Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Von Gipfelstürmern & Topleistungen

Am 27. August jährt sich der Tag der Erstbesteigung der Zugspitze zum 200. Mal

Mit ihren 2.962 Metern ist die Zugspitze der maßgebende Gipfel des Wettersteingebirges und Namensgeber einer der schönsten Urlaubsregionen Tirols. Der mächtige Grenzstein zwischen Bayern und Tirol ist ein landschaftliches Juwel mit atemberaubenden Ausblicken, aber auch ein vom Massentourismus heimgesuchter Hotspot. Vor 200 Jahren gelang dem Tiroler Josef Naus die erste nachgewiesene Besteigung des höchsten Berges Deutschlands.
18. August 2020 | von von Juliane Wimmer
Von Gipfelstürmern & Topleistungen
Vor 200 Jahren wurde das Zwischentorer Wahrzeichen
und Deutschlands höchster Gipfel erstmals erklommen. RS-Foto: Wimmer
von Juliane Wimmer

Dank präzisem Kartenmaterial, gut markierter Wege und perfekter Ausrüstung sind die Alpen heute  für sportbegeisterte Wanderer ein gut zugänglicher Abenteuerspielplatz. Vor 200 Jahren hingegen war die Besteigung der Zugspitze ein unbekanntes, lebensgefährliches Unterfangen.

DIE EROBERUNG DER ZUGSPITZE. Der in Lechaschau geborene Vermessungstechniker und bayerische Offizier Josef Naus (in seinem Geburtsort ist eine Straße nach Josef Naus benannt) erhielt 1820 von König Maximilian I. den Befehl, die höchste Spitze der Grenze zu Österreich zu erkunden und eine Karte für den Topografischen Atlas von Bayern zu erstellen. Der damals knapp 27-jährige Leutnant erforschte zunächst für mehrere Wochen und Monate den Weg durch das Reintal, bevor er es zusammen mit dem Partenkirchener Bergführer Johann Georg Tauschl und dem Messgehilfen Maier am 27. August 1820 tatsächlich ganz nach oben schaffte. Und das erst beim zweiten Versuch! (Beim ersten Versuch um vier Uhr morgens erreichte das Trio nur die 2699 Meter hohe Schneefernerscharte.) Naus schrieb in seinem Tagebuch: „Um Viertel vor zwölf erreichten wir endlich nach einigen Lebensgefahren und außerordentlichen Mühen den Westgipfel.“ Nachdem sie als Beweis einen Bergstock mit rotem Tuch hinterlassen hatten, schafften die Gipfelstürmer es nur mit großem Glück lebend wieder hinunter. Das raue Gelände entpuppte sich beim Abstieg mit aufziehendem Nebel als noch gefährlicher als beim Aufstieg. Außerdem jagten sie Gewitter und Schneefall vom Berg.

ZWEIFEL AM BERG MIT DREI GIPFELN. Dank des offiziellen Auftrags und seines Tagebuchs (das heute im Besitz des Alpinen Museums in München ist) gilt Naus als „Erstbesteiger“. Dass vor ihm vielleicht auch schon Hirten, Jäger oder Schmuggler oben waren, scheint nicht ganz abwegig. Im September 2006 gab der Deutsche Alpenverein (DAV) bekannt, dass eine Erstbesteigung der Zugspitze bereits vor der Mitte des 18. Jahrhunderts gelungen sein könnte. Grundlage dieser Spekulationen war die Wiederentdeckung einer historischen Karte, die die Zugspitzregion abbildet. Darauf befinden sich Wege bis in die Gipfelregionen, die jedoch nicht eindeutig auf den Zugspitzgipfel führen. Eine Zeitentabelle mit relativ realistischen Angaben für die Wegstrecke zum Gipfel hingegen unterstreicht die Mutmaßungen. Übrigens erreichten Naus und seine Gehilfen den 2.964 Meter hohen Westgipfel, der damals zwei Meter höher war als die heutige offizielle Spitze, der Ostgipfel. 1938 wurde der Westgipfel gesprengt, um Bauplatz für eine geplante Flugleitstelle der Wehrmacht zu gewinnen. Der Mittelgipfel fiel 1930 einer Seilbahn-Gipfelstation zum Opfer.

DAS MÄRCHEN VOM GIPFELGESCHENK. Bis zum Bau der ersten Seilbahn (1926 die Tiroler Zugspitzbahn) war die Zugspitze bereits der am häufigsten bestiegene deutsche Alpengipfel. Lange hielt sich das Gerücht, dass Kaiser Franz-Joseph I. von Österreich im Jahr 1854 – anlässlich seiner Hochzeit mit Prinzessin Elisabeth von Bayern („Sisi“) – den östlichen Teil des Gipfels seinem Vetter Ludwig (damals noch nicht König und erst neun Jahre alt) geschenkt habe, „damit’s auch an richtigen Berg habt.“ Es gibt auch die Version, Kaiser Franz Joseph habe dem deutschen Kaiser Wilhelm II. bei dessen Besuch in Wien den höchsten Zipfel der Zugspitze überlassen.
Wie kam es zu diesem „Missverständnis“? Die bis heute bestehenden Grenzen wurden am 28. Mai 1766 durch den Karwendelvertrag zwischen Kaiserin Maria Theresia und dem Freisinger Fürstbischof Clemens festgelegt. Zwei Jahre später wurden Grenzsteine gesetzt, jedoch nicht am unzugänglichen Grat (im Bereich der tatsächlichen Grenze), sondern am Zugspitzplatt und am Fuße des Schneeferners. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgten die genauen Markierungsarbeiten am felsigen Bergrücken der Karwendel-  und Wettersteinkette.



 
Von Gipfelstürmern & Topleistungen
Im Talkessel von Ehrwald-Lermoos-Biberwier erhebt sich das imposante Wettersteinmassiv, dessen höchster Gipfel auf deutschem Staatsgebiet die Zugspitze ist.
EINEN WELTREKORD ZUM 200. JAHRESTAG. Naus schrieb 1820 voller Enthusiasmus in sein Tagebuch: „Es gibt nur sehr wenige Berge in den Alpen, die eine so herrliche Aussicht auf bis zu 200 km entfernte Gegenden bieten!“ Diese Faszination der Zugspitze hält auch im 21. Jahrhundert ungebrochen an. Dabei wissen nicht nur der Berg selbst, sondern auch die umliegenden Täler und Dörfer und die paradiesische Natur zu begeistern. Die Tiroler Zugspitz Arena bietet eine Fülle von abwechslungsreichen Wanderrouten und attraktiven Ausflugszielen. Damit die Region auch in aller Munde bleibt, haben sich die Verantwortlichen des örtlichen Tourismusverbandes etwas ganz Besonderes ausgedacht: einen Weltrekord – „Schwerstes auf einen Berg getragenes und dort aufgebautes Möbelstück“ – als Geschenk zum 200. Jahrestag der Erstbesteigung. Bei gutem Wetter starten ein lokaler Bergführer und die junge Sportlerin Sarah Wingendorfer aus Fulda am 27. August mit jeweils mindestens 10 kg schweren Holzbankteilen auf den Schultern zu ihrem Weltrekordversuch über das Gatterl auf die Zugspitze. Übernachtet wird in der Knorrhütte. Wenn alles gutgeht, wird die Bank am 28. August auf der Tiroler Seite der Zugspitze aufgebaut. Die ganze Aktion kann auf den Social-Media-Kanälen der Zugspitz Arena (Instagram, Facebook & YouTube) live mitverfolgt und geteilt werden. Die RUNDSCHAU wird Anfang September über den Ausgang des Weltrekordversuchs berichten.

DIE ZUGSPITZE – INTERESSANTE ZAHLEN UNF FAKTEN.  • Im August 1837 stiegen die Vermesser Joseph Feuerstein und Joseph Sonnweber das erste Mal von Österreich /Ehrwald aus auf den Westgipfel. • Am 22. September 1853 stand mit Karoline Pitzner aus Partenkirchen die erste Frau auf der Zugspitze. • Drei Bahnen, die Tiroler Zugspitzbahn, die  Seilbahn Zugspitze (Eibseeseilbahn) und die Bayerische Zugspitzbahn (Zahnradbahn),   bringen jährlich mehr als eine halbe Million Menschen auf die Zugspitze. • Mit 127 Metern ist die einzige Stütze der seit Weihnachten 2017 neu in Betrieb gegangenen Seilbahn Zugspitze(  vormals Eibseeseilbahn) die weltweit höchste Stahlbaustütze für Pendelbahnen und überwindet den weltweit größten Gesamthöhenunterschied von 1.945 Metern in einer Sektion. • Vier „Hauptwege“ führen Wanderer auf den höchsten Gipfel Deutschlands: 1. durchs bayerische Reintal, 2. durchs Höllental, 3. von Ehrwald übers Gatterl und 4. von Ehrwald über den „Stopselzieher-Klettersteig“. • 82475 ist die Postleitzahl des einzigen deutschen Postamts über der 2500-Meter-Grenze, von dem an Spitzentagen trotz WhatsApp bis zu 2.500 Postkarten in alle Welt geschickt werden. • Sieben Wanderdörfer (Ehrwald, Lermoos, Berwang, Bichlbach, Biberwier, Heiterwang am See und Namlos) bilden die beliebte Zugspitz Arena, die 2018 1,6 Millionen Nächtigungen für sich verbuchen konnte.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben