Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Prachtvoll trachtvoll

Sebastian Wehrles Fotos in der Galerie Augenblick

Eine Liebeserklärung an die zeitlose Schönheit uralter Trachten kann man zurzeit in der Galerie Augenblick in Tannheim im Rahmen der 32. Kulturzeit des Huanza bewundern. Der Schwarzwälder Fotograf Sebastian Wehrle zeigt dabei faszinierende Fotos von Menschen und Kühen.
21. September 2021 | von Von Jürgen Gerrrmann
Von Menschen, Kühen und Trachten: Sebastian Wehrles Fotokunst ist im Rahmen der 32. Kulturzeit in der Galerie Augenblick in Tannheim zu sehen.  
RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann

Die so genannte „68er-Generation“ sah in Dingen wie Trachten ja den Inbegriff des Kitsches, der nichts mehr in der Welt von heute verloren habe. Den Bollenhut zum Beispiel, der freilich auch wegen diverser Heimatfilme und Tourismuswerbung geradezu zum Klischee herabgesunken war, liebt der gelernte Kachelofenbauermeister, der nach zwölf Jahren Berufstätigkeit den ungewöhnlichen Wechsel ins Metier der Fotographie wagte, geradezu – auch in dessen Variation des Rosenhutes, der wie sein berühmter Bruder einen Strohhut als Unterbau hat, aber im Gegensatz zu dem nicht weiß gekalkt ist. Für ihn ist er auch heute keine Fassade, sondern gelebte Identität. Kein Wunder, denn „ich bin selbst mit Tracht aufgewachsen“, wie er der RUNDSCHAU im Gespräch verriet. Er stammt nämlich aus dem Simonswälder Tal, wo auch diese Kopfbedeckung ihre Heimat hat: „Für mich hat der Bollenhut immer noch eine absolute Urbedeutung, er ist ein prägendes Objekt für unsere Region – und hat darüber hinaus einfach eine schöne optische Präsenz.“ Der Zauber von Sebastian Wehrles Fotos besteht aber nicht zuletzt im Dialog, den Modell und Kleidung miteinander führen, wie da einfach eins ideal zum anderen passt, als könnte es im Grunde gar nicht anders sein. Obwohl (respektive gerade weil) man die Menschen, die da porträtiert werden, auf den ersten Blick vielleicht nie und nimmer in einer Tracht vermuten würde.

DIE SEELE DER TRACHT. Was ist bei seinen Bildern denn zuerst da – das Modell oder die Tracht? „Mal so, mal so. Das kommt ganz darauf an, wer oder was mir zuerst begegnet.“ Eins steht aber fest: In jedem Fall hat er eine gute Wahl getroffen. Alle Fotos sind gleichermaßen prachtvoll trachtvoll. Das ist zum Beispiel der Bärtige mit der Fellmütze in der Tracht der Baar, der einem im ersten Moment eher wie ein Russe vorkommt. Was auch gar nicht so verwunderlich ist. Denn beide Regionen sind ja reich an Füchsen, die dafür ihr Leben lassen mussten. Beeindruckend auch sein fotographischer Ausflug nach Ellwangen am Rande der Ostalb: In der Reginahaube spiegelt sich der ganze Stolz des einstigen Zentrums des katholischen Glaubens in diesem Teil Württembergs wieder. Sie hat Wehrle bei Recherchen in Büchern entdeckt und wurde gleich von ihr in den Bann geschlagen: „Diese Kopfbedeckung ist ganz außergewöhnlich und ganz eigenständig. Die gibt es sonst nirgends. Sie ist einfach unvergleichlich.“ Und dieses Foto versinnbildlicht vielleicht auch den Ansatz, mit dem Sebastian Wehrle an seine Kunst herangeht: „Ich habe immer nach charakterstarken Gesichtern gesucht, die die Seele der Tracht verinnerlicht haben.“ Auf Begeisterung stießen bei der vom Tannheimer Duo Cruzifix fulminant mit Trommel und Dudelsack (ebenfalls eine ungewöhnliche Kombination) umrahmten Vernissage aber auch die Kuhporträts, bei der der Fotograph mit der Floristin Stephanie Schneider („das Blumenmädchen“ nennt sie sich auf Instagram) eine kongeniale Partnerin fand. Die rotbunte Holsteinerin Ilona, die schwarzbunte Chiara, der Zwergzebu Jupiter sowie der kleine schottische Hochlandbulle Henry mit seinen Verwandten Betty und Eireen (mit herrlich neckischem Zungen-Schlag), sie alle präsentieren sich da als charmante Persönlichkeiten mit ganz individuellem Charakter.

INFO. Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 10. Oktober zu sehen – immer mittwochs bis sonntags von 15 bis 18 Uhr.

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