Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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SOMMERGESPRÄCHE – SPÖ geht motiviert in den Wahlkampf

Kein Impfzwang durch die Hintertür, mehr Pflegeplätze – diese Themen sind für die Außerferner Sozialdemokratie entscheidend

Stefan Zaggl-Kastner ist in zweiter Ehe verheiratet. Er hat zwei Kinder und drei Stiefkinder. Seit 2017 ist er Bezirksvorsitzender der SPÖ Reutte und seit den letzten Landtagswahlen hauptberuflich Mitglied des österreichischen Bundesrates. Zuvor hat er 23 Jahre bei Ceratizit Austria GmbH als Schlosser gearbeitet. Seine Freizeit ist ausschließlich für seine Familie und Aktivitäten mit ihr vorgesehen.
30. August 2021 | von Von Johannes Pirchner
SOMMERGESPRÄCHE – SPÖ geht motiviert in den Wahlkampf
Stefan Zaggl-Kastner: „Die Sozialpolitik ist eines unserer Kernthemen.“ Foto: Photo Simonis
Von Johannes Pirchner

RUNDSCHAU: LH Günther Platter kann sich in bestimmten Bereichen die 1-G-Regel zur Eindämmung der Pandemie vorstellen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert diese schon seit Juli. Würdest du im Bundesrat für eine Verschärfung stimmen?

Stefan Zaggl-Kastner: Ich sehe diese Diskussion extrem kritisch, da dies die Gesellschaft weiter spaltet! Ich bin weiterhin für die Wahlfreiheit beim Impfthema. Eine „Ausgrenzung“ von Personen, die sich nicht impfen lassen wollen oder es aus den verschiedensten gesundheitlichen Gründen nicht können, sehe ich unter keinerlei Umständen als gerechtfertigt. Die 3-G-Regel, also geimpft, getestet, genesen, hat sich in den letzten Monaten sehr gut bewährt und als einfaches und effektives Mittel bei der Pandemiebekämpfung erwiesen. Ich bin gegen eine Impfpflicht durch die Hintertür und LH Platter wäre gut beraten, sein Versprechen der Freiwilligkeit nicht zu brechen.

RS: Lange Verzögerungen und Staus prägen die B179 im Sommer. Die SPÖ spricht sich für eine Bahnvariante aus. Wie schaut das SPÖ-Konzept zur Bevölkerungsentlastung in der Verkehrsfrage aus?
Stefan Zaggl-Kastner: Der Bezirk Reutte ist der kleinste in Tirol und wird gerne in den verschiedensten Bereichen vergessen. Geografisch liegen wir abseits des Zentralraums des Inntals und die Anbindung dorthin ist sehr schlecht. Unser Vorschlag ist ein Bahntunnel vom Ehrwalder Becken nach Innsbruck. Mit dieser Variante wäre man in 1:15 Stunden in Innsbruck. Dies würde erstens den Arbeitsmarkt im Inntal für Außerferner Arbeitnehmer und umgekehrt erschließen, zweitens wäre es auch für Außerferner Studierende eine tolle Möglichkeit, den hohen Mietpreisen in der Landeshauptstadt zu entgehen. Mit dem Bahntunnel könnte auch der gesamte Schwerverkehr auf die Schiene gebracht werden und es ist die beste Lösung für unsere Umwelt und für die Gesundheit unserer Bevölkerung. Diese muss zu jeder Zeit an erster Stelle stehen. Wir waren damals die Ersten im Landtag, die diese Machbarkeitsstudie gefordert haben. Nun sind endlich auch die Grünen auf den SPÖ-Zugvorschlag aufgesprungen. Der Autotunnel, wie von ÖVP und FPÖ als Präferenz gefordert, wäre keine Lösung. Man sollte auch sehen, dass mit der Tunnellösung der Volkspartei die bis jetzt zugelassene Gewichtsbeschränkung von 7,5 Tonnen fallen würde und eine unaufhaltsame Transitwelle auf uns zukäme: Die Transitroute Ulm-Mailand führt quer durch unser Außerfern. Meines Erachtens sollte es viel öfter Kontrollen des Schwerverkehrs geben, ebenso wäre es von Vorteil, wenn der Asfinag-Prüfzug die Kontrollstelle in Musau regelmäßig aufsucht. Wir sehen zwar für die Zukunft, bezogen auf den Feinstaub durch Abgase, einen leichten Emissionsrückgang. Vor allem durch den vermehrten  Gebrauch von Elektroautos. Auch wenn  sich dadurch die Belastung für die Umwelt verringert, auf andere Weise ist es doch so, dass sehr viel Energie benötigt wird. Die ÖVP wäre in meinen Augen wesentlich besser beraten, die 100 Millionen Euro, die sie für den Scheiteltunnel geplant hat, an Familien zu verteilen, die durch die Coronapandemie in Not geraten sind und vor ihrem Existenzverlust stehen. Dies würde die Landesbevölkerung wirklich stärken!

RS: SPÖ Verkehrssprecher Philipp Wohlgemuth hat 2019 im VZ-Breitenwang gesagt, eventuell müsse man den Fernpassscheiteltunnel „schlucken“, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, den Bahntunnel zu bekommen. Wie sieht die Außerferner SPÖ dies?
Stefan Zaggl-Kastner: Nein! Ich bin explizit gegen den Tschirgant- und Scheiteltunnel. Laut Bericht der Asfinag würde dies keine Entlastung bringen. Auch die SPÖ Bezirksorganisation Imst spricht sich gegen diese Tunnelvarianten aus.

RS: Ein Kernthema der Sozialdemokratie war immer die Sozialpolitik. Welche sozialpolitischen Maßnahmen benötigt das Außerfern aus Sicht der SPÖ am dringendsten?
Stefan Zaggl-Kastner: Jede Thematik ist wichtig und steht im Bezug zu einer Notwendigkeit, die wir nicht außer Acht lassen können. Dennoch werde ich mich jetzt nur auf zwei Themen beschränken. Erstens: Wohnen und Kinderbetreuungsplätze. Beim Wohnthema sehen wir, dass sich dies durch die Generationen zieht. Viele Familien können sich oft nur unter großer „Anstrengung“ das Grundbedürfnis Wohnen erfüllen – ohne jeden Monat ihr Minus am Konto zu vergrößern. Hier muss es eindeutig Wohnbauträger geben, die günstigere Wohnungen anbieten können, auch werden mehr Sozialwohnungen benötigt. Wohnen im Alter kann nur im selben Atemzug mit dem Pflegethema genannt werden. Ja, es wurde ein Neubau eines Pflegeheims in Ehenbichl auf Schiene gebracht, und hier in Reutte beim Seniorenheim „Zum Guten Hirten“ gibt es ein Angebot an Heimplätzen. Aber das ist  viel zu wenig. Die demografische Entwicklung zeigt mehr als deutlich,  dass die Überalterung im Außerfern steigend ist. Somit benötigen wir nicht nur mehr Plätze, sondern auch mehr Personal in diesen Bereichen! Zweites Thema: Es muss einen Ausbau im Bereich der Kinderbetreuung geben. Mehr Plätze, mehr Ferienbetreuung und mehr Personal. Auch hier sehen wir, dass die Lebenserhaltungskosten sehr hoch sind. Beide Elternteile müssen arbeiten gehen. Frauen werden in die Teilzeit gedrängt. Wenn das Kinderbetreuungssystem nicht gut genug ausgebaut ist, bleibt nichts anderes übrig, da die Kinder ja betreut werden müssen. Volkschulen haben keine Hortmöglichkeiten und es gibt keine adäquate Sommerbetreuung. Wir sehen uns hier mit einem sehr rückständigen System konfrontiert.

RS: Die Regionalentwicklung Reutte hat mit Armin Walch nun nach einigen Turbulenzen einen neuen Obmann bekommen. Die SPÖ war mit dieser Nachfolge nicht zufrieden. Warum?
Stefan Zaggl-Kastner: Ich rüttle nicht an der Sachkompetenz von Armin Walch. Aber es hätte einen besseren Kandidaten für die REA-Obmannschaft gegeben. Nämlich Reuttes neuen Bürgermeister Günter Salchner. Viele Jahre hindurch hat Günter Salchner als Geschäftsführer für die REA herausragende Arbeit für Region, Menschen und Wirtschaft geleistet. Salchner steht für Überparteilichkeit, Fachkompetenz und Sachlichkeit. Als Bürgermeis-ter von Reutte vertritt er überdies knapp 25 Prozent der Außerferner direkt. Nicht einmal die ÖVP selbst bestreitet die grandiose Arbeit von Günter Salchner. Aber er ist leider nicht Teil der türkisen  Familie. Entscheidende Fachkompetenz, gelebte Überparteilichkeit, langjährige Erfahrung und besonnener Weitblick für die REA und den Bezirk Reutte stehen für die ÖVP unter LTP Sonja Ledl-Rossmann aus meiner Sicht nicht im Fokus. Die Aussagen, dass man mehr Zeit für die Bestellung und Beratung braucht, machen einfach keinen Sinn. Machtpolitik steht hier klar im Vordergrund. Dass die Volkspartei ja allgemein Übung hat, Obleute zu sabotieren und aufgrund von Machtausbau abzumontieren, ist seit Reinhold Mitterlehner nichts Neues. Hinzu kommt ja auch, dass sich sogar ÖVP Politiker für Bgm.  Salchner ausgesprochen haben.

RS: Der Reuttener Gemeinderat hat Günter Salchner zum neuen Reuttener Bürgermeister gewählt. Wird es möglicherweise eine gemeinsame Liste zwischen der SPÖ und der „Liste Salchner“ geben bzw. wird sich die SPÖ für einen BGM Salchner aussprechen?
Stefan Zaggl-Kastner: Es wird auf jeden Fall eine sozialdemokratische Wahlmöglichkeit bei der nächsten Gemeinderatswahl in Reutte geben.

RS: Tirols SPÖ Chef Dornauer hat sich für eine härtere Einwanderungs,-Migrations- und Asylpolitik ausgesprochen. Ebenso dürfe es auch keinen Abschiebestopp nach Afghanistan geben. Wie ist deine Meinung hierzu?
Stefan Zaggl-Kastner: Diese Aussage hat Georg Dornauer noch vor der Einnahme von Kabul und der vollständigen Niederlage der afghanischen Armee getroffen. Abschiebungen nach Afghanistan halte ich in dieser Situation für weltfremd. Georg Dornauer hat dies in seinem ORF-Sommergespräch relativiert. Abschiebungen sind jetzt faktisch und rechtlich nicht möglich. Die Linie der SPÖ in diesen Themen sind für mich klar: Straffällige Asylwerber sollten abgeschoben werden. Da sind sich alle Parteien weitgehend einig, hier herrscht Konsens. Doch gerade junge Asylwerber, die hier bei uns eine Lehre absolviert haben, über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen und sich gut integrieren, sollen bleiben dürfen. Auch bei der Migration muss man konsequent sein. Doch auch hier muss es Möglichkeiten für sehr gut integrierte Menschen geben, die über gute Deutschkenntnisse verfügen und die für die Wirtschaft von Vorteil sind. Einen dänischen Weg in der SPÖ halte ich aber für falsch. Dänemark verfolgt eine harte Zuwanderungspolitik. (Dänemark setzt auf eine harte Zuwanderungspolitik: Es sollen keine weiteren Flüchtlinge ins Land kommen. Anm. d. Red.)

RS: Die HTL-Reutte wird im Bezirk sehr gut angenommen. Auch die SPÖ hat sich lange für die HTL eingesetzt. Bist du zufrieden mit der Umsetzung dieses Projekts?
Stefan Zaggl-Kastner: Der Bezirk Reutte ist eine der am höchsten industrialisierten Regionen Österreichs und hatte bis dato kein technisches Ausbildungsangebot. Viele Unternehmer hielten die Etablierung einer HTL mit Ausbildungsschwerpunkt „Digitale Technologien“ aufgrund des Fachkräftemangels für sinnvoll und notwendig. Wir müssen unseren jungen Menschen die bestmöglichen Rahmenbedingungen für eine aussichtsreiche Zukunft bieten. Dieses Modell bestätigt, wie wichtig die HTL in Reutte ist. Wir haben im Landtag die Initiative zur Errichtung einer HTL in Reutte bereits im Jahr 2018 eingebracht und erfolgreich durchgesetzt. Danach hat die ÖVP den Bezirk noch zwei Jahre warten lassen, um ein Angebot zu schaffen. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, eine so hochwertige Ausbildungsstätte nach Reutte zu bringen und dass sich so viele junge Menschen dafür interessieren. Ich persönlich wünsche mir zum Schulangebot noch ein Schülerheim. Einerseits für Kinder aus dem Außerfern, die einen sehr weiten Schulweg haben und um die Schule auch für Kinder außerhalb des Bezirks Reutte attraktiv zu machen.

RS: Wird es 2022 bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl neben Reutte noch Gemeinden geben, in denen es SPÖ-Kandidaten und -Listen gibt?
Stefan Zaggl-Kastner: Es wird auf jeden Fall in Pflach mit Hubert Gruber ein hervorragender Kandidat für die SPÖ antreten. Auch in weiteren Gemeinden werden Gespräche geführt. Jedoch möchte ich hier noch nicht zuviel Konkretes sagen.

RS: Vielen Dank für das Gespräch.

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