Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Besserer Schutz vor den Fluten

Baldiger Start für das Projekt für die Lüss in Reutte

Seit 1. Jänner ist Florian Keller offiziell Fachbereichsleiter der Wasserbauabteilung beim Baubezirksamt Reutte. Der Nachfolger des altgedienten Wolfgang Klien konnte es freilich keineswegs langsam angehen lassen. Denn auf ihn wartete eine der größten Hochwasserschutzmaßnahmen in ganz Tirol: Und schon bald geht’s in der Reuttener Lüss so richtig los.
7. Feber 2022 | von Jürgen Gerrmann
Besserer Schutz vor den Fluten
Eines der größten Hochwasserschutzprojekte in ganz Tirol startet demnächst in Reutte:  Wasserbau-Ingenieur Florian Keller (links) und Erich Schlichther von der Marktgemeinde Reutte präsentieren hier den Plan für die Lüss. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Die Geschichte des Projekts an sich reicht schon lange zurück: 2005 hatte es ja am Tiroler Lech ein verheerendes Hochwasser gegeben, das nicht zuletzt in Reutte gewaltig gewütet hatte und von den Experten als „hundertjährig“ eingestuft wurde. Und da bereits 1999 ähnliche Wassermassen die Region heimgesucht hatten, war quasi schon seit rund zwei Jahrzehnten klar: Es muss was getan werden. Denn das Gesetz verlangt laut Florian Keller einen Schutz vor hundertjährigen Ereignissen, die in Zeiten des Klimawandels sich indes in immer kürzeren Abständen häufen. Schon vor einiger Zeit war ja die Radwegbrücke zwischen der Lüss und Lechaschau um ein Feld verbreitert worden – und das sind immerhin rund 30 Meter. Dass der Lech dort mehr Platz zur Verfügung bekam, tat ihm nicht nur ökologisch gut, sondern (zusammen mit vom Radweg „gekrönten“ Dämmen)  war zugleich auch ein Beitrag zum Hochwasserschutz. Indes kalkuliert man dort nur mit einem 20-jährigen Ereignis dieser Art. Ende Juli 2021 war die Lüss dann von einem fünfjährigen Hochwasser betroffen: Das Tierheim und einige Privathäuser standen in den Fluten.

DREI TEILABSCHNITTE.
Die sollen nun zuerst von den neuen Schutzmaßnahmen profitieren: Sie liegen innerhalb des sogenannten Polders Nord – eines Ringdamms, der die gefährdeten Grundstücke umschließt. Darauf folgt der Polder Süd, der den Bauernhof Storf und den Pferde-Gnadenhof umfängt. Und ein Hochwasserdamm entlang der Siedlung in der Oberlüss komplettiert dann das Schutzkonzept. Letzterer sieht zwar auf den Plänen massiv aus, wird aber ganz flach angelegt und erreicht nur eine Höhe zwischen 1,20 und 1,50 Metern. Denn man legt Wert darauf, dass die Felder zwischen den Schutzbauten auch weiter bewirtschaftet werden können. Über die sollen sich dann im Falle des Falles die Fluten ausbreiten können. Die althergebrachten Uferdämme taugen nämlich nicht mehr zur Bewahrung vor den Wassermassen: Würde man in Reutte darauf setzen, wäre schon Pflach der erste Leidtragende. Denn irgendwo muss das Wasser ja hin. Die Areale innerhalb der Polder sollen natürlich auch nicht im Regenwasser „absaufen“. Daher werden laut Keller dort zwei große Pumpwerke installiert, die das Wasser aus den „Wannen“ schaffen und dazu automatisch anspringen, wenn das Not tut. Sie leiten das Wasser in die Gießen (also Brunnwässer) ab, die über die Felder verlaufen und in diesem Zusammenhang auch saniert werden. Oft wurden sie nämlich von Landwirten, die auf ihre Flächen fahren wollten, mit Rohren versehen. Die entfernt man nun und ersetzt sie durch Holzbrücken.

AUCH FISCHE FREUEN SICH.
Darüber freut sich auch die Natur. Florian Keller war nämlich die Gewässerökologie schon in der Ausbildung sehr wichtig, und daher setzt er aus Überzeugung diesen Akzent: „Dadurch schaffen wir viel mehr Fischlaichhabitate“, erklärt er. Und warum ist das so? „Diese Brunnwässer sind strömungsberuhigt, bewachsen, beschattet. Und dadurch die Fische besser vor 'Jägern' geschützt.“ Wenn Florian Keller auf die Statistik des Jahres 2005 blickt und die Zahlen zitiert, dann sieht man, welche Gefahren durch weitere Ereignisse dieser Art drohen könnten: „Damals sind eine Million Liter pro Sekunde unter der großen Brücke zwischen Reutte und Lechaschau durchgeflossen – das ist schon gewaltig viel!“ Kein Wunder also, dass das Projekt in der Lüss zu den größten zählt, die im Moment in ganz Tirol laufen. „Und für lange Zeit wird es das letzte ganz große Projekt am Tiroler Lech sein“, sagt der Diplom-Ingenieur.

SCHUTZ für 51 OBJEKTE.
Auch Erich Schlichther von der Bauabteilung der Marktgemeinde Reutte, die ja als Auftraggeber für die Maßnahme firmiert, freut sich, dass sich nun ein konkretes Ende der langen Planungs- und Verhandlungsphase abzeichnet: „Wir wollten ja schon mehr als ein Dutzend Jahre die Situation dort verbessern. Ende vergangenen Jahres haben wir dann den Bescheid bekommen.“ Am Ende der Bauarbeiten bestehe dann ein Schutz für insgesamt 51 Objekte, und daher war dieses Projekt im Gemeinderat auch völlig unumstritten. Auf die Marktgemeinde kommen übrigens 15 Prozent der Gesamtkosten zu – also  2..231.119 der kalkulierten 14.754.124 Euro. Fällig wird die Summe übrigens je nach Baufortschritt, also über die Jahre verteilt. Den Rest übernimmt das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. Wie der Zeitplan aussieht, erläutert Florian Keller: „Die Planung durch die Firma Donau Consult, die sich schon seit Jahrzehnten mit dem Lech auseinandergesetzt und auch die Konzepte für Life-Projekte und die Geschiebefalle entwickelt hat, ist fertig. Im Moment läuft die Ausschreibung. Bevor dann baulich was passiert, wird es März. Und dann arbeiten wir uns vom Norden (mit dem Tierheim) nach Süden zurück. Bis 2027 ist dann auch der Schutz für die Oberlüss fertig. Die Baustelle ist halt so groß, dass es unmöglich ist, die auf die Schnelle zu erledigen.“ Was laut Erich Schlichther auch daran liegt, das Schonzeiten (etwa für die Brut der Vögel) eingehalten und Rücksicht auf das Natura 2000-Gebiet genommen werden muss: „Und auch strenge Winter können immer mal wieder zum Stocken der Arbeiten führen.“

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben