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Menschen im Gespräch – Weltmeister mit geballter Kraft

Die RUNDSCHAU traf den amtierenden Weltmeister im Bankdrücken (bis 83 Kilogramm), Kevin Schmid, zum Gespräch

Kevin Schmid ist jung, gerade einmal 23 Jahre alt. Zum Kraftsport kam der gebürtige Ehenbichler nach einer schweren Operation 2013, die ihn für ein halbes Jahr in den Rollstuhl zwang. 2015 begann Kevin Schmid regelmäßig zu trainieren, seit 2017 betreibt er seinen Sport wettkampfmäßg. Vor Kurzem eroberte er in Südafrika im Bankdrücken den Weltmeistertitel in seiner Gewichtsklasse (wir berichteten). Aktuell steckt Kevin Schmid mitten in den Vorbereitungen für die nächsten großen Wettkämpfe.
27. Juni 2023 | von Von Sabine Schretter
Menschen im Gespräch – Weltmeister mit geballter Kraft
Kevin Schmid (l.) freut sich mit seinem Trainer Lukas Demuth über den Weltmeistertitel in Südafrika. Foto: Privat
Von Sabne Schretter


Zeit für ein anregendes Gespräch fand der sympathische Außerferner trotz seines straffen Terminplans. „Ich trainiere vier bis fünf Mal pro Woche. Heute (Mittwoch) habe ich Trainingspause. Training und Beruf lassen sich gut miteinander vereinbaren. Zeit für meine Freundin, die Familie, die Feuerwehr und Fußball habe ich auch – das geht sich alles gut aus“, sagt Kevin Schmid. Und so entspannt wie er die RUNDSCHAU-Redaktion betrat, glaube ich ihm aufs Wort.

NICHT OLYMPISCH. Eine komplizierte Operation an der Achillessehne  fesselte Kevin Schmid für sechs Monate an den Rollstuhl. Und jetzt, zehn Jahre später, ist er Weltmeister im Bankdrücken. Wie ist das möglich? –  möchte ich wissen. Die Operation und die Genesungsphase danach seien der Auslöser gewesen, mit dem Krafttraining zu beginnen. Talent, Potenzial, die nötige mentale Stärke, Disziplin und die richtigen Wegbegleiter taten ihr Übriges: Aus dem Gedanken „ich muss was für mich tun“ wurde weit mehr. Einen Weltmeistertitel und etliche weitere Trophäen hat er bereits in der Tasche – Kevin Schmid hat Lust auf mehr. Obwohl sehr erfolgreich, kann er von seinem Sport, dem Kraftsport, nicht leben. „Kraftsport bzw. Kraftdreikampf und Bankdrücken sind leider Randsportarten und nicht olympisch“, bedauert er. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass bei Wettkämpfen im Kraftsport immer sogenannte „Spotter“ (Helfer) mit dabei sind. „Spotter sind wichtig, um einzugreifen und zu unterstützen, wenn ein Sportler Probleme hat. Wir Sportler bestreiten die Wettkämpfe also nicht als Einzelpersonen. Ich denke, dass das dem Olympischen Komitee nicht gefällt und Kraftsport deshalb nicht zu den Olympischen Disziplinen aufgenommen wird“, gibt Kevin Schmid eine möglich Erklärung. Als Amateur und Mitglied beim Kraftsportverein (KSV) Reutte bestreitet Kevin Schmid derzeit noch Wettkämpfe in der Junioren-Klasse (18 bis 24 Jahre). „Nächstes Jahr wechsle ich in die Klasse der 25- bis 40-Jährigen und muss mich dort neu etablieren.“ Zu welchen Wettkämpfen Kevin anreist, entscheidet der ÖKV, der Österreichische Verband für Kraftdreikampf. Für die Wettkämpfe nimmt er Urlaub, Anreise und Unterkunft bezahlt der ÖKV. „Mein Equipment, das sehr teuer ist, muss ich mir selber beschaffen und brauche daher meinen Verdienst.“ Kevin Schmid arbeitet als Maschinenbauer bei der Plansee Group, wo er auch seine Ausbildung absolviert hat. Was bedeutet Equipmen?, frage ich. „Ich betreibe Kraftdreikampf in einem speziellen Anzug, eben dem Equipment. Das kann man sich wie einen Autogurt vorstellen. Es ist ein sehr straffes Gewebe, das nicht nachgibt, das dich richtig zusammendrückt“, klärt mich Kevin auf. „Warum tut man sich das an?“ „Mit Equipment kann man mehr Gewicht bewegen. Und die Verletzungsgefahr ist geringer“, sagt Kevin.

VORBEREITUNGEN LAUFEN. Derzeit bereitet sich Kevin Schmid auf seine nächsten großen Wettkämpfe vor: Anfang August geht es für den Ehenbichler nach Frankreich zur Europameisterschaft im Bankdrücken. Ende August fährt er zur Dreikampf-Weltmeisterschaft nach Rumänien. Trainiert wird immer nach der Arbeit, vier bis fünf Mal pro Woche, jeweils für zwei bis drei Stunden im Trainingsraum des KSV in Reutte. Kevins Trainer, Lukas Demuth aus Innsbruck, stellt einen genauen Trainingsplan zusammen und analysiert regelmäßig die Trainingsergebnisse seines Schützlings. Einmal im Monat trainiert Kevin in Innsbruck, in den Wochen unmittelbar vor einem Wettkampf sogar einmal pro Woche. „Wir arbeiten seit eineinhalb Jahren zusammen und sind ein super Team. Ich halte mich sehr genau an den Plan, den Lukas für mich entwickelt.“ Auf sein Wettkampfgewicht achtet Kevin Schmid, indem er sich eiweißhaltig ernährt. Zwei Stunden vor einem Wettkampf wird jeder Athlet gewogen. Stimmt dann das Gewicht nicht, kann die Teilnahme am Wettkampf verwehrt werden. Neben dem Gewicht wird auch das Equipment genau kontrolliert. An Originalnähten darf man arbeiten, eigene Nähte aber keine anbringen. Als besonders streng beschreibt Kevin Schmid die Doping-Kontrollen. Die NADA (Nationale Anti Doping Agentur) teilt Athleten, die international Topleistungen bringen, in Testpools ein und kontrolliert sie zu Hause, beim Training und wenn sie unterwegs sind. „Ich muss jeden Tag angeben, wo ich schlafe, wo ich trainiere und mich aufhalte. Spontan und unangemeldet kann dann jederzeit eine Kontrolle an einem von mir gemeldeten Standort erfolgen“, erklärt Kevin. Dann wird vor Ort eine Urinprobe genommen. Besteht ein Verdacht, kommt ein Arzt mit und nimmt eine Blutprobe. Wird eine unerlaubte Substanz festgestellt, verliert der Sportler seinen Sponsor, bekommt seine Wettkämpfe abgezogen und wird für vier Jahre gesperrt. „Doping kommt für mich nicht infrage. Dafür habe ich viel zu großen Respekt vor dem Sport. Ich halte mich an alle Regeln“, lautet Kevins Schmids Prinzip. Sein Respekt vor dem Sport, seine Disziplin und Zielstrebigkeit machen sich für Kevin Schmid bezahlt. Er hat seinen Sponsor gefunden. „Die junge kanadische Firma Hansu Power suchte einen jungen Sportler und kam auf mich zu. Das ist ein großes Glück. Ich verdiene kein Geld mit meinen Wettkämpfen, aber ich erhalte Anerkennungsprämien vom ÖKV und von meinem Sponsor“, freut sich Kevin Schmid, dem es ein Anliegen ist, allen zu danken, die ihn auf seinem erfolgreichen Weg begleiten: Seinem Sponsor Hansu Power, dem gesamten KSV Reutte – ganz besonders Manuel Baumgartner und Marco Regensberger und seinem Trainer Lukas Demuth. Und einen  ganz speziellen Dank richtet Kevin an seine Familie und seine Freundin Lena Kerle, „die immer hinter mir stehen und mir den Rücken freihalten“.
Und wohin soll die Reise weiter gehen?, frage ich Kevin abschließend. „Ich möchte gern mit meiner Freundin zusammenziehen. Sportlich hoffe ich, dass ich gesund bleibe und mich in der neuen Wettkampfklasse gut etablieren kann. Dann ist vieles möglich.“ Die RUNDSCHAU-Daumen für Kevin Schmid, das Kraftpaket aus dem Außerfern, sind jedenfalls gedrückt. Wer Interesse hat und sich für Kraftsport interessiert, ist beim KSV Reutte jederzeit willkommen. Kontakt: Sportverein Reutte, Tel. +43 676 88770 101, E-Mail: info@sportverein-reutte.at
Weitere Informationen unter: sportverein-reutte.at

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