Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Eine Kindheit in Südtirol

Annemarie Parth schildert in ihrem Buch „Die Walfische“ die frühen Erinnerungen ihres Vaters

Die Neo-Autorin, die in Schwaz aufwuchs und im Außerfern als Lehrerin tätig war, liebte es, wenn ihr Vater von seinen Kindheits-erinnerungen in Südtirol erzählte. Immer wieder besuchte er mit seiner Familie die Schauplätze seiner frühen Jugend. Nach ihrer Pensionierung setzte Parth den lang gehegten Plan, ein Buch über die Kindheit ihres Vaters zu schreiben, in die Tat um. Das Ergebnis ist der Roman „Die Walfische“, den sie am vergangenen Freitag in der Bücherei Reutte dem zahlreich erschienenen Publikum vorstellte. Musikalisch untermalt wurde die Lesung von einem Mandolinen-Ensemble.
16. Jänner 2023 | von M. Färber
Eine Kindheit in Südtirol
Der Roman „Die Walfische“ von Annemarie Parth schildert die Südtiroler Kindheitserinnerungen ihres Vaters. RS-Foto: Färber
Von M. Färber.
Hoch oben auf dem „Leitnerhof.“
Franz Josef Kofler wurde 1907 als uneheliches Kind geboren. Seine Mutter Zenzi, die zusammen mit ihrem Bruder Karl als einziges von sieben Geschwistern noch bei den Eltern am „Leitnerhof“ wohnte, bekam eines Tages das Angebot, bei einem „Burgherrn“ in Bozen zu arbeiten. Nur zu gern nahm sie dieses an, da das Leben auf dem abgeschiedenen Bauernhof im Pfitschertal bei Sterzing äußerst karg und perspektivlos war. Zenzi erledigte ihre neue Arbeit in Bozen mit viel Freude und Eifer. Schon bald wirft ihr Dienstgeber ein Auge auf das tüchtige Bauernmädchen und beginnt ein Verhältnis mit ihm, das nicht ohne Folgen bleibt. Als Zenzi ihm ihre Schwangerschaft eröffnet, muss sie ihre Dienststelle verlassen. Sie kommt als Hausmädchen bei einem Bozner Notar unter, darf aber ihren neugeborenen Sohn nicht behalten. Nach einigen Umwegen landet dieser bei ihren Eltern auf dem „Leitnerhof“, wo er zusammen mit dem nur wenig älteren Steffl, dem ebenfalls unehelichen Sohn ihrer Schwester Mena, aufwächst.

Von „Kleinen Weibern, tanzenden Würmern, Walfischen und besoffenen Hühnern.” 
Die Schilderung dieser frühen Kindheit auf dem entlegenen Bergbauernhof war ebenso berührend wie unterhaltsam. Manche Episoden brachten das Publikum immer wieder zum Schmunzeln. Als die Buben zum Beispiel einmal aus Angst vor dem Lehrer beschließen zu schwänzen und im Wald oberhalb des Schulhauses nackt spielen, um ihre Schulkleidung nicht zu beschmutzen, werden sie von den anderen Kindern beobachtet und daraufhin lange Zeit nur noch die „Leitner’schen Walfische“ genannt. Franzls Mutter Zenzi kommt nur selten zu Besuch auf den „Leitnerhof“.  Zenzi heiratet wenig später in Bozen den niederösterreichischen Verschubmeister Karl Pichler, der bereit ist, für ihren unehelichen Sohn zu sorgen, allerdings nur als „Ziehvater“, wie er Zeit seines Lebens betonte. Der Abschied vom „Leitnerhof“ und der liebevollen Obhut seiner Großeltern und Tante, aber vor allem von seinem Spielkameraden Steffl fiel Franzl sehr schwer. „Der Pichler“, wie seine Mutter ihren Mann immer nannte, forderte von ihm Disziplin, Pflichterfüllung und Gehorsam. Franzl fürchtete sich vor ihm. Doch eines Tages überrascht er seinen Ziehsohn mit einer Mandoline. „In jedem besseren Haus wird ein Instrument gespielt und wir gehören zu den besseren Leuten“, begründete er dieses unerwartete Geschenk. Auch für Mandolinenunterricht hatte er bereits gesorgt. Sein Leben lang faszinierte Franz Kofler dieses Instrument und er besaß eine stattliche Mandolinensammlung. Die musikalische Untermalung der Lesung durch das sechsköpfige Mandolinenensemble stand also in direktem Bezug zum Inhalt des Buches.

„Jede Stunde des Lebens bedeutet Kraft.”
Nach dem Ersten Weltkrieg ändert sich das Leben für die Familie des Buben abrupt. Südtirol fällt an Italien und sein Ziehvater verliert seine Dienststelle bei der Bahn. Die Familie zieht nach Innsbruck, wo sie anfangs in sehr ärmlichen Verhältnissen lebt. Franz muss seine Schullaufbahn vorzeitig beenden und beginnt eine Lehre als Maler und Anstreicher. Er arbeitet fleißig und baut sich später eine Existenz in Schwaz auf. Zeitlebens blieb er seiner Südtiroler Heimat und Familie verbunden und sein Großvater, der „Leitnerbauer“, sein Vorbild. Dessen Motto „Jede Stunde des Lebens bedeutet Kraft, die letzte Stunde bedeutet Frieden“ war seine Devise. Rüstig und in guter geistiger Verfassung verstarb Franz Josef Kofler 2006 nach kurzer Krankheit zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben