Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Reuttes „unterirdisches“ Wahrzeichen ...

... liegt derzeit offen und gewährt einen Blick in die Geschichte des Bezirkshauptortes

Sie war über Jahrhunderte das prägende Merkmal des Marktes Reutte – die Ritsche. Mit der Kanalisierung von 1936 verschwand das Gerinne von der Oberfläche. Kanalbauarbeiten in der Kög legten nun für eine kurze Zeit die ausgekleidete Ritsche frei. Glücklich, wer einen Blick in Reuttes Untergrund erhascht!
27. Oktober 2020 | von von Sabine Schretter
Reuttes „unterirdisches“ Wahrzeichen ...
Derzeit kann man in der Kög in Reuttes Untergrund blicken. Hier die alte Ritsche im Kreuzungsbereich Kög – Lina-Thyll-Straße. RS-Foto: Reiter
von Sabine Schretter

 Die „Ritsche“ – der Begriff leitet sich von rutschen ab – wurde schon in den ersten Reuttener Ratsprotokollen von 1579 erwähnt. Es lässt sich nicht durch Aufzeichnungen belegen, aber dennoch begründet annehmen, dass die Ritsche ursprünglich ein — vom Klausenbach von der Ehrenberger Klause gespeistes — natürliches Wassergerinne war.
Bis ca. 1600 floss das Wasser unreguliert durch den Markt Reutte, wobei Sauberkeit und Qualität des Wassers Richtung Untermarkt bzw. Ortsausgang stetig abnahmen. Die Wäsche in der Ritsche zu waschen war demnach im Obermarkt notwendige Gewohnheit, im Untermarkt aber nur noch bedingt ratsam. Von enormer Bedeutung war die Ritsche als Grundlage für die Reuttener Löschwasserversorgung. Die Häuser des Marktes waren bis auf wenige Ausnahmen aus Holz gebaut, entsprechend groß war die Feuergefahr.  Ab etwa 1600 wurden die Ufer der Ritsche systematisch befestigt, das Gerinne ausgebaut und teilweise abgedeckt. Da Reutte immer wieder von verheerenden Brandkatastrophen heimgesucht wurde – wie 1704, 1724 und 1846 – war es essentiell, dass die Ritsche immer ausreichend Wasser führte. In Reutte entwickelte man daher den Plan, weitere Wasserzufuhren zu erschließen. 1762 wurde der von Lähn über den Plattenwald fließende Plattenbach gefasst (bei Neumühle) und in einem künstlich angelegten Bachbett zum Sintwag geleitet. Im Franziszeischen Katas-ter wurde dieses Gerinne ab der Neumühle als „Rütsche“ bezeichnet. Diese „Rütsche“ floss dann beim „Galgenbrüggele“ (dort stand einmal  der Galgen) mit dem Klausenbach zusammen. Offen floss die Ritsche dann weiter durch die Kög bis zur Florianskapelle, dann teilweise abgedeckt durch den Ober- und Untermarkt und die Allgäuerstraße bis zum „Schüttbichl“, wo die Ritsche schließlich im Lech endete. Der bürgerliche Rat zu Reutte bestellte einen Ritscheneinkehrer, dessen Aufgabe es war, bei Feuergefahr das gesamte Ritschenwasser durch Reutte zu leiten. Für diesen Dienst wurde er mit eineinhalb Gulden jährlich bedacht. Für den Bau der Kanalisierung 1935/36 diente die Ritsche als Vorfluter. Heute ist sie im Untergrund verschwunden.

(Quelle: Dr. Richard Lipp: „150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Reutte“.)
Reuttes „unterirdisches“ Wahrzeichen ...
Die Ritsche in der Kög um 1900 mit Blick auf die Florianskapelle.
Foto: Sammlung Dr. Richard Lipp

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