Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Die Grenze überschritten

Primar am BKH Reutte wegen Übergriffs auf Patientin vom Dienst suspendiert

Es gibt Grenzen, die unumstößlich und nicht zu überschreiten sind – das gilt für jeden, unabhängig von sozialem Stand, beruflicher Zugehörigkeit und Herkunft. Wird eine solche Grenze von einem Arzt, dem man vertrauen können sollte, überschritten, wiegt ein Übergriff doppelt schwer. Für den neuen Obmann des Krankenhausverbandes, Bgm. Hanspeter Wagner, geht es auch um den Schutz des Hauses.
28. Juni 2021 | von Sabine Schretter
Die Grenze überschritten
Es brodelt am Bezirkskrankenhaus Reutte. Ein Primarius wurde nach schwerwiegenden Vorwürfen suspendiert. Am Mittwoch traf der Krankenhausausschuss zu Beratungen zusammen. Foto: Foto Müller
Von Sabine Schretter.
Als Hanspeter Wagner erfuhr, dass der mittlerweile suspendierte Leiter der Chirurgie am BKH Reutte, Dr. Edward Shang, von einer Patientin wegen übergriffigen Verhaltens angezeigt und verurteilt wurde, hatte er bzgl. dieses Vorfalls keine Kenntnis. Der RUNDSCHAU gegenüber betonte Hanspeter Wagner, dass er sich einen Überblick über die Faktenlage verschaffen und vor allem auch mit Dr. Shang sprechen wolle. Ihm gehe es in erster Linie auch darum, das Haus zu schützen. Er habe in Erfahrung bringen können, dass Dr. Shang noch nie im Hause auffällig geworden sei – so sei es auch von der Kollegenschaft bestätigt worden. Hanspeter Wagner betonte aber auch, dass Gewalt gegenüber Frauen – in jeder Form – unentschuldbar ist und in jedem Fall geahndet und bestraft gehört. Es gelte, genau hinzuschauen. Am Donnerstag, dem 24. Juni, hat es ein Gespräch gegeben, bei dem eine außerordentliche Verbandssitzung für den 30. Juni anberaumt wurde. „Ich möchte vorher keine Ausagen mehr zum Vorfall am BKH Reutte machen. In letzter Konsequenz trifft der Ausschuss die Entscheidung, wie weiter vorgegangen wird“, so Verbandsobmann Hanspeter Wagner gegenüber der RUNDSCHAU.  Primarius Dr. Shang bleibt bis auf Weiteres vom Dienst suspendiert.

Gewalt hat keinen Platz.
Die Patientin, die Anklage gegen Dr. Shang erhob, erfuhr Unterstützung durch das Gewaltschutzzentrum Tirol. Fallbezogen gebe sie keine Auskunft, erklärte Eva Pawlata, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol im Telefonat mit der RUNDSCHAU. Zu bemerken sei aber, dass auch jemand, der in einer Top-Position arbeitet, als Fachkraft Ansehen besitzt und übergriffig wird, verurteilt und nicht geschont wird. „Das Strafmaß ist im aktuellen Fall relativ gering, die Konsequenzen der Strafe sind es nicht. Der Arzt ist jetzt vorbestraft, wurde vom Dienst suspendiert und verliert im schlimmsten Fall auch noch seine Zulassung“, ergänzt Eva Pawlata, dass dies ein wichtiges Signal nach außen sei. Die meisten Fälle sexualisierter Gewalt passieren in den eigenen vier Wänden bzw. innerhalb der Partnerschaft. Es gibt sie aber auch am Arbeitsplatz. „Im erwähnten Fall ist es besonders drastisch, da sich die betroffene Frau als Patientin  vertrauensvoll in die Hände des Arztes begeben hat. Hier geht es um Vertrauen und um die Gesundheit. Dass dieses Vertrauen dann derart missbraucht wird, ist ein unentschuldbarer Übergriff, der verurteilt und bestraft gehört“, so Eva Pawlata. Unabhängig vom sozialen Status wird genau ermittelt und eine Gewalttat bestraft.

Appell.
Die Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums appelliert an alle Mädchen und Frauen, sich in jedem Fall von sexualisierter Gewalt Hilfe bei Beratungseinrichtungen zu suchen. „Bei einer spezifischen Beratung kann eine Anzeige bei der Polizei behutsam und gut vorbereitet werden“, so Eva Pawlata. Auch wenn es sehr schwer ist, sollten nach einer Vergewaltigung bzw. sexualisierter Gewalt immer Beweise gesichert werden. Für entsprechende Untersuchungen sind forensische Untersuchungsstellen für gewaltbetroffene Frauen zuständig. „Es ist sehr wichtig, Beweise zu sammeln, denn ohne diese ist sexualisierte Gewalt schwer nachweisbar“, betont Eva Pawlata. Die Frauenhelpline unter der Nummer 0800 222 555 bietet kostenlose telefonische Erst- und Krisenberatung für Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen sind. Mit der Erreichbarkeit von 0 bis 24 Uhr an 365 Tagen im Jahr erhalten Betroffene rasche Hilfe in Akutsituationen. Im Bezirk Reutte finden Frauen und Mädchen Rat und Hilfe bei Basis- Frauenservice und Familienberatung Außerfern, Reutte, Planseestr.6, Tel. +43 5672 72604 und bei Frauen im Brennpunkt (FIB)  Reutte, Reutte, Planseestraße 6/1., Tel.  +43 512 587608.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben