landeck über Nauders nach Mals führen. Auf Schweizer und auf Südtiroler Seite wird aber die Variante Landeck–Scuol–Mals bervorzugt. Für DI Mag. Ekkehard Allinger-Csollich, Vorstand der Landesabteilung Mobilitätsplanung, sind die Ergebnisse der Bohrungen sehr wichtig, denn es sind zwei kritische Bergmassive zu untertunneln – einmal der Sellesberg bei Nauders (Variante Land-eck–Mals) und einmal der Bereich Kajetansbrücke–Martina (Variante Landeck–Scuol). Da die Geologie massive Auswirkungen auf die Kos-ten des Tunnels hat, wird sich das Ergebnis auch in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung deutlich niederschlagen.

EUROPÄISCHE DIMENSION. Im nun vorliegenden technischen Bericht wurde ein besonderer Fokus auf die europäische Dimension und Vernetzung gelegt – es ist nämlich Größeres angedacht: Durchgehende Bahnverbindungen im rätischen Dreieck könnten Anbindungen an Basel–Zürich–Venedig und München–Mailand, auch großräumige an den skandinavisch-mediterranen und den Rhein-Alpen-Schienenkorridor herstellen. „Jede Verbesserung der grenzüberschreitenden Mobilität eröffnet Chancen für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Wirtschafts- und Tourismusregion. Ich freue mich über die nächsten Schritte hin zur nachhaltigsten Mobilitätsform im Alpenkreuz“, sagte LH-Stv. Ingrid Felipe. LH Günther Platter stimmt zu: „Die Ergebnisse der eingerichteten Arbeitsgruppen zeigten heute einmal mehr die alpenüberquerenden Dimensionen, etwaige Möglichkeiten einer breiten infrastrukturellen Bahnvernetzung und damit vor allem die Chancen dieser Zukunftsvision … Das ‚Schienenprojekt in der Terra Raetica‘ ist ein solch mutiges Projekt, von dem die Bevölkerung in allen drei Ländern in ihrer Mobilität nachhaltig profitieren kann. Nun wird es wesentlich sein, die praktische Umsetzbarkeit genau zu prüfen“, sagt LH Platter. Der vertiefte Bericht der technischen Arbeitsgruppe soll mit Ende 2023 vorliegen. Das ganze Vorhaben wird noch Jahrzehnte dauern: Untersuchungen, politische Abstimmungen, Planungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Grundablösen etc. etc. folgen – Ekkehard Allinger-Csollich vergleicht’s mit dem Megaprojekt Brennerbasistunnel: Wenn er 2032 in Betrieb gehen wird, sind’s 45 Jahre seit den ersten Bemühungen.




„Das ist keine Lösung“

Bgm. Helmut Spöttl über eine Reschenbahn ohne Reschen

„Alles, was an Nauders vorbeifährt, ist der komplett falsche Weg“, sagt Bgm. Helmut Spöttl aus Nauders. Wenn eine ganze Tourismusregion, also Nauders, Graun und Reschen, mit mehr als einer Million Jahresnächtigungen und drei Skigebieten umfahren werde, dann sei das eine „vertane Möglichkeit“. Nauders habe mit viel Verkehr über den Reschen zu kämpfen und würde bei der Bahnvariante Land-eck–Pfunds–Scuol–Mals wieder nicht entlastet. Fazit: Eine Reschenbahn ohne Reschen ist für den Nauderer Bürgermeister undenkbar. Was die angekündigten geologischen Untersuchungen am Sellesbergrücken angeht (wo ein Kehrtunnel nach Nauders entstehen würde), betont der Dorfchef, dass er kein Fachmann sei, aber die Geologie schon in etwa bekannt sein sollte: Immerhin habe in diesem Bereich ein Triebwasserweg (jener des GKI) gebaut werden können. Bgm. Spöttl ist in Kontakt mit den Befürwortern der Bahnvariante über Nauders: Hotelier Hans Kröll & Co. („Pro Reschenbahn“)haben ihre Vorstellungen und Aktivitäten auf https://reschenbahn.com veröffentlicht.
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Daniel Alfreider, LH Arno Kompatscher, LH-Stv. Ingrid Felipe, LH Günther Platter, Massimo Sartori, Mario Cavigelli und Jon Domenic Parolini (v. l.) beim Treffen in Scuol Foto: Land Tirol
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Bgm. Helmut Spöttl: ganze Tourismusregion mit mehr als einer Million Jahresnächtigungen und drei Skigebieten umfahren? RS-Foto: Archiv

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