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„Gottes Liebe spürbar machen“

Joemon Varghese ist der neue Kooperator im Seelsorgeraum Reutte

Ein Inder löst den anderen ab: Nach dem Abschied von Vijay Kumar Nanduri konnten die katholischen Christen im Seelsorgeraum Reutte am zweiten Oktoberwochenende ihren neuen Kooperator Willkommen – und Joemon Varghese freut sich riesig über die Freundlichkeit und Herzlichkeit, die ihm in den ersten Tagen im Außerfern entgegenschlug.
25. Oktober 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Gottes Liebe spürbar machen“
Begeistert von seinem Empfang im Außerfern: Joemon Varghese, neuer Kooperator im katholischen Seelsorgeraum Reutte.    RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
„Die Leute sind nett und freundlich, kommen auf einen zu“, schildert er seine ersten Eindrücke im Gespräch mit der RUNDSCHAU: „Man merkt, sie haben schon Erfahrung mit ausländischen Priestern.“
Einen Unterschied zu seinem gen Bayern gezogenen Vorgänger gibt es übrigens: Während der aus dem südostindischen Bundesstaat Andhra Pradesh stammt, wo die Christen gerade einmal 1,4 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wurde Joemon („Das heißt in Indien ,Der kleine Josef'“, lacht er) an der entgegengesetzten Küste geboren – und Kerala in Südwestindien gilt als regelrechte christliche Hochburg. 19 Prozent der Menschen dort bekennen sich zum christlichen Glauben – bei einer gesamten Einwohnerzahl von gut 33 Millionen, macht das über sechs Millionen Christen aller Konfessionen. Vielleicht liegt das ja auch an der Legende, die sich um Kerala rankt: Der Apostel Thomas (der berühmte Zweifler also) soll die ersten christlichen Gemeinden dort gegründet haben. Die römisch-katholische Kirche ist allerdings dort erst etwa seit gut 500 Jahren vertreten, wie Joemon erzählt. Nicht zuletzt Ordensgemeinschaften wie die Kapuziner oder Karmeliten wirk(t)en dort missionarisch.
Ob er wie Thomas in der Jugend auch ein Zweifler, zumindest Suchender war? Wer weiß?! Auf jeden Fall gehen die Burschen in Kerala, die diesen Weg einschlagen wollen, mit 15 ins Priesterseminar. Joemon Varghese ließ sich indes zwei Jahre länger Zeit. Ihn überzeugte wohl ein Salesianerpater, zu dem er guten Kontakt pflegte: „Diese Zeit ist mir im Herz hängen geblieben.“ Ins Kloster wollte er dennoch nicht: „Ich wollte in einer Pfarrei bleiben und mit den Leuten arbeiten. Das habe ich als meine Berufung empfunden.“

DIE FAMILIE.
Der Name seines Heimatdorfes dürfte für Tiroler ein regelrechter Zungenbrecher sein: Kottappurram liegt in der Nähe von Kollam und ist mit seinen 3.000 Einwohnern für indische Verhältnisse ein Mini-Dorf, quasi das Gramais von Kerala. Es liegt 20 Kilometer vom Meer entfernt, und daher waren seine Großeltern  keine Fischer, die Tag für Tag hinaus aufs Arabische Meer fuhren – sie trockneten vielmehr dieses für diese Region so wichtige Lebensmittel. Und brachten es damit offensichtlich zu einen gewissen Wohlstand: Immerhin konnten sie Joemons Eltern studieren und dadurch die Mama Lehrerin und den Papa Beamter werden lassen. Joemon ist übrigens ihr ältestes Kind. Er freut sich über seinen zwei Jahre jüngeren Bruder, seine sieben Jahre jüngere Schwester und insgesamt sieben Nichten und Neffen.

DAS STUDIUM.
Als junger Mann studierte der nunmehr 45-Jährige zunächst in Quilon und Punalur Philosophie, danach wandte er sich zur Zeit Johannes Pauls II. in Rom der Theologie zu. Am 29. Dezember 2004 empfing er dann zuhause die Priesterweihe – drei Tage, nachdem der furchtbare Tsunami auch in Kerala Todesopfer gefordert und verheerende Schäden angerichtet hatte. So war es vermutlich gut, dass er neben seiner seelsorgerlichen Tätigkeit in drei Kirchen auch als Vizedirektor (und später Chef) der Punalur Social Service Society (einer der Caritas vergleichbaren Einrichtung) sehr viel Gutes bewirken konnte. 2017 zog es ihn dann doch wieder nach Europa: In Innsbruck wollte er sich seiner Doktorarbeit widmen, aber auch arbeiten – und selbiges tat er zuletzt in der Seelsorgeeinheit Rum/Neurum, zuvor aber auch in Arzl im Pitztal bei dem im Außerfern bestens bekannten Dr. Saiji Joseph Kizhakkayil, der bis 2018 als Kooperator Dekan Franz Neuner unterstützte .

FREUDE AUFS AUSSERFERN.
Eigentlich wollte er im Spätsommer einen längeren Heimaturlaub antreten, aber dann gab ihm die Diözese Innsbruck zu verstehen: „Wir brauchen dringend jemand in Reutte!“ Und er bereut es nicht, Ja gesagt zu haben: Joemon Varghese, der in seiner Heimat nur Hügel kannte, ist begeistert von den Bergen und hofft, sie kann ab nächstem Frühjahr auch beim Wandern erkunden zu können. Zudem hofft er, sich auch von Breitenwang aus seiner noch nicht abgeschlossenen Doktorarbeit widmen zu können. Worum sich die dreht? „Ich möchte  herausarbeiten, wie sich Papst Franziskus’ Umwelt- und Klimaschutz-Enzyklika ,Laudato si‘ vor Ort in den Diözesen umsetzen lässt.“ In Kerala gebe es zum Beispiel viele kleine Weggemeinschaften, die auch vom Bischof von Punalur, Silvester Ponnumutham, sehr gefördert werden. Freilich: Unter armen Menschen ist es zuweilen gar nicht so leicht, umweltfreundlich zu leben. Plastiktüten zu vermeiden, falle ziemlich schwer, da sei mit einer Mehrfachnutzung schon sehr viel erreicht. Zudem dächten die Leute daheim auch nicht viel nach. Hier gelte es, das Thema in Gebeten, Liturgie, aber auch Zusammenkünften weiter voran zu bringen.

DAS GLAUBENSLEBEN.
Was ist denn für ihn der zentrale Satz seines Glaubens? Ohne Zögern nennt Joemon da die erste Begegnung der Jünger mit ihrem späteren Meister, „als ihnen Jesus noch fremd war“. Da hätten sie ihn ganz einfache Dinge gefragt – wie „Wo wohnst Du?“. Durch Fragen und Einladen sei Bewegung und Begegnung entstanden: „Und das fasziniert mich.“ Daher ist ihm auch die Ökumene sehr wichtig: „Diese Erfahrung müssen wir jetzt einfach machen.“ Von Mensch zu Mensch: „Strukturen können manchmal helfen, aber manchmal auch echte Begegnung verhindern.“
Gerade jetzt suchten die Menschen Sinn und Halt: „Für die müssen wir da sein“, lautet einer seiner Grundsätze als Seelsorger. Warum sich dennoch so viele von den christlichen Kirchen abwenden? „Vielleicht, weil früher viel von Schuld und Sünde geredet wurde – aber nie über Gnade. Die Leute haben Angst gehabt. Wir Christen aber müssen Gottes Liebe, die in uns Menschen, der Natur, der ganzen Schöpfung lebt, spürbar und erlebbar machen.“

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