Von Sabine Schretter.
Und weil viel noch nicht genug ist, liegt der Schwerpunkt des Tiroler Monitoringausschusses in diesem Jahr auf dem Außerfern. Tirols Gleichbehandlungsbeauftragte Isolde Kafka erklärte bei einem Pressegespräch in Reutte: „Der Monitoringausschuss achtet als Überwachungsgremium darauf, dass Betroffene auch wirklich Teilhabe am öffentlichen Leben haben.“ Weil eben diese Teilhabe nicht in den eigenen vier Wänden endet, ist es essentiell, dass auch im öffentlichen Raum Barrieren beseitigt werden. „Seinen Alltag selbstständig leben zu können, muss für alle Menschen möglich sein. Öffentlicher Raum muss für alle gestaltet werden. Dazu zählen sämtliche Amtsgeschäfte, der Besuch beim Arzt, der Einkauf ebenso dazu wie der Besuch eines Konzertes oder eines Cafés“, führt Kafka weiter aus. Barrierefreiheit hänge nicht von der Gemeindegröße ab. Als Beispiel dafür nannte die Gleichbehandlungsbeauftragte Vorderhornbach, wo etwa ein Badesee oder das Gemeindeamt barrierefrei gestaltet seien. Für Gemeinden werden Hilfestellungen bei der Umsetzung der Barierefreiheit geboten. Um den aktuellen Status im Bezirk Reutte zu erheben, würden in Kürze Befragungen in allen Gemeinden zum Thema Barrierefreiheit durchgeführt.
Schon viel erreicht.
Dass der Bezirk Reutte seine Hausaufgaben bis jetzt schon sehr gut erledigt hat, freut auch Bezirkshauptfrau Katharina Rumpf. „Die Bezirkshauptmannschaft Reutte ist seit dem Umbau barrierefrei. Vorher war das kein Thema. Wer etwa einen Termin beim Gesundheitsamt hatte, musste dafür erst eine sehr steile Treppe im Gebäude überwinden. Jetzt verbindet schon im Außenbereich der neue und barrierefreie Bürgermeister-Siegfried-Singer-Platz Bezirkshauptmannschaft und Marktgemeindeamt. Alle Reuttener Bürger können ihre Amtsgänge ohne Hindernise machen.“ Ins selbe Horn stößt auch Reuttes Bürgermeister Günter Salchner, der als weitere gelungene Beispiele zwei denkmalgeschützte Gebäude – das Dengelhaus und das Museum im Grünen Haus – als barrierefrei gestaltet/umgebaut erwähnt. Derzeit wird an der Umgestaltung des Untermarktes zur barrierefreien Begegnungszone gearbeitet. Hier wurde ein Weg gefunden, das traditionelle Kopfsteinpflaster durch eine für alle bewältigbare Pflasterung zu ersetzen. Mehrere Begehungen – auch im Selbstversuch als Rollifahrer – hätten Aufschluss über die besonderen Herausforderungen gebracht. „Bei diesen Begehungen haben wir erfahren, dass man sehr schnell an die Grenzen kommen kann.“ Großes Augenmerk würde daher auch auf Schutzwege und Straßenübergänge gelegt, die nicht nur rollitauglich, sondern auch mit einem taktilen oder akkustischen System für Blinde ausgestattet würden. „Für Reutte gibt es einen Masterplan dafür, was in den nächsten Jahren im Bereich Barrierefreiheit noch zu tun ist. Ein zukunftsnahes Projekt ist etwa die Verbesserung des Behindertenparkplatzes vor der Sankt Anna-Kirche. Barrierefreiheit müsse von Anfang an mitgedacht werden, denn „der Entwicklungsgrad einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht“, so Bgm. Salchner, der noch das grenzüberschreitende Projekt „Allgäu-Außerfern/Tirol barrierefrei“ erwähnt. TVB-Geschäftsführer werden angehalten, vermehrt darauf zu achten, dass nur Häuser, die überprüft barrierefrei sind, in den Häuserkatalog aufgenommen werden (www.allgaeu-tirol-barrierefrei.eu/).
Einer, der weiß, wovon er spricht, ist Bernhard Gruber. Nach einem Arbeitsunfall Ende 2015 ist Gruber als querschnittsgelähmter Paraplegiker auf einen Rolli angewiesen und damit täglich mit Schwierigkeiten konfrontiert, die aufgrund mangelhafter Planung und fehlender Barrierefreiheit behinderten Menschen das tägliche Leben erschweren. Es reiche nicht aus, nur Rampen zu bauen oder ebene Bewegungsflächen zu schaffen. Zur Barrierefreiheit zählen neben akkustischen und taktilen Systemen auch Informationstafeln in einfacher Sprache. „Barrierefreiheit muss sichtbar gemacht werden!“, so Gruber. Es sei längst überfällig, dass Sachverständigenstellungnahmen verpflichtend werden. „Seit 2005 haben wir das Antidiskriminierungsgesetz, das aber immer noch gern und oft umgangen wird. Dagegen werde ich gemeinsam mit meinem Anwalt aktiv vorgehen“, stellt Bernhard Gruber die Rute ins Fenster. Im Außerfern befinde man sich auf hohem Niveau: „Wir haben etwa einen barrierefreien Skaterplatz, den auch ich mit meinem Sohn gerne besuche. In der Burgenwelt Ehrenberg wurde aus einem einst uneinnehmbaren Bollwerk heute eine für alle nutzbare Freizeitinfrastruktur geschaffen. Und Reutte besitzt zwei öffentliche Behinderten-WC-Anlagen – das ist viel für die Ortsgröße“, stellt Gruber weitere positive Beispiele einem eklatanten Mangel gegenüber: „Aber wir haben im ganzen Bezirk keine einzige barrierefreie Schule. Barrierefreiheit ist als Thema hier bei uns angekommen, in Sachen Bewusstseinsbildung gilt es aber noch nachzuschärfen.“ Gruber möchte erreichen, dass „wer neu baut, um- oder anbaut, neben einer Energieberatung auch eine Beratung zur Barrierefreiheit erhält“.
Öffentliche Sitzung.
Weil der Bezirk Reutte in diesem Jahr Schwerpunktregion für den Tiroler Monitoringausschuss ist, findet hier am 17. Juni auch die öffentliche Sitzung des Tiroler Monitoringausschusses in den Räumlichkeiten der Wirtschaftskammer statt. Ab 14 Uhr können Interessierte an dieser Sitzung teilnehmen. Fragen und Anregungen können per E-Mail an servicestelle.gleichbehandlung@tirol.gv.at oder telefonisch unter +43 512 508 3292 schon im Vorfeld eingebracht werden.