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Lösungssuche im Miteinander

Reuttes neuer Bürgermeister Günter Salchner über seine Prioritäten und Ziele

Wachablösung an der Spitze der Marktgemeinde Reutte: Vor einer Woche hat Günter Salchner die Nachfolge von Luis Oberer angetreten. Was sind denn nun die Ziele des neuen Bürgermeisters? Wo soll Kontinuität herrschen? Wo soll und wird es Änderungen geben? Darüber unterhielt sich die RUNDSCHAU mit dem 52-jährigen, der bisher in der Spitze der Regionalentwicklung Außerfern (REA) Verantwortung trug.
12. April 2021 | von Jürgen Gerrmann
Lösungssuche im Miteinander
Mit Don Camillo und Peppone als Glücksbringer ins Amtszimmer: Reuttes neuer Bürgermeister Günter Salchner. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Was er als kleiner Bub im Inntal beruflich mal werden wollte – daran hat Salchner keine konkreten Erinnerungen mehr. Dass er mal auf dem Chefsessel im Bürgermeisterbüro Platz nehmen würde – das sei auf jeden Fall eine relativ junge Idee und habe sich erst in den vergangenen Wochen und Monaten abzeichnet. Wobei es wohl Resultat einer Mischung aus Oberers Abschiedsüberlegungen und Salchners Gedanken über eine Zukunft jenseits der REA (siehe dazu den Artikel auf der nächsten Seite) gewesen sein dürfte.

Für „parteireie Sachpolitik“.
Dass mit einem neuer Amtsinhaber ein neuer  Stil und auch veränderte Ziele in die Kommunalpolitik Einzug halten dürften – das ist wohl eher etwas ganz Normales als etwas Außergewöhnliches. Wobei bei einem Kontinuität herrschen soll: „Ich möchte die parteifreie Sachpolitik Luis Oberers weiterführen“, sagt der neue Bürgermeister. Und beruhigt damit nicht zuletzt seine Mutter, die die Angst umtrieb, es könne im Außerfern womöglich drunter und drüber zugehen wie in der Landeshauptstadt Innsbruck: „Ich weiß, dass es früher auch in Reutte andere Zeiten gab. Aber ich bin seit 2016 im Gemeinderat und habe immer eine konstruktive, kollegiale, sachorientierte Atmosphäre erlebt.“ Das sei ein großes Plus der Amtszeit Luis Oberers gewesen, und das solle auch so bleiben: „Der Mensch ist schließlich auf Gemeinschaft ausgerichtet.“ Natürlich änderten sich jetzt manche Dinge auch: „Jeder Bürgermeister hat schließlich eine eigene Persönlichkeit.“ Wobei Salchner immer wieder größten Wert darauf legt, dass diese Veränderungen als persönliche Schwerpunkte zu verstehen seien – und nicht als Kritik am bisher Bestehenden. Eine seiner Haupt-Devisen laute dabei: „Der Entwicklungsgrad einer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit den Schwachen. Menschen mit Behinderung. Alte. Kinder.“ Daher sei es ihm auch sehr wichtig, „die Barrierefreiheit bei all den Dingen von Anfang an mitzubedenken - das ist letztlich auch am kostengünstigsten“. Gewiss, das ein hehrer Anspruch, aber letztlich profitiere jeder Mensch davon, wenn er einmal mit dem Kinderwagen unterwegs oder eines Tages auf Krücken, Rollator oder Rollstuhl angewiesen sei. Ein besonders negatives Beispiel sind für ihn die derzeitigen Behindertenparkplätze bei der Anna-Kirche: „Wenn da ein Mensch mit Rollator aussteigen muss, steht er mitten auf der stark befahrenen Straße.“ Dinge wie diese wolle er angehen. Und demnächst stehe auch eine Begehung des öffentlichen Raums mit dem Tiroler Blindenverband an. Für nicht geringes Aufsehen hatte ja gesorgt, dass Salchner in seiner Antrittsrede auch das Wort „Großgemeinde“ in den Mund nahm. Das möchte er indes nicht als konkretes Ziel, sondern als Appell zu verstärkter Zusammenarbeit verstanden wissen. Irgendwann (und zwar in nicht allzu ferner Zukunft) werde man sich Kirchturmpolitik auch finanziell nicht mehr leisten können: „Und daher ist ein verstärktes interkommunales Miteinander alternativlos.“ Die Einmaligkeit der Tiroler Struktur mit vielen auch kleinen eigenständigen Gemeinden werde sich nur halten lassen, wenn man eine enge Kooperation pflege, auch wenn das nicht immer einfach sei.

Für sparsamen Flächenverbrauch.
Die Raumordnungspolitik gehört ebenfalls zu den Kernthemen des neuen Bürgermeisters: „Und ich weiß – da ist noch Luft nach oben.“ Aber auch da gelte es, sich einen Ruck zu geben und über den Tellerrand hinauszublicken. Wo zum Beispiel? „Ein Logistikunternehmen gehört an eine Hauptstraße und nicht in die Nähe eines Wohngebietes.“ Es dürfe nicht mehr so sein, dass sich die Gemeinden wegen der Aussicht auf höhere Kommunalsteuern gegenseitig mit Lockangeboten überböten, die ohnehin knappen Flächen opferten und dann die Nachbarn die Lasten zu tragen hätten: „So was ist verantwortungslos.“ Und habe sei Ursache mit in einem „verrückten Steuersystem“, in dem die einen gewaltige Einnahmen erzielen könnten und die anderen Kosten für die Infrastruktur zu tragen hätten. „Wenn wir da keine kooperativen Lösungen finden, wird Druck von oben kommen“, prophezeit Salchner. Ziel müsse daher sein, das Beste für Bevölkerung und Wirtschaft zu erreichen. Der Bauboom unter dem Bürgermeister Luis Oberer hat ja gerade in den vergangenen Jahren nicht nur Begeisterungsstürme hervorgerufen. Das gewaltige Wachstum Reuttes (und anderer größerer Gemeinden) erklärt sein Nachfolger damit, dass in den 1980er-Jahren im ganzen Bezirk viel Bauland gewidmet worden sei: „Das befindet sich in Privatbesitz und kann nicht zurückgewidmet werden. Und am meisten zahlen eben die Siedlungsgesellschaften.“ Reutte bewegt sich aus seiner Sicht schon in Richtung Grenzen des Wachstums: „Wir müssen jetzt erst mal mit der Infrastruktur nachkommen und dürfen nicht auf Biegen und Brechen wachsen.“ Kindergärten, Tagespflege, Senioreneinrichtungen müssten nun auf der Agenda ganz oben stehen. Mit dem „knappen Gut Grund und Boden sparsam umzugehen“, bedeute aber auch: verdichtetes Bauen. Er wolle daher tunlichst keine Baulandausweisungen auf die grüne Wiese: „Reutte darf nicht ausfransen. Wir können zwar nicht alles einfrieren. Aber Zurückhaltung ist da schon angesagt.“

Für Nachhaltigkeit.
Er lässt da auch die Bemerkung fallen, dass „es auch mir im Herzen weh tut, wenn im Ortsinneren Bäume gefällt werden – dass da Menschen dagegen protestieren, ist ihr gutes Recht“, auch wenn die berühmten „Sachzwänge“ da hin und wieder entgegen stünden. Man müsse auf jeden Fall „schauen, möglichst viel innerörtliches Grün zu erhalten“. „Im Zweifel für die Wirtschaft“: Diesen Satz habe der frühere ÖVP-Landesrat Ferdinand Eberle dereinst geprägt. Aber diese Zeiten seien längst vorbei. Es werde immer deutlicher, dass es sehr wohl möglich sei, wirtschaftlich und ökonomisch zu denken und dennoch das ökologisch Erforderliche zu tun: „Da muss man halt mal die politische Farbenlehre und das Parteidenken beiseite lassen. Eine nachhaltige Politik muss unsere oberste Devise sein.“
Über weitere Aspekte des Gesprächs mit Günter Salchner berichtet die RUNDSCHAU in der nächsten Ausgabe.

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