Von Bruno Dengg.
Die Ausstellung „Gerberei Lutz: Ein Betrieb mit Geschichte“ anlässlich des Tages der offenen Tür am Samstag, dem 23. September, war äußerst informativ, umfangreich, interessant und mit vielen Besonderheiten, Schätzen, Bildmaterial und Werkzeugen zusammengestellt.
Hier eine Chronologie: • 1923: Geschäfts-Anzeige mit Bekanntgabe der Eröffnung der Rotgerberei im „Volksboten“ durch Gerbermeister Bartl Lutz sen. • 1960: Neubau der Weiß- und Sämischgerberei mit Wohnhaus durch Gerbermeister Bartl Lutz jun. • 1976 bis 1977: Vergrößerung der Gerberei durch einen neuen Anbau, genutzt als Lager und Verkaufsraum. • 1977: Tod von Bartl Lutz sen. mit 80 Jahren. • 1978: Tödlicher Arbeitsunfall von Bartl Lutz jun. im Alter von 54 Jahren. • 1980: Weiterführung der Gerberei als Witwenfortbetrieb durch Gattin Mathilde Lutz. • 1990 bis heute: Übernahme, teilweise Modernisierung, Umstrukturierung der Gerberei durch Gerbermeisterin Margarete Bader geb. Lutz
VON DER ANGELIEFERTEN HAUT ZUM KUSCHELIGEN FELL.
nhaberin Margarete Bader erzählte mir bei meinem Besuch in ihrer Gerberei, dass ca. 70 Prozent ihrer Tätigkeit aus Lohnarbeit bestehe. Das bedeutet, dass Privatpersonen wie Jäger, (Hobby-)Landwirte und andere ihre Tierhaut in die Gerberei bringen und nach deren Bearbeitung diese als Fell wieder erhalten. Die restlichen 30 Prozent der Tierhäute kauft Margarete Bader an, um diese zu bearbeiten und als Verkaufsware anzubieten. Sie bearbeitet die verschiedensten Felle, angefangen von den kleinen Tieren wie Marder, Hase, Maulwurf bis hin zu den Häuten der großen Tiere wie z.B. der Kuh. Den Großteil der bearbeiteten Felle machen jedoch jene der Schafe, Ziegen und Wildtieren aus.
Es gibt dabei verschiedenen Gerbarten, die im Laufe der 100 Jahre in der Gerberei Lutz angewandt wurden und werden. Der Großvater von Frau Bader und Gründer der Gerberei Lutz verwendete das Verfahren der Rotgerberei mit pflanzlichen Gerbstoffen, ihr Vater stellte dann auf die Sämischgerbung um, bei der Fischtran als Gerbstoff verwendet wurde, und sie selbst hat schon seit längerer Zeit auf die umweltfreundliche Pelzgerbung umgestellt. Wie schaut nun der Bearbeitungsprozess von der gebrachten Haut bis zum abzuholenden Fell aus? Die gebrachte Haut wird nummeriert um zu garantieren, dass der Kunde wieder sein Fell erhält. Die Haut wird in kaltes Wasser gegeben um Salz und Schmutz wegzubekommen. Die Haut quillt auf und entfleischt und wird danach mehrere Stunden gewaschen. Anschließend kommt sie in das sogenannte Säurebad, das eine Vorbereitung auf den eigentlichen Gerbprozess darstellt. Dabei bewirken die Gerbstoffe eine Einlagerung und Fixierung der Proteine und die Umwandlung zu Leder. Das so entstandene Zwischenprodukt wird anschließend gefettet und getrocknet. Danach erfolgt das Anfeuchten und Weichmachen durch mechanische Bearbeitung. Anschließend wird die Lederseite geschliffen, die Deko-Felle in einem Spannrahmen aufgespannt und anschließend zugeschnitten. Der letzte Akt zum kuscheligen Fell besteht darin, dass die Felle durch die Kämm- und Bürstmaschine laufen. Der gesamte Prozess dauert ca. 3 Monate und dann kann die Kundschaft die gebrachte Haut als weiches, flauschiges und dekoratives Produkt wieder ihr Eigentum nennen. Frau Bader verarbeitet in der Woche ca. 60 Schaffelle, zusätzliche Füchse, Wildwaren und Ziegen.
RÜCKBLICK UND AUSBLICK DER INHABERIN.
Margarete Bader blickt auf ihren interessanten beruflichen Weg, der allerdings nicht sehr einfach war, mit Stolz zurück. Nach dem Tod ihres Großvaters Bartl Lutz sen. im Jahre 1977 und dem Tod ihres Vaters Bartl Lutz jun. 1980 wurde die Gerberei als Witwenfortbetrieb durch ihre Mutter Mathilde geführt. 1990 übernahm Tochter Margarete im Alter von 20 Jahren, nach einer absolvierten Gerberlehre in Hindelang und anschließender Meisterprüfung, den elterlichen Betrieb. Eine wahrlich harte, prägende Zeit, während dieser ein junges Mädchen sich in einem, von Männern dominierten Berufszweig durchsetzen und „ihren Mann“ stellen musste. Mit viel Engagement und Empathie wurde sie zur „Macherin“ in der Familie und von einer 40-Stunden-Woche konnte sie nur träumen. 1991 gründete sie ihre Familie. Ihre Kinder, eine Tochter und zwei Söhne, sind inzwischen erwachsen und in anderen Berufen tätig, helfen jedoch nach Maßgabe ihrer zeitlichen Ressourcen weiterhin noch im Familienbetrieb auf unterschiedlichste Weise mit.
Was Margarete Bader zurecht mit Stolz erfüllt, sind die vielen erfreulich, guten Rückmeldungen ihrer Kundschaft und deren Weiterempfehlungen. Mit großem Erfolg führt sie ihren Verkauf vor Ort, und es kommen wahrlich viele Kunden aus nah und fern. Diese, so sagt die Unternehmerin, wollen die Felle „riechen“ und empfinden die Authentizität ihrer Ware. Da kann keine Internetware mithalten und deshalb führt sie auch keinen Online-Shop. Ihre Kunden wollen immer mehr Nachhaltigkeit und sagen der Wegwerfgesellschaft sowie billigen Auslandsprodukten ab und begrüßen ihren umweltfreundlichen Herstellungsprozess. Es wird auch geschätzt, dass aus einem Abfallprodukt eines Tieres noch nachhaltige Nebenprodukte erzeugt werden. Das ist auch mit ein Grund, warum die Felle von Margarete Bader und die, in Österreich qualitativ hochwertige zugekaufte Ware, wie Schuhe, Fellmützen, Fellhausschuhe, Lederhosen, uvm., in ihrem Geschäft in Weißenbach die „Renner“ sind.
Die RUNDSCHAU bedankt sich sehr herzlich für die Informationen und Führung durch einen nicht alltäglichen, aber besonderen Betrieb und wünscht Margarete Bader weiterhin ein glückliches Händchen bei der Führung des Familienunternehmens, damit dieses auch in Zukunft floriert und dem Bezirk erhalten bleibt.
Das Gebäude, in dem vor 100 Jahren die Erfolgsgeschichte Gerberei Lutz begann … RS-Fotos: Deng