Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

„Passion“ als Zeichen der Hoffnung

Das Festspielhaus Füssen kapituliert nicht vor Corona

„Die Geschichte von Ostern ist doch sehr untergegangen. Außer Hasen und Eiern ist nicht viel übrig geblieben“: Der gebürtige Norweger Yngvar Aarseth spricht diese Worte mit sichtlicher Betroffenheit aus. Vielleicht aber rührt gerade daraus die Kraft, vor der modernen Geißel Corona nicht zu kapitulieren, sondern zu sagen: „Jetzt erst recht!“ Konsequenz: Die nun schon zum zweiten Mal als Theater-Event abgesagte Passion im Festspielhaus zu Füssen soll allen Widrigkeiten zum trotz auferstehen. Als ganz eigene neue Kunstform. Auch das Außerfern ist dabei mit vertreten.
15. Feber 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Passion“ als Zeichen der Hoffnung
Alexandra Böhmländer aus Höfen hat auch bei der „Passion 2:1“ im Füssener Festspielhaus die Kostüme unter ihren Fittichen. Unser Bild zeigt sie mit ihrer Tochter Sophie bei der Produktion „Ludwig 2“. Foto: privat
Von Jürgen Gerrmann.
In dem Südtiroler Regisseur Manfred Schweigkofler, der elf Jahre lang das Stadttheater Bozen leitete, hat der Mann aus dem hohen Norden einen begeisterten Mitstreiter gefunden. Auch er will die Verzweiflung über die europaweite Misere der Kulturszene in ein Zeichen der Hoffnung verwandeln: „Wir wollen die Passion 20:21“ (so die offizielle Schreibweise) „einfach nicht ausfallen lassen – stattdessen gibt es einen ungewöhnlichen Mix aus Theater, Technik und Musik, die eigentlich an den Film angelehnt ist.“ Die Kunstformen Theater und Film sollen nicht nur miteinander verschmelzen, sondern sich auch gegenseitig bereichern.

PREMIERE AM KARFREITAG.
Und das sollen dann zwei „junge Wilde“ (so der 59-jährige) mit ihrem Knowhow als moderne Filmemacher umsetzen: Der Badener Benjamin Krech aus Karlsruhe und der Württemberger Samuel Wurster aus Stuttgart freuen sich auf jeden Fall sehr auf diese Herausforderung, für die die Arbeit gerade erst beginnt. Die Entscheidung, nicht die Segel zu streichen, sondern auf eine „Verwandlung“ des Konzepts zu setzen, das dann nach Ende der Pandemie durchaus auf die Bühne zurückkehren soll, fiel am 11. Januar, als klar war, dass auch in Bayern zu Ostern zu Bühnen nicht öffnen könnten. Konkret gedreht wird erst ab 1. März, TV- und Stream-Premiere ist am Karfreitag, 2. April, um 20.15 Uhr. Für alle kostenlos übrigens. Arseth schätzt, dass ihn diese Verfilmung rund 150 000 Euro kosten wird. Aber das ist ihm die Sache Wert.
Komponist David Hüger strahlt ebenso Begeisterung aus. Er schwärmt davon, wie zum Beispiel Pilatus allein auf der riesigen Bühne in Füssen steht, aber das Ambiente seines Palastes live als 3-D-Animation um ihn herum platziert wird.
Gleichwohl soll der einzelne Mensch in den Mittelpunkt der Inszenierung gerückt werden, nicht wie in den bekannten „Historienschinken“ der 50er- oder 60er-Jahre die Massenszenen. Die Rolle der Maria Magdalena spielt da zum Beispiel die Südtirolerin Valentina Schatzer, die es ebenfalls für wichtig hält, dass „diese alten Geschichten immer wieder weiter erzählt werden“. In ihrem Part findet sie nicht nur das Thema Weiblichkeit und Männlichkeit widergespiegelt, sondern auch eine Botschaft weitergetragen: „Maria Magdalena wird von Jesus gesehen – und dadurch findet sie zu ihrer inneren Stärke und kann hinein in ihre Kraft, ihre Berufung und ihre Befreiung gehen.“ Für die Schauspielerin dreht sich das Stück nicht zuletzt auch um das Thema „Woran glaubt man – und wem glaubt man?“. Und der Regisseur stellt nicht zuletzt die Ur-Frage des Pilatus in den Mittelpunkt: „Was ist Wahrheit? Das ist gerade in Corona-Zeiten schwer zu beantworten.“

DIE KOSTÜME UND DAS AUSSERFERN. 
Aber trotz High Tech lebt auch diese Inszenierung wesentlich mit von den Kostümen. Und die haben einen engen Bezug zum Außerfern: In Ljubljana entworfen und gefertigt, werden sie von Christine Hollenstein aus Reutte und Alexandra Böhmländer aus Höfen an die Schauspieler angepasst und auch mit einigen Accessoires versehen.
Für Alexandra Böhmländer, die mit ihrem Mann Michael bis 2016 das Hotel Diana am Fuß der Hahnenkammbahn führte und 2007 „zuerst mal nebenbei“ zum Team des Festspielhauses stieß, ist die Tätigkeit lechabwärts so was wie ein Traumberuf: „Schon als kleines Mädchen haben mich die großen Ballkleider fasziniert.“ Nun hilft sie mit, alle die herrlichen Kostüme optimal in Szene zu setzen: „Ich bin den ganzen Tag hinter der Bühne, pflege die Kleider, helfe beim Umziehen und bin für die Schauspieler den ganzen Tag Ansprechpartner.“
Sie war beim „Ludwig 2“, der „Päpstin“, dem „Ring“ und ohnehin bei allen Hauproduktionen der vergangenen Jahre als Kostümleitung dabei und konnte ihre Leidenschaft ausleben. Denn genau das sei es: „Entweder man liebt es oder man lässt es.“
Und auch für die neue Produktion vergießt sie offensichtlich viel Herzblut, auch wenn sie im Vorjahr im letzten Moment abgeblasen werden musste. Oder vielleicht deswegen: „Das Team ist der Wahnsinn, wir sind unglaublich zusammengewachsen durch all die Schwierigkeiten.“ Die Freude in der kleinen Truppe (nur 15 statt der üblichen 60 Menschen) sei trotz allem (auch den jüngsten Unsicherheiten mit der Grenzschließung) riesig.
Das neue Konzept der „Passion“ bringt für Alexandra Böhmländer auch eine neue Herausforderung: „Bei einer Theaterproduktion ist die erste Zuschauerreihe sechs Meter weg, da fallen kleine Unebenheiten nicht so auf. Bei der Verfilmung jetzt rückt die Kamera bis auf 50 Zentimeter heran. Da muss alles perfekt sein.“ Auf der anderen Seite existiert auch ein Vorteil: „Es gibt keine Quick Changes mehr, bei denen die Akteure binnen zwei Minuten komplett umgezogen sein müssen.“ Auch diese Medaille hat eben zwei Seiten. Auf jeden Fall gilt: „Das ist mal was ganz Neues für uns alle.“
 

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben