Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Ganz Nesselwängle blutet

Stillstand der Sesselbahn kratzt am Image der Gemeinde

Nach dem Mittagessen noch schnell Hausaufgaben gemacht und ab zum Neuschwandlift, bevor die Sonne verschwindet, oder mit der Doppelsesselbahn auf die Bergstation und sowohl die Aussicht als auch die Abfahrt genießen. Ein tolles Freizeitangebot, auf das die NesselwänglerInnen nicht mehr zugreifen können und mit dem sich viele mittlerweile schon abgefunden haben, denn was bleibt ihnen anderes übrig? Für viele Gäste stellt sich die Frage: “ Warum in Nesselwängle übernachten, wenn kein Lift geht? Während es hier um den Spaß in der Freizeit und Urlaubsgestaltung geht, wird die Lage für andere ernst – die Rede ist von den umliegenden Betrieben, Geschäften, Ferienhäusern, die direkt von den Bergbahnen abhängig sind, was wird aus ihnen werden?
12. Feber 2024 | von Lisa Vaudreuil
Ganz Nesselwängle blutet
Trist wie das Wetter schaut die Sesselbahn in Nesselwängle aus, seitdem ihre Pforten geschlossen wurden. RS-Foto: Vaudreuil
Nesselwängle ist ohnehin kein Ort des Massentourismus, das Angebot an Geschäften und Restaurants hält sich in Grenzen, was viele Einwohner und Gäste auch nicht als störend empfinden, übt gerade der ruhigere Aspekt des Dorfes eine gewisse Anziehungskraft aus. Doch dass die Liftanlagen seit zwei Jahren komplett geschlossen sind, zuvor die Öffnungszeiten gekürzt worden und der Sonnenlift bereits seit fünf Jahren nicht mehr in Betrieb ist, fängt an, am Image der Gemeinde zu kratzen – Schaden wird angerichtet, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Gäste ziehen woanders hin und früher oder später bringt das Liftaus auch das Betriebsaus, wenn nicht die Möglichkeit besteht zu adaptieren, oder eine Lösung gefunden wird, um den Lift wieder in Gang zu setzen.

VERLUSTE BEREITEN KOPFZERBRECHEN. Das Skigebiet Krinnenalpe galt als Mekka für Familien Rodelliebhabern und auch als Tourengeher und Pulverbegeisterte, kam man auf seine Kosten. Jetzt sieht man außer Tourengeher kaum jemanden dort. Das Sportgeschäft nebenan hat enorme Einbußen beim Service und viel weniger Ski- und Rodelverleih. Zu Weihnachten verzeichnen sie nur 1/3 des Geschäftes, wären da nicht die Einheimischen, für die sie sehr dankbar sind und würde das Geschäft nicht als Familienbetrieb gelten, müssten sie ihre Pforten schließen.
Martin Rief, der die Krinnenalpe betreibt, hat sich gut umgestellt und fokussiert sich auf Tourengeher, doch auch er hat mit Einbußen zu kämpfen. So auch die Gemeinde, der die Einnahmen durch die kaum benutzten Parkmöglichkeiten verloren gehen. Das Landgasthaus Schuster ist wohl am schwersten betroffen, im Winter sind ihre Einnahmen um 90% gesunken. Die Skitourengeher stärken sich am Berg vor der Abfahrt und die Langläufer ziehen an ihnen vorbei. Waren zuvor Schneebegeisterte auf Skiern, Snowboards und Rodeln und hauptsächlich Familien auf Besuch,  „Gott sei Dank haben wir lange Sommer”, doch im Winter muss das Gasthaus jetzt Änderungen vornehmen, tagsüber schließen, um Personal einzusparen.
Im Sommer war das Gebiet sehr attraktiv für Familienwanderungen und auch für Leute geeignet, die nicht so gut zu Fuß sind. Markus Thurner, der auf der Gräner Ödenalpe arbeitet, hat nur im Sommer offen. Seit der Lift zu ist, kommen nur noch einige E-Biker, Familien sieht er gar keine mehr. Hätte er kein Weidevieh, müsste er zusperren, denn gewinnbringend ist das nicht mehr. Sein Vater betrieb die Edenalpe, mit Schließung der Liftanlagen war er aufgrund fehlender Einnahmen gezwungen, damit aufzuhören.
Viele Pensionen in Nesselwängle müssen wegen den geschlossenen Liftanlagen vielleicht nicht sofort schließen, doch erfahren mit weniger Buchungen, die Auswirkungen dessen.
Seit 55 Jahren ist es das erste Mal, dass kein Lift in Nesselwängle fährt, obwohl es zu den schneesichersten Skigebieten zählt - Wenn man sich an die Tage erinnert, an denen reges Treiben in den Betrieben stattfand, Familien sich am Tenneberg tummelten, Kinderlachen an den Übungsliften zu hören war, Rodler den Hügel runterrasten und Gäste ihren Kaffee genossen, während sie den Skitourengeher beim Aufstieg zu sahen, dann stellt sich einem schon die Frage, wie ein einziger Mensch all das zum Stillstand bringen kann.
Denn wären Möglichkeiten gegeben, würden sie ergriffen werden: Würde das Skigebiet zu einem vernünftigen Preis verkauft werden, wären Investoren da, wäre eine andere Geschäftsführung da, wären Betriebsleiter bereit, dort zu arbeiten. Wäre das Skigebiet wieder geöffnet, könnten auch Betriebe offenbleiben - Erinnerungen sich in neue Erlebnisse wandeln und der Stillstand, der herrschte, als Narbe verblassen.

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