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Das Rätsel der Dreifaltigkeit

In der Kapelle von Rauth spiegelt sich ein Geheimnis des Glaubens wider

Sie sind in der Regel klein und unscheinbar, aber sie prägen das Außerfern auf eine sanfte und dennoch eindrucksvolle Art: die Kapellen in den kleinen Dörfern und am Wegesrand. Mancher beachtet sie gar nicht, obwohl sie so viel zu erzählen haben. Die Legenden zu den Heiligen, denen sie geweiht wurden, spiegeln auch die Freuden und Sorgen der Menschen wider, die dereinst hier lebten. Die RUNDSCHAU hat einige von ihnen besucht und hat der Geschichte ihrer Namensgeber nachgespürt. Heute geht’s nach Rauth.
25. April 2022 | von Jürgen Gerrmann
Vater, Sohn und Heiliger Geist (als Taube) - so stellte sich der Maler der Kapelle von Rauth die Dreifaltigkeit vor. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Zweifelsohne: Die Dreifaltigkeitskapelle ist das Herz von Rauth, des Teilortes von Nesselwängle, in dem am 1. Januar 2021 laut offizieller Statistik 36 Menschen lebten. Wie viel es vor fast 300 Jahren waren, als das Kirchlein „von den Grundbesitzern erbaut“ wurde (wie Alfons Kleiner in der von Pfarrer Donatus Wagner herausgegebenem Broschüre über die „Kirchen und Kapellen des Tannheimer Tales“ schreibt), weiß man nicht, aber es dürften aufgrund der Größe der Kapelle in etwa genauso viel gewesen sein.

SCHWIERIGES THEMA.
Die Figuren von Johannes dem Täufer und des Heiligen Sebastian, die man auf den Seiten findet, sind sogar noch zwei Jahrhunderte älter umd stammen laut Kleiner aus Oberschwaben. Aber natürlich zieht vor allem der Hochaltar die Blicke auf sich. Der wird auf „um 1680“ datiert und widmet sich einem der vermutlich schwierigsten theologischen Themen überhaupt: der Dreifaltigkeit. Über die haben sich die Christen lange Zeit gewaltig gestritten – und viele Laien haben heute noch Probleme zu verstehen, worum es da eigentlich geht. Und zumindest für sie ist das im Grunde auch gleichgültig. Denn sie sehnen sich nach einem Gott, der ihnen nahe ist.
Und der spiegelt sich ja nicht zuletzt in der Gebetsformel „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ wider. Und im Glaubensbekenntnis wird ja auch ausdrücklich sowohl auf den Vater als auch auf den Sohn und den Heiligen Geist Bezug genommen.
Wer damit Schwierigkeiten hat, sei getrost: „Die Bibel und Jesus selbst kennen den Begriff ,Dreifaltigkeit' nicht“, stellt auch das Katholische Bibelwerk in einem Artikel zu diersem Thema fest. Jesus spreche indes oft von Gott, seinem Vater und dem „Geist Gottes“. Und alle drei verbinden sich ja dann auch im Markus' Bericht über die Taufe Jesu im Jordan: Da sieht Jesus „die Himmel zerreißen und den Geist Gottes wie eine Taube auf ihn herabsteigen“. Und davon ließ sich auch der Maler des Altarbildes von Rauth inspirieren, zeigt er doch Gott als gütigen älteren Herrn mit seinem Sohn und einer Taube.
Die Menschen im Tannheimertal, die davor gebetet haben, dürften sich wohl in den allerseltensten Fällen Gedanken gemacht haben, dass die „Wesenseinheit Gottes in drei Personen oder Hypostasen“, nicht aber „in drei Substanzen“ bestehe, worüber Theologen über Jahrhunderte hinweg heftig debattiert hatten. Und dass mit der Dreifaltigkeit zugleich ihre Unterscheidung wie ihre unauflösbare Einheit symbolisiert werde, war für fast alle sicher völlig belanglos. Und dennoch nehmen viele Kirchen und Kapellen just darauf Bezug – auch die evangelische Kirche in Reutte, die am 1. Juni 1958 (eine Woche nach Pfingsten) eingeweiht wurde. Das war der Dreieinigkeitssonntag, und diesen Namen erhielt sie denn auch.

HILFE DURCH BILDER.
Weil das alles für den normalen Menschen ziemlich kompliziert ist, versuchte man sich schon seit Urzeiten der Christenheit mit Bildern zu helfen. Der erste lateinische Kirchenschriftsteller Tertullian, der in Karthago im heutigen Tunesien lebte, gebrauchte dazu etwa einen Baum mit seinen Wurzeln, seinem Stamm und seinen Zweigen. Für den Kirchenvater Augustinus ließ sich diese Dreieinheit sogar in der Natur des Menschen wiederfinden, der ja auch aus Körper, Seele und Geist bestehe. Sein Kollege Basilius von Caesarea sah sich an den Regenbogen erinnert, der aus der Sonne, deren Licht und seinen herrlichen Farben bestehe. In jener Zeit versuchte man das auch mit drei dicht aneinandergestellten Kerzen zu verdeutlichen, die nur mit einer Flamme brennen. Und in Irland fand die Dreifaltigkeit sogar Eingang in das Nationalsymbol: Der Heilige Patrick wollte damit angeblich seinen Landsleuten dieses Phänomen nahebringen. Und im 20. Jahrhundert verwendete der irische Schriftsteller C. S. Lewis (Autor der „Chroniken von Narnia“) das Bild des Würfels, der ja auch drei Dimensionen habe und doch eins sei.
Selbst wer auf die Flagge Äthiopiens (auch einem wichtigen Land der Urchristenheit) blickt, begegnet dort nach Auffassung von Historikern der Dreifaltigkeit: Grün stehe für den Heiligen Geist, Gelb für Gottvater und Rot für den Sohn. Diese Farben seien auch Ausdruck der christlichen Tugenden Hoffnung (grün), Nächstenliebe (Gelb) und Glaube (rot).
Im Barock gebrauchte man zur Verdeutlichung auch die Musik: So wie der Dreiklang aus drei Klängen bestehe, ergebe er dennoch für den Hörer nur einen. In den Legenden des Mittelalters taucht (wie der Literaturkritiker Wolfgang Menzel 1854 in seinem Buch über die christliche Symbolik schrieb) die Dreieingkeit auch immer wieder auf: So will man im Leichnam der Heiligen Klara drei Gallensteine gefunden habeb, „wovon nicht nur jeder dem anderen an Größe, Gestalt, Farbe und Schwere vollkommen gleich war, sondern jeder genau so viel wog als die beiden anderen“. Das soll auch bei den drei Steinen der Fall gewesen sein, die ein Engel der Heiligen Ida brachte, um ihr das Geheimnis des Glaubens zu enthüllen. Bei einer Messe in Bazas in der französischen Gironde sollen zudem „drei krystallreine Tropfen niederfallen und zu einem zusammengeronnen sein, der nicht größer war“. Menzel geht da auch durchaus kritisch mit verbalen Vergleichen um. Selbst den großen Kollegen Wilhem Grimm (nicht nur ein Märchensammler, sondern auch ein bedeutender Sprachwissenschaftler) verschont er  da nicht: Harfe/Holz/Ton, Licht/Docht/Wachs, Wasser/Schnee/Eis, Glanz/Rauch/Hitze – all das drücke „die Einheit von drei Momenten nur sehr unvollkommen aus“. Da hält er es doch lieber mit der „Naivität des Mittelalters“: „In der walteten bei unzulängliche Mitteln des Künstlers doch tiefer Ernst und ein zarter Sinn.“
Nun, ob die Mittel des Malers des Rauther Altars unzulänglich waren, darüber lässt sich trefflich streiten. Aber die Herzen derer, die auf sein Bild schauten, dürfte er erreicht haben. Damals wie heute.

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