Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Die Weihnachtskirche im Zwischentoren

Die Bichlbacher Zunftkirche St. Josef beherbergt eine Darstellung des Weihnachtsgeschehens

Als einzige Zunftkirche Österreichs ist sie weithin bekannt – doch wer in diesen Tagen dieses Kleinod betritt, dem fällt noch etwas anderes auf: St. Josef zu Bichlbach ist im Grunde eine Weihnachtskirche. Das Geschehen um die Geburt Jesu umfängt einen buchstäblich von allen Seiten.
20. Dezember 2021 | von Jürgen Gerrmann
Die Heilige Familie hält sich an den Händen – in den Schnitzereien auf dem Tabernakel in der Bichlbacher Kirche können sich vermutlich auch heute noch viele wiederfinden. Die Szenerie könnte von einem Spaziergang oder einer Wanderung stammen. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Ins Auge springt da natürlich zuerst der wunderbare Hochaltar mit dem Bild des aus Pfronten stammenden Barockmalers Johannes Heel. Wenn man Heels Bild betrachtet, dann bedauert man es, dass das Weihnachtsmotiv auf Altaren eher selten zu finden ist. Mit seiner Weihnachtsdarstellung fühlt man sich mithineingenommen in die Botschaft dieses Festes – nicht zuletzt durch das Spiel mit Licht und Dunkel (und auch von Licht und Dunkel). Vom kleinen Kind in der Krippe geht ein Strahlen aus, das die um es herum zum Leuchten bringt. Vor allem natürlich seine Mutter, die Heel als junge hübsche Frau dargestellt hat, die voller Freude und mütterlicher Liebe auf ihr Kind blickt. Josef, Jesu irdischer Vater, zeigt auch auf Kind und Krippe, und den Hirten am rechten Bildrand steht zudem das Staunen über das, was sie da erleben dürfen, ins Gesicht geschrieben. Viele Engel komplettieren die fröhliche Atmosphäre, einer macht Musik, die anderen freuen sich einfach  oder halten ein Spruchband mit dem „Gloria in excelsis deo“. Und wer ganz genau hinschaut, sieht im Halbdunkel auch die Friedenstaube über dem Kopf einer jungen Frau.
DIE HEILIGE FAMILIE. Nicht zu übersehen ist auch die Skulptur auf dem Tabernakel des Hochaltars. Man kann im Grunde Heels Bild gar nicht betrachten, ohne dass der Blick auf die Heilige Familie fällt: „Heiliger Wandel“ nennt man das Motiv, bei dem Maria und Josef ihr Kind an der Hand halten – wie eine ganz normale Familie auf einem Spaziergang oder bei einer Wanderung eben. Andere nennen es „Rückkehr aus Ägypten“, „Rückkehr aus dem Tempel“ oder „Gang der Heiligen Familie übers Gebirge“. Die Szene taucht in der Bibel gar nicht auf – wohl aber in den apokryphen Schriften (also Texten, die aus verschiedenen Gründen nicht in die Heilige Schrift aufgenommen wurden). Dort finden sich auch viele Geschichten über die Kindheit Jesu, die ab dem Mittelalter sehr populär wurden – vielleicht, weil gerade die einfachen Menschen dort ihre eigene Lebenswirklichkeit wiederfanden. Die Heilige Familie ist ja auch Schutzpatronin der Zunftbruderschaft. Und so finden sich an vielen Stellen in deren Kirche auch Darstellungen, die mit der Weihnachtsgeschichte in Verbindung stehen. An der Orgelempore hat Johann Heel (man vermutet zumindest, dass er auch diese Bilder gemalt hat) zum Beispiel die Herbergssuche künstlerisch dargestellt. An der Tür ist es übrigens eine Wirtin (nicht ein Wirt), die Josef und seine dahinter von einem Engel begleitete schwangere Frau abweist. Bei der Anbetung der Drei Könige rechts davon sieht Jesus Geburtsort im Hintergrund nicht mehr wie eine ärmliche Hütte, sondern fast wie eine Burg mit mächtiger Säule davor aus.

DIE KRAFT DER TRÄUME.
Bei den einfarbigen Fresken in den Zwickeln im Chor (zwei gelblich, zwei rötlich getönt) wird zunächst der Zweifel, ja die Verzweiflung erlebbar, die Josef überfiel, als seine Verlobte schwanger und ihm klar war, dass es nicht sein Kind sein konnte, das sie unter dem Herzen trug. Und dennoch hört er im Traum auf den Engel, der das Bild dominiert: „Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.“ Und im Hintergrund sieht man, quasi als prophetische Vision, Maria bereits das Kind stillen.
Auch die zweite Szene beruht auf einem Traum: Ein Engel fordert die Familie zur Flucht nach Ägypten auf.
In der dritte Szene schlägt der Künstler dann wieder eine Brücke zwischen der biblischen Geschichte und der Lebenswelt der Menschen seiner Zeit: Während der „Ruhe auf der Flucht“ greift Josef zwar nach den Früchten einer Palme, aber die Berge im Hintergrund passen nicht nach Ägypten. Und die Kirche und die Häuser im Hintergrund eh nicht. Liest man übrigens den theologischen Hintergrund (nämlich die entsprechenden Bibelpassagen) nach, so fällt auf: Auch vor und bei der Rückkehr in die Heimat, bekommt Josef im Traum Anweisungen. Er war offensichtlich ein Mann, der seinen Träumen gefolgt ist.
Nicht biblischen Quellen entspricht wiederum die vierte Darstellung dort: Jesus in der Werkstatt seines Vaters. Fast alle haben Josef ja als Zimmermann vor Augen. In der griechischen Urfassung des Neuen Testaments wird allerdings der Begriff „Tekton“ verwendet. Und der umfasste viel mehr – nämlich alle Arbeiten, die irgendwie mit dem Hausbau zu tun hatten. Man könnte also auch Architekt, Bauhandwerker oder Baumeister dazu sagen. Und das passt natürlich exakt auf die Gründerväter dieser Kirche. Sie erkannten sich vermutlich in diesem Gemälde wieder – und Josef mutet an, als sei er selbst Mitglied der Bichlbacher Zunft gewesen.
Man sieht also: Die „Weihnachtskirche im Zwischentoren“ hat viel zu erzählen. Man muss nur genau hinschauen – und sich der Weihnachtsfreude hingeben.

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