Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Tour durch die Welt der Kunst

Die Tage der offenen Ateliers im Außerfern boten große Vielfalt

Die Kunst im Außerfern kann sich wahrlich sehen lassen: Dieser Meinung waren wohl alle, die am Wochenende bei den Tagen der offenen Ateliers im Bezirk unterwegs waren.
27. Juni 2022 | von Jürgen Gerrmann
Sieben kreative Menschen gaben am Wochenende bei den Tagen der offenen Ateliers des Kulturnetzes Tirol im Außerfern Einblick in ihre Arbeit – einer davon war Bildhauer Mario Gasser in Ehrwald. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Eine Kunsttour über gut 50 Kilometer (von Ehrwald über Reutte nach Häselgehr) und durch die verschiedensten Genres (von der Malerei über Textilkunst und Bildhauerei bis zur Fotografie) wartete während dieser beiden vom Kulturnetz Tirol ausgerichteten Tage auf einen. Aber noch weit mehr als das: der direkte Austausch mit Künstlerinnen und Künstlern sorgte für ein besseres Verstehen und ein intensiveres Erlebnis.

IN EHRWALD.
Am Fuß der Zugspitze umfing einen Werkstattatmosphäre pur: „Der, der die Zukunft bringt“ nimmt unter den Händen und Werkzeugen Mario Gassers mehr und mehr Gestalt an. Die kleine  Skulptur aus einer Odenwald-Eiche („Die hat ein ganz anderes Flair als Weichhölzer“) mutet auf den ersten Blick wie ein alter Mann an, doch bei näherem Hinsehen hat sie auch etwas Science-Fiction-Haftes. Das Ungewisse der Zukunft ist es ja nicht zuletzt, das den Bildhauer fasziniert: „Ich bin überzeugt, dass wir nicht die Einzigen in diesem Universum sind. Meine Aufenthalte bei Symposien in Neuseeland und Südamerika haben mich bestärkt, dass es höhere Mächte gibt, von denen wir Impulse bekommen – was wir draus machen, ist unsere Sache.“ Diese Einzelarbeit ist wie die große Serie, die er zurzeit für seine Ausstellung zum 60. Geburtstag im nächsten Jahr gestaltet, vom deutschen Expressionisten Ernst Barlach inspiriert: Gasser würdigt damit die wahren Erbauer der Zugspitzbahn – die Arbeiter.

IN REUTTE.
Eine große Schau zum 60. Wiegenfest bereitet auch Hannes Biber vor. Im Grabherr-Haus am Zeillerplatz konnte man schon einen Vorgeschmack genießen. Die hellen, heiteren Gemälde wecken eine Vorfreude darauf, lassen einen an den Träumereien des Künsters teilhaben. Und zu den vielen Naturbildern, für die Biber ja berühmt ist, gesellt sich nun auch eine Kuh dazu, die ihm in Namlos begegnete und deren Kopf eine großformatige Leinwand füllt: „Ich wollte keine Kuh in der Landschaft malen, sondern ein Porträt. Und damit zum Ausdruck bringen, dass sie nicht nur ein Teil von etwas, sondern ein Individuum mit eigenem Wert und Würde ist.“ Die Natur und die Menschen – das sind die großen Themen von Chris-tine Schneider, deren Werke man ein Stockwerk höher zu bewundern vermochte. Schafporträts in Öl der studierten Biologin bereichern auch die Ausstellung „Schaf schafft Landschaft“, die noch bis zum 1. Oktober im Naturparkhaus in Längenfeld im Ötztal zu sehen sind. Blickfänger im offenen Atelier waren nicht zuletzt die großformatigen modernen Edelweiß-Variationen, die von ihrer Heimatliebe erzählen. Zurzeit bereitet sie übrigens die von ihr konzipierte Gemeinschafts-Kunstaktion „Leben weben“ vor, die während der Kulturzeit der Huanza auf der Kirchwiese vor St. Anna die Besucher inspirieren soll.
Alte Kameras sind für Jonas Arzl nicht nur Zeugnisse der Technikgeschichte: Der junge Weißenbacher erfüllt die Apparate aus der frühen Nachkriegszeit buchstäblich mit Leben. Sie sind für ihn auch Impuls und Instrument zur bewussten Entscheidung: „Bei einer Plattenkamera überlegst Du Dir schon zweimal, welches Motiv Du fotografieren willst – denn die Glasplatten kosten schon viel.“ Und so sind seine Bilder auch etwas wie ein ästhetischer Protest gegen die Beliebigkeit des Drauflosknipsens mit den modernen Digitalkameras. Wobei Schwarz-Weiß-Filme sein Metier sind: „Die kann ich auch selbst entwickeln und vergrößern, wie ich es will.“
Mit seiner Mutter Angela teilte er sich einen Raum im Tauscherhaus am Untermarkt. Sie kehrte im vergangenen Jahr zur Technik der Linolschnitte zurück, die sie schon früher fasziniert hatte. Und ihre Serie „Mensch und Insekten“ ist nicht nur wunderschön, sondern regt auch zum Nachdenken an: „Wer ist länger auf der Welt?“ hat sie sich quasi stellvertretend für die Betrachter gefragt und ihre Bilder, zu denen sie nicht zuletzt von Bestimmungsbüchern angeregt wurde, mit Infos versehen. Die Libelle bevölkert die Erde zum Beispiel seit rund 350 Millionen Jahren – der Mensch bringt es gerade mal auf 300 000: „Die Insekten haben schon weit vor uns hier gelebt – und wir machen deren und unseren Lebensraum binnen kürzester Zeit zunichte.“ Zwei höchst unterschiedliche Schaffensphasen konnte man in Daniela Eneidi-Pahles Atelier gleich daneben erleben: zum einen die schweren, alle in Rot-Schwarz mit Gold gehaltenen abstrakten Bilder, die während der Lockdowns entstanden: „Da habe ich das Eingesperrtsein, die Innenschau, die Einsamkeit und den Schmerz in der Seele verarbeitet.“ Doch heuer im Frühjahr kehrte die Lebensfreude wieder: „Da habe ich wieder Lust am Malen und neue Impulse gespürt.“ Die sich nicht zuletzt in Grün und Blau Bahn brachen. Und sichtlich stolz ist sie auch auf die Fee, die sie für das Cover der im September erscheinenden CD des kanadischen Musikers Luc Beaulieu malte: „Der findet seine Muse in der Schönheit der Frau. Die ist für ihn magisch und inspiriert ihn zu seinen Liedern.“

IN HÄSELGEHR.
Das schöne Wetter nutzte derweil der Häselgehrer Bildhauer Daniel Praxmarer, um sich und freiem (blauen) Himmel über die Schulter schauen zu lassen. Aus Fichte gestaltet er zurzeit zwei Gartenskulpturen: „Die hat dickere Stämme, und ich möchte einfach ausladend arbeiten. Es macht mir halt Spaß mit Motorsäge und Flex!“ Die „Anima“ hängt da übrigens am Kopf und an der Basis zusammen: „Das soll symbolisieren, dass jeder Mensch zwei Seiten hat – das Weibliche und das Männliche. Aber jeder hat dennoch den Blick nach außen für sich.“ Näher am Rohzustand des Holzes war da die „Solaris“, die sich der Sonne entgegen räkelt: „Die muss ich noch fertig schleifen, bemalen und dann kommt sie auf eine Eisenstange, damit sie schön schweben kann.“

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