Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Ein Neustart mit viel Herzblut

Am Hahnenkamm hatten die neuen Betreiber vor dem Saisonstart eine Menge zu tun

Die Vorfreude im Außerfern ist förmlich mit den Händen zu greifen: Zu Heiligabend öffnet (sollte nicht Corona abermals einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen) die Bergwelt Hahnenkamm, wie die Reuttener Seilbahnen seit dem Besitzerwechsel ja jetzt heißen, ihre Pforten. Dass das Wintervergnügen nach der ausgefallenen Sommersaison starten kann, erforderte gewaltige Vorarbeiten. Darüber hat sich die RUNDSCHAU mit dem neuen kaufmännischen Geschäftsführer Eberhard Jehle unterhalten.
14. Dezember 2020 | von Jürgen Gerrmann
Ein Neustart mit viel Herzblut
Freut sich trotz schwieriger Rahmenbedingungen auf den Saisonstart in der Bergwelt Hahnenkamm: kaufmännischer Geschäftsführer Eberhard Jehle. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Germann.
Es war auch ein Wettlauf mit der Zeit im vergangenen Vierteljahr: Als mit der Übergabebilanz zum 30. August der Besitzerwechsel vollzogen worden war, mussten die neuen Besitzer (die Pletzer Gruppe aus Tirol und ihr All-gäuer Partner, die Profile Projektmanagement GmbH, später kamen noch der TVB Naturparkregion Reutte und die Gemeinde Höfen hinzu) erst einmal versuchen, die nötigen Mitarbeiter zu finden. Zum Großteil konnte man die frühere Mannschaft von Peter Gerber wieder rekrutieren: „Wir haben also ein erfahrenes Team und sind froh, dass es jetzt weitergehen kann“, freut sich Jehle. Für ihn ist ein gutes Miteinander der Mitarbeiter ein wichtiger Pluspunkt: „Eine Seilbahn ist keine normale Firma. Da braucht es eine gewachsene Gemeinschaft, da muss sich einer auf den anderen verlassen können.“

Gewaltiger Aufwand.
Eine gewaltige Hürde stellten auch die Revision und die TÜV-Prüfung dar: „Das war schon ein gewaltiger Aufwand“, blickt der Geschäftsführer zurück. Da sei man für die buchstäblich tatkräftige Unterstützung der Pletzer Gruppe (die ja auch die Skigebiete an der Hohen Salve und in Hopfgarten sowie im bayerischen Sudelfeld betreibt) sehr dankbar gewesen. Wertvoll sei da auch die Rückkehr des früheren Betriebsleiters Heribert Rinner gewesen. „Es wurde in den vergangenen Jahren sehr wenig gemacht“, sagt Jehle. Was im Umkehrschluss auch bedeutet: Es gab viel zu tun. So stand die 20.000-Betriebsstunden-Untersuchung an. Die neuen Besitzer kauften auch eine neue Pistenraupe und zwei neue Schneekanonen. Letztere wurden oben auf der Höhe eingesetzt, um auch die Hochlagen schneesicherer zu machen. Geplant ist ja auch ein neuer Speicherteich in der Nähe der Bergstation der Kabinenbahn: „Damit wir nicht mehr das Wasser mit einem gewaltigen Energieaufwand vom Tal hochpumpen müssen.“ Planung und Vermessung für dieses Projekt liefen bereits.

Pistenraupen haben viel zu tun.
Die vergangenen Wochen habe man genutzt, „um gewaltige Schneedepots anzulegen“. Das sei eine gute Grundlage, die nun bis zum definitiven Start verteilt werde: „Das hängt auch vom Wetter ab. Vermutlichen machen wir das erst kurz vor Weihnachten. Die drei Pistenraupen, die zurzeit „voll im Einsatz sind“, mussten zum Teil ebenfalls generalüberholt werden, zudem standen im Fuhrpark Investitionen an. Und an der Talstation erweiterte man die Montagehalle mit der Tankstelle. Doch damit nicht genug: „Die Pumpe am Speicherteich war auch kaputt. Die musste mit großem Aufwand erneuert werden.“ Die Liste der Investitionen ist damit noch nicht komplett: „Wir haben den Vierer-Sessel generalüberholt, auch das Panorama-Restaurant musste nach der langen Schließung wieder auf Vordermann gebracht werden.“ Es galt auch, den alten Schlepplift zum Almkopf, der für viele geradezu Kult-Status hatte, abzubauen: „Den haben wir nicht mehr durch den TÜV gebracht. Im vergangenen Winter ist der eh nur sieben Tage gelaufen, weil er immer von Hand ausgeschaufelt werden musste.“ Die Brücke dort wurde ebenfalls zurückgebaut: „Dadurch haben wir dort jetzt eine erweiterte Pis-te.“ Die Prophezeiungen über den Klimawandel und die damit verbundene Bedrohung des alpinen Skilaufs fechten den Mann von der Bergwelt nicht groß an: „Das kann man mit den modernen technischen Möglichkeiten ausgleichen.“ Seien Teich und Beschneiungsanlagen oben fertig, herrsche im Höhenskigebiet bis zur Mittelstation absolute Schneesicherheit. Zudem sei der Hahnenkamm ein Nordhang und geschützt vom direkten Wettereinfluss: „Der Föhn geht da nicht so schlimm hinein.“ „Da kommt schon einiges zusammen“, sagt Jehle. Und all dies musste ohne einen einzigen Cent Einnahmen bisher geschultert werden. Die neuen Besitzer gingen mithin auch hier gewaltig in Vorleistung. Auf „über 600 000 Euro“ schätzt Jehle die Summe, die investiert werden musste, um die Bahn überhaupt wieder zum Laufen zu bringen.

Pläne für den Sommer.
Schon vor dem ersten Winter hat man indes auch schon Pläne für den Sommer am Hahnenkamm: „Wir möchten ein Bergerlebnis nicht zuletzt für Familien mit Kindern schaffen. Es soll wieder aufleben, was es ja auch früher gab.“ Was viele Außerferner dabei freuen dürfte: Der wunderschöne Alpenblumengarten soll wieder zum Leben erweckt werden. Das Nächtigungsangebot wie im Tannheimer Tal könne der Hahnenkamm winters wie sommers nicht bieten: „Wir haben ein großes Einzugsgebiet und leben stark von den Tagesgästen. Schade, dass die jetzt nicht so kommen können“, seufzt der Geschäftsführer. Das sei schon ein wesentliches Manko und „sehr fatal“. Man hoffe, dass sich das ändere, „wenn jeder über Weihnachten ein bissle vorsichtig ist“. Dazu trage ja auch das Sicherheitskonzept bei: Man befördere nur 50 Prozent der Gäste (vier statt acht in der Kabine, zwei statt vier im Sessel), die Gastronomie bleibe geschlossen (wobei man überlege, Kaffee und Tee anzubieten), und man starte mit dem Betrieb früher (schon um 8.30 Uhr) und schließe auch bereits um 13 Uhr. Ein Neustart sei unter all diesen schweren Bedingungen (inclusive der Vorgeschichte der Bahn) wahrlich nicht einfach. „Da gehört schon viel Herzblut dazu“, sagt Jehle: „Aber unsere Investoren haben das.“ Was den neuen Betreibern angesichts dessen viel Mut macht: „Die ganze Region steht hinter diesem Projekt. Die Leute haben gemerkt, wie viel fehlt, wenn die Bahn am Hahnenkamm nicht mehr fährt.“
 

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