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„Sehnsucht nach unberührter Natur“

2. April 2019 | von Nina Zacke
„Sehnsucht nach unberührter Natur“
„Ein Umdenken ist nötig“: Matthias Schickhofer und sein „Schwarzbuch Alpen“. RS-Foto: Gerrmann

„Schwarzbuch Alpen“: Das Außerfern hat Probleme, aber auch Chancen


Für die einen sind sie das Paradies, in dem sie dem Alltag entrinnen können, für die anderen (bedrohte) Heimat: die Alpen. Der Autor Matthias Schickhofer hat dazu ein kritisches, zuweilen auch provokantes Buch geschrieben. Darin erläutert er, „warum wir unsere Berge retten müssen.“ Auch das Außerfern spielt darin eine Rolle.

Von Jürgen Gerrmann

„Zauberwelt“ und „Problemzone“ – zwischen diesen beiden Polen bewegt sich der Lebensraum Alpen nach Auffassung des Waldviertlers, der schon mehrere Umweltschutzorganisationen beraten hat. Und wo verortet er da das Außerfern? Das wollte die RUNDSCHAU am Rande der Buchpräsentation in Haiming von ihm wissen.
Vermutlich irgendwo dazwischen. Als Haupt-Problemzone sieht er auf jeden Fall das, was die Außerferner im Moment wohl am meisten bewegt: die Verkehrsmisere, die für große Lärm- und Schadstoffemissionen sorge. In einer Verbesserung der Straßen-Infrastruktur sieht er allerdings keine Lösung: „Jede Verbesserung der Durchlässigkeit bewirkt noch mehr Verkehr. Dann staut es sich halt an einer etwas anderen Stelle. Und auf noch höherem Niveau.“
Das Wild und der Wald.

Zu den Dingen, die Schickhofer am Außerfern begeistern, zählen auch die Naturwaldreservate in der Nähe des Plansees. Die lägen in steilem, unzugänglichem Gebiet, seien noch groß, schön, naturnah, artenreich. In Biotopen wie diesen bestehe aber ganz generell ein großes Problem durch Wildverbiss. Was dagegen zu tun sei? „Den Wildbestand reduzieren, weniger füttern.“ Aus Gesprächen mit Experten der Bundesforste wisse er um deren Sorge, dass der Umbau der Wälder auf klimaresistentere Baumarten schwierig werden könne, weil das Wild eben lieber an Laubbäume als an die stacheligen Fichten gehe.
Trendwende im Tourismus? Für den Autor steht fest: „Die Alpen brauchen Tourismus.“ Schließlich lebten viele Menschen gerade in Tirol davon. Freilich: „Wir brauchen eine Umorientierung.“ In welche Richtung denn? „Möglichst wenig Umbau der Landschaft. Wir müssen uns mit dem begnügen, was da ist.“
Diese Trendwende sei letztlich auch im Sinne der Gäste: „Die Sehnsucht nach der unberührten Natur ist doch unübersehbar.“ Daher solle dürfe es nur mehr behutsame Erschließungen geben, Eisenleitern und riesige Aussichtsplattformen müssten tabu sein, auch wenn man den Wanderern „behutsame Einblicke in verborgene Plätze“ ermöglichen solle. Erlebnis- und Genusswandern führe letztlich auch zu mehr Wertschöpfung in der Gastronomie.
Lechweg als Musterbeispiel.

Den Lechweg sieht Matthias Schickhofer in dieser Richtung übrigens als „absolut positiv“ an: „Er war einer der ersten, der einem noch weitgehend naturnahen Fluss folgt. Das ist wegweisend. Und eine der Möglichkeiten für den unverzichtbaren Plan B im Tourismus.“ Denn, wenn der Klimawandel wie prophezeit eintrete, dann verlängere sich die Wandersaison, und dann könne man den Lechweg mit Ausnahme der obersten Etappe bis November oder Dezember gehen: „Wenn der Schnee weg ist, ist das eine Alternative.“
Toll sei es auch, dass das Außerfern mit dem Projekt „Eppas guats“ im Rahmen der Marke „Winterwandern in Tirol“ führend mit dabei sei und – dank der auch in der kalten Jahreszeit geöffneten Almen und Hütten – die Landschaft erlebbar mache: „Für Nicht-Skifahrer ist das sehr attraktiv. Und die Gäste können dem Nebel entrinnen, der im Winter über Süddeutschland liegt.“ Viele hätten ohnehin das Skifahren satt und wollten lieber Natur pur erleben, statt ewig am Lift anzustehen.
Nun leidet ja das Außerfern nicht zuletzt unter den Touristen, die gar nicht hierbleiben, sondern nur zu den Hotspots in Ischgl oder im Ötztal weiter wollten. Wäre da nicht eine Art „Lastenausgleich“ zwischen diesen Regionen nötig? Auch der „Schwarzbuch“-Autor sieht da ein Grundproblem: „Die Soziallasten müssen andere tragen. Wenn ich nicht mehr schlafen kann, muss ich die Therapie zahlen – und nicht die Autofahrer, die das verursachen.“ Mittelfristig gehe es aber nicht mehr anders, als dass die, „die das System nutzen, auch einen Beitrag leisten, um die Folgekosten abzudecken.“ Es müsse in Richtung Mautsystem gehen: „Das ist ein schwieriges Thema. Aber es muss auf den Tisch.“
Info.

Matthias Schickhofer: „Schwarzbuch Alpen“; Brandstätter Verlag, Wien 2019; 200 Seiten mit 40 Abbildungen; 22,90 Euro.

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