Pater Lorenz Staud stellte in der Reuttener Anna-Kirche sein neues Buch vor
In der Religion des Turbo-Kapitalismus von heute gibt es ein großes Credo – und das heißt Wachstum. Es in Frage zu stellen, kommt Blasphemie gleich. Wie gut, dass es da doch noch Menschen gibt, die dagegen halten – zum Beispiel Pater Lorenz Staud.
Von Jürgen Gerrmann
Er wird nicht müde, „das Glück vom einfachen Leben“ (so der Titel seines heuer erschienenen Buches) zu preisen – und bringt damit offenkundig bei vielen im Innersten eine Saite zum Schwingen. Auf jeden Fall fand die Buchpräsentation am Freitag in der Reuttener St. Anna-Kirche eine Resonanz, wie sie sich jeder Autor im Grunde nur wünschen kann – was sicher auch daran lag, dass „Pater Lorenz viele von uns in glücklichen Tagen, aber auch in schwierigen Situationen begleitet hat“, wie Wolfgang Zangerl bei der Begrüßung sagte. Reutte, wo der Franziskaner-Pater 35 Jahre als Pater gewirkt hat, war – nach dem Kloster in Kaltern, wo er jetzt lebt und seiner eigentlichen Heimatgemeinde Steinach – erst die dritte Station, an der er sein Buch vorstellte. „Schon in der Volksschule habe ich gern geschrieben“, bekannte er. Auch für die Außerferner Nachrichten verfasste er Texte – alles immer an einer Leitline entlang: „Die Lebenswelt, in der wir stehen, und wie wir in ihr bestehen können – das hat mich schon immer interessiert.“
VIELES IN REUTTE GEWACHSEN.
Wobei sein Buch, das sich an der „spirituellen Philosophie des Heiligen Franz von Assisi“ orientiert („Mir war wichtig, dass das auf dem Titel erscheint“), ein Langzeitprojekt ist: „20 Jahre habe ich Ideen gesammelt“, erzählte er. Viele der Texte sind mithin „in Reutte gewachsen“. 35 Jahre war Pater Lorenz auch Lehrer und habe da immer versucht, seine franziskanische Lebenssicht auf das Wunder der Schöpfung seinen Schülern zu vermitteln. Dass das Umweltbewusstsein heute stärker präsent ist als früher („nicht nur wegen Greta Thunberg“) freut ihn: „Aber ich will dennoch nicht in die Klage über eine Welt einstimmen, die sich selbst zugrunde richtet – sondern zeigen, dass wir auch Chancen haben.“ Klingt gut. Aber wie? „Wir müssen alle anfangen, neu zu beginnen – mit einem neuen Lebensstil.“ Manche Fehlentwicklung falle der Menschheit jetzt auf den Kopf: „Und da gibt es nur eine Chance – jeder muss bei sich selbst anfangen.“ Nicht zuletzt damit, „die Erwartungen zurückzuschrauben und mit dem, was man hat, zufrieden zu sein.“ Es sei die Crux der Gesellschaft von heute, dass das „viele Große immer größer sein muss“. Wirtschaft, Verkehr, Tourismus – alles müsse ständig wachsen: „Aber es geht auch anders. Es muss nicht immer etwas Größeres und Schnelleres sein.“ Von Franziskus könne man dabei „nicht zuletzt das Staunen lernen in unserer Natur“. Viele Vögel, Insekten und Pflanzen stürben zurzeit aus. Der Heilige aus Assisi habe indes den Vögel geholfen, Nester zu bauen – und das sei sicher ein Impuls zu einem „schützenden, liebenden Umgang mit der Natur“, bei dem man Mutter Natur nicht nur etwas wegnehme, „sondern ihr auch das zurückgibt, was sie braucht“.
BEWUSST DAS SCHÖNE SEHEN.
Auch wenn Franziskus' radikale Absage an jeden irdischen Besitz heute wohl nicht mehr praktikabel sei, könne sein Leben dennoch Beispiel für eine Erneuerung durch einfaches Leben sein. Dessen in die Weltliteratur eingegangener Sonnengesang sieht Pater Lorenz dabei auch als „Appell, bewusst das Schöne zu sehen“. Und für das, was Petra und Christoph Wetzel, die den Abend einfühlsam musikalisch umrahmten, mit dem Schlusslied dem Publikum mit auf den Heimweg gaben: „Ich entscheide mich für die Liebe. Und für die Menschlichkeit.“
35 Jahre hat Pater Lorenz im Klos-ter in Reutte gelebt und gewirkt und freute sich sehr über die Begegnung mit alten Weggefährten. Er ist mit seinen 72 Jahren übrigens nicht nur ein junger Buchautor, sondern auch ein erfolgreicher: Die erste Auflage war nach drei Monaten ausverkauft.