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Am Fernpass tut sich was – tut sich auch das Richtige?

In einer kurzfristig und überraschend einberufenen Pressekonferenz informierte das Land Tirol am 24. Jänner zur Fernpassproblematik und stellte ihr Projekt vor

Es war die gesamte Regierungsspitze Tirols anwesend – LH Anton Mattle, 1. LH-Stv. Dr. Georg Dornauer, 2. LH-Stv. Josef Geisler und LR René Zumtobel. Landesbaudirektor Dr. Christian Molzer nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil. Zusammen präsentierten sie das Fernpass-Paket und standen anschließend für Fragen zur Verfügung
29. Jänner 2024 | von Bruno Dengg
Am Fernpass tut sich was – tut sich auch das Richtige?
Die Herren der Landesregierung bei der Pressekonferenz in Reutte: LH-Stv. Josef Geisler, LH Anton Mattle, LH-Stv. Dr. Georg Dornauer und LR René Zumtobel (v.l.). RS-Foto: Bruno Dengg
ERWARTET UND DOCH ÜBERRASCHEND. Nachdem von Jahr zu Jahr die Verkehrssituation mit inzwischen schon ganzjährigen Staus auf der Fernpassroute B179 unerträglich und zum Albtraum der Anrainer geworden ist, laufend Urgenzen bei den politischen Vertreterinnen und Vertretern auf Bezirks- und Landesebene, begleitet von Protesten und Streiks stattgefunden haben, reagierte das Land Tirol endlich nach über 40 Jahren. So stellt sich natürlich die Frage, warum so lange nichts passiert ist bzw. gerade jetzt und so überraschend schnell gehandelt werden soll. Könnte unter anderem das „Superwahljahr“ 2024 dafür verantwortlich sein?

STIMMEN BEI DER PRESSEKONFERENZ. LH Anton Mattle betonte, dass die Lösung der Fernpassproblematik schon längere Zeit auf seiner Agenda stehe und das nun vorzustellende Projekt mit den Stakeholdern, der WKO und den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern besprochen wurde. Für ihn sei der Fernpasstunnel nur ein Teil des Gesamtpaketes, denn die B179 beginne bereits am Grenztunnel in Füssen. Er sprach sich für die Stärkung der Wirtschaft im Außerfern durch ein regionales Förderprogramm sowie für die Entlastung der Bevölkerung vom Durchzugsverkehr aus.
LH-Stellvertreter Dr. Georg Dornauer stellte die erfreuliche Tatsache in den Raum, dass es jetzt – nach fast 40 Jahren Untätigkeit – seiner Meinung nach relativ schnell zu einer Lösung kommen könne und die täglichen Standardverkehrsmeldungen „Stau auf der B179 Fernpassstraße, Zeitverlust 50 Minuten“ der Vergangenheit angehören sollten. Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung stünden im Mittelpunkt.
LH-Stellvertreter Josef Geisler führte aus, dass sich bereits mehrere Arbeitsgruppen im Land in der Vergangenheit mit der Fernpassproblematik beschäftigt hätten. Sein erklärtes Ziel sei keine stärkere Transitroute, dh der Schwerverkehr solle außen vor bleiben, der Ziel- und Quellverkehr sei jedoch wirtschaftlich notwendig.
Landesrat René Zumtobel erklärte, dass der Bezirk Reutte und somit auch das Land Tirol vor einer riesigen Herausforderung stehe, was den Verkehr anbelangt. Die zweispurige Hochqualitätsstraße (A7) führe bis zum Grenztunnel und wird dann zu einer einspurigen niederrangigen Bundesstraße „degradiert“. Die Menge an Verkehr sei mit der derzeitigen Infrakstruktur nicht kompatibel. Seiner Meinung brauche es viele Begleitmaßnahmen um den Verkehr fließen zu lassen. Für ihn sei der
Fernpassbahntunnel nicht gestorben, allerdings in sehr weite Ferne gerückt, denn die ÖBB können frühestens 2040 dieses Projekt in ihr Zielnetz aufnehmen und dann müssen noch Gespräche zur Integration in das europäische Bahnnetz geführt werden.

FAKTEN ZUM 500 MILLIONENSCHWEREN GESAMTPROJEKT. Dieses besteht aus dem Neubau einer zweiten Röhre des Lermooser Tunnels, die aus Gründen der Sicherheit unumgänglich notwendig ist, da dieser sonst gesperrt und der Verkehr wieder durch die Gemeinden fließen würde. Die Planung soll noch heuer und der Baubeginn 2026 erfolgen. Kostenpunkt 250 Millionen Euro, geplante Fertigstellung 2029. Anschließend, im Jahre 2030 Sanierung der alten Röhre. Der immer wieder kontrovers diskutierte Fernpasstunnel (Fernpassscheiteltunnel) solle eine bessere Anbindung des Außerfern an das Inntal durch Umgehung der Passstrecke darstellen. Die Fahrtstrecke verkürzt sich dabei um rund 3,5 Kilometer und die Fahrzeit um 3 Minuten. Die Tunnellänge selbst beträgt 1,44 Kilometer und die Kosten belaufen sich auf rund 160 Millionen Euro. Das Projekt wird noch im Jänner 2024 eingereicht, geplanter Baubeginn ist im Jahre 2026, die Inbetriebnahme soll im Jahre 2028 erfolgen. Neben der 2. Tunnelröhre und dem Bau des Fernpasstunnels sind im Gesamtpaket noch 90 Millionen für begleitende Maßnahmen vorgesehen. Darunter werden die Aufrechterhaltung des 7,5t-Fahrverbotes, weitere Abfahrverbote, strengere Kontrollen, die Prüfung weiterer Dosierampeln, der Bau von Unter- und Überführungen entlang der B179, die Unterbindung des Linksabbiegens, dringend notwendige Lärmschutzmaßnahmen und die Schaffung von Begleitwegen verstanden.

EIN SPAGAT BEI DER FINANZIERUNG, BEMAUTUNG UND AUSSERFERN-FÖRDERUNG. Die Bemautung ist so gut wie fix. Dazu wird eine Mautgesellschaft als 100%iges Landesunternehmen gegründet, dem das Land Tirol die gesamte B179 überlässt. Sie ist dann für die bauliche und betriebliche Erhaltung der Straße zuständig, während sich die Baumaßnahmen aus den Mauteinnahmen finanzieren. 2028 soll erstmalig die Maut eingehoben werden, die sich laut Stand heute für eine PKW Einzelfahrt auf rund 14 Euro und für eine PKW Mehrfahrtenkarte auf rund 140 Euro belaufen wird. Die Mautstellen sind in Höhe des Blindsees und in Nassereith geplant. Ohne zu „löhnen“ kommt niemand mehr über den Fernpass. Bei den Mautgebühren für Wirtschaftstreibende ist ein eigener Handwerkertarif in Ausarbeitung.
Für das Außerfern wird das bestehende Regionalwirtschaftsprogramm auf den gesamten Bezirk ausgeweitet und jeder Haushalt mit Hauptwohnsitz im Außerfern erhält, nach Haushaltsgröße gestaffelt, einen Regionalgutschein zwischen 150 und 290 Euro. Diese „Regionalwährung“, wie sie LH Mattle nennt, soll bereits im Jahre 2026, also noch vor Fertigstellung des Tunnels, eingeführt werden.

SCHNELLE LÖSUNGEN SIND OFT NICHT GANZ FERTIG GEDACHT. Das Fernpasspaket, das den Außerfernerinnen und Außerfernern nur Vorteile verspricht, scheint bei näherem Hinsehen doch nicht ganz fertig gedacht zu sein. So stellt sich wohl zu Recht die Frage, warum bei einem so wichtigen regionalen Projekt die Bevölkerung bei der Entscheidungsfindung so wenig befragt und eingebunden wurde. In den Anrainergemeinden an der B179 herrschte weitgehend Informations- und Kommunikationsmangel, was den Betroffenen gegenüber alles andere als fair ist.
Bei der Pressekonferenz wurde von Begleitmaßnahmen in Höhe von 90 Millionen Euro gesprochen. Ein entsprechendes Detailkonzept seitens des Landes liegt leider nicht vor. Es wäre interessant zu wissen, wo und welche in den einzelnen Ortschaften geplant und diese auch überhaupt tauglich sind. Das Mitwirken der Bevölkerung wäre auch hier äußerst sinnvoll.
Und wie schaut es mit den zukünftigen Mauteinnahmen, die jährlich einen hohen Betrag einspielen werden, nach der Amortisierung des Fernpass-Tunnels aus? Fließen diese zur Gänze nach Innertirol? Wird der Bezirk Reutte trotz scheinbarer Verkehrslösung wieder die Belastungen zu tragen haben und der absolute Verlierer sein? Hier muss unbedingt im Sinne der Außerfernerinnen und Außerferner garantiert werden, dass ein sehr hoher Prozentsatz oder die gesamten Mauteinnahmen dauerhaft in den Heimatbezirk fließen.

ES FEHLT DIE EINBEZIEHUNG DER NACHBARN. Der Bezirk Reutte ist nicht eine Insel der Seligen. Die Verkehr kommt und fließt auch wieder ab. Der Bezirk Imst ist dadurch vom Verkehr ebenfalls stark betroffen, liegt doch die Fernpassstraße zu mehr als 50 % auf dessen Gebiet. Wird der Tschirganttunnel als Entlastung ins Gesamtpaket aufgenommen bzw. was wird für die Bevölkerung und die Unternehmen im Bereich Gurgltal und Mieminger Plateau unternommen?

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