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Gott und den Menschen ganz nah

Trauer und Dankbarkeit prägen den Abschied vom Steeger Pfarrer Karlheinz Baumgartner

Große Trauer, weit über das Lechtal hinaus: Der Lebenskreis von Pfarrer Karlheinz Baumgartner, dem Seelsorger von Steeg, Hägerau, Kaisers und Holzgau, hat sich am Allerseelentag geschlossen. Bei allem Schmerz denken viele Freunde und Weggefährten voller Dankbarkeit auf das Wirken des mit 81 Jahren gestorbenen Ehrenbürgers von Steeg und Kaisers, der für sein weites Herz und seinen weiten Horizont größte Hochachtung genoss.
9. November 2020 | von Jürgen Gerrmann
Gott und den Menschen ganz nah
Immer gern nah bei den Menschen: Pfarrer Karlheinz Baumgartner (links) – hier im Gespräch mit dem früheren BH-Stv. Dr. Ottfried Becke (sitzend) und dessen rechter Hand Ferdo Vukoja bei der Anti-Motorradlärm-Aktion im Lechtal bei Elmen. 
Von Jürgen Gerrmann.
„Vater des Lechtals“: So wurde der Maler und Heimatforscher Johann Anton Falger vor 200 Jahren wegen seines Einsatzes für sozial Schwache, Bildung und Kultur in diesem Landstrich genannt. Wenn einer in einem Atemzuge mit ihm genannt werden dürfte, so wäre es wohl zweifelsohne Karlheinz Baumgartner. Dass das Lechtal als Kleinod der Natur, in dem sich für ihn Gottes gute Schöpfung widerspiegelte, gerettet werden konnte – das ist in erster Linie ihm und seiner Begeisterungsfähigkeit zu verdanken.
So sehen es auch unisono alte Freunde und Weggefährten, mit denen sich die RUNDSCHAU nach der traurigen Nachricht unterhielt.

Der Bluatschink.
Toni Knittel wurde zum Beispiel kurz nach der Matura im Zuge der erbitterten Auseinandersetzung um die von den Elektrizitätswerken Reutte (EWR) geplanten Kraftwerke am Streimbach von Baumgartner angesprochen. Von dem damals rund 20-Jährigen wollte er wissen, ob der sich nicht vorstellen könne, beim Arbeitskreis Lebensraum Lech mitzumachen. Der junge Mann konnte – und fand in einer kleinen Zeitschrift, die Baumgartner herausgegeben hatte, eine Kinderzeichnung vom Bluatschink, der Sagengestalt aus dem Lechtal. „Bloody ham“ wurde der damals auch augenzwinkernd auf Englisch tituliert und mit einer Sprechblase versehen: „Ich pass auf mein Lech auf!“ stand da. „Das hat mich unheimlich inspiriert und ich hab mein allererstes Bluatschink-Lied geschrieben“, erinnert sich der Liedermacher. „Aus meiner Sicht war Karlheinz Baumgartners größtes Talent, ein wahnsinnig guter Netzwerker zu sein. Der hat viele gekannt und dann Kontakte ganz bewusst geknüpft. Damit hat er eine Menge Kapazunder aus Wissenschaft, Politik und NGOs an einen Tisch gebracht. Im Widum in Steeg sind viele Fäden zusammengelaufen.“ Durch den Einsatz des Pfarrers sei doch dem einen oder anderen die Augen geöffnet worden: „Er hat nach außen transportiert, dass der Lech ein für ganz Mitteleuropa bedeutender Wildfluss ist.“ Baumgartner sei zudem „unglaublich vorausblickend“ gewesen: „Er hat oft Dinge gesagt, die mich im ersten Moment irritiert haben. Aber ein, zwei Jahre später habe ich dann gemerkt, dass er doch recht hatte. Er war seiner Zeit weit voraus.“

Der Umweltpreisträger.
Zu den „Kapazundern“, die der Geistliche zusammenbrachte, zählte auch Anti-Transit-Kämpfer Fritz Gurgiser: „Er war eine große Stütze für uns“, sagt auch der voller Dankbarkeit. Fast zu jeder Mitgliederversanmlung des Transitforums sei er nach Innsbruck gekommen. „Vom Kopf her hätte der ein Bischof sein können, und deswegen haben wir ihn auch immer ,unseren Bischof von Steeg' genannt. Das war einfach ein ganz toller Mensch.“ Auch er kannte Baumgartner von der Auseinandersetzung um den Streimbach: „Da hat er mich angerufen und nach Kampfstrategien gefragt. Dass diese Formulierung aus dem Mund eines Pfarrers kam, ist mir bis heute unvergesslich geblieben. Und daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt.“ Was die beiden verbindet: 1994 erhielten sie in der Hainburger Au gemeinsam aus der Hand der damaligen Umweltministerin Maria Rauch-Kallat den Konrad-Lorenz-Staatspreis. Im Jahre 1995 hielt Baumgartner seine erste Messe auf einer Straße – und das gleich auf der Brennerautobahn bei Schönberg. Seinen letzten Gottesdienst dieser Art zelebrierte er übrigens am 23. Juni 2019 – bei der Anti-Motorradlärm-Aktion auf der Hahntennjochstraße bei Elmen. Und so würdigt Gurgiser seinen Weggefährten denn auch als „Freund und Ratgeber, der auch in auswegslosen Situationen nie resigniert hat und imstande war, auch die zusammenzu- halten und zusammenzubringen, die eigentlich ,nicht miteinander wollten'“. Er sei „eine der vielen Seelen des ehrenamtlichen Tiroler Bürgerengagements zum Schutz unseres einmaligen, wunderschönen und höchst sensiblen lebens- und Wirtschaftsraumes“ gewesen.

Die Politikerin.
Auch die frühere Landtagsabgeordnete der Grünen, Maria Scheiber, pflegte über Jahrzehnte hinweg eine enge Verbindung zu dem verstorbenen Pfarrer: „Sein Tod geht mir sehr nahe. Die Welt und ich haben einen ganz großen Menschen und wunderbaren Freund verloren.“ Sein Bemühen um alles, was kreucht und fleucht, und um Menschen aller Nationalitäten und jedes sozialen Standes sei einzigartig und großartig gewesen: „Gelebte Liebe zum Nächs-ten und der Schöpfung. Dieser wunderbare aufrechte Mensch war einer der Aufrechtesten, die ich kenne.“ Zudem sei all sein Wirken mit ganz viel Heiterkeit verbunden gewesen: „Karlheinz' mitfühlender Humor war eine seiner großen Fähigkeiten und eines seiner besten Instrumente im Kampf um das Gute.“

Der Dekan.
Von großer Dankbarkeit geprägt war auch die Ansprache von Dekan Frank Neuner bei Karlheinz Baumgartners Requiem am Samstag: „Er wusste, dass jeder Mensch aus dem Grundbedürfnis der Geborgenheit und der Weltgestaltung lebt. Er hat beides in einmaliger Weise gelebt und viele, viele Menschen darin bestärkt und ermutigt.“ Ein wichtiger Leitsatz sei für ihn dabei das Wort des großen Theologen Karl Rahner gewesen: „Ausgangspunkt allen christlichen Philosophierens und Theologisierens muss die Welt sein, in der man lebt. Alles andere ist dürres Zeug.“ Mit seinem stets offenen Haus und offenem Herzen habe Baumgartner „von Gott erzählt, wie man es so nicht gekannt hatte“. Die Nähe Gottes zu den Menschen sei dabei ein ganz wichtiges Element gewesen, sei es nun bei den Bildungstagen für Hausfrauen oder bei der Gründung des Arbeitskreises Lebensraum Lechtal. In beidem spiegle sich sein großes Anliegen wider: „Die Schöpfung zu bewahren und eine von christlichen Wertmaßstäben geprägte Dorfkultur zu erhalten und zu beleben.“ Ebenso prägend für den Seelsorger: „Wenn's um den Menschen, um dessen Würde, um das Leben geht – dann muss sich ein Pfarrer einmischen und Position beziehen.“ In vielem (nicht zuletzt beim Einsatz für den Schutz der Wildflusslandschaft am Lech, dieses „Naturjuwels, das seinesgleichen sucht“) sei Baumgartner Motor, Motivator und Mahner gewesen und habe es dabei vermocht, „alle guten Kräfte zu bündeln“: „Sein Name wird für immer damit verbunden bleiben.“ Nie habe er dabei verschwiegen, dass zum Menschen ganz wesentlich die Verbundenheit zu Gott gehöre. Für alle Hoffnung und Ermutigung, die er den Menschen geschenkt habe, sage man aus tiefer Verbundenheit ein herzliches „Vegelt's Gott!“: „Du hast Gottes Schöpfung, diese Welt und das Leben vieler Menschen ein Stück heller gemacht. Wir wollen mit Gottes Hilfe in Deinem Sinn weiter machen!“
 

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