Von Gebi G. Schnöll
„Die Räter bewohnten seit dem Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr. den Alpenraum vom Unterengadin im Westen bis in das Virgental im Osten und im Süden bis an den Gardasee. Insbesondere in den 1940er- und 1950er-Jahren wurde auf der ,Hohen Birga‘ archäologisch geforscht, dann geriet der Platz jedoch zunehmend in Vergessenheit, die bislang entdeckten Überreste verfielen und wucherten zu“, schildert assoz.-Prof. Mag. Dr. Florian Müller vom Institut für Archäologien der Universität Innsbruck. Er hat vor einigen Jahren im Bereich der „Hohen Birga“ die archäologischen Grabungen wieder aufgenommen und dabei mehrere Gebäude freigelegt. „Bislang war jedoch unklar, wo und wie genau der Zugang zur Siedlung erfolgte. Da der Hügel nach Norden, Osten und Westen steil abfällt, musste dieser im flacheren Südhang zu suchen sein. Dort war angeblich bereits 1953 durch den Prähistoriker Osmund Menghin ein Weg gefunden worden. Da diese Grabungen jedoch nie publiziert wurden und die alte Grabungsdokumentation dazu verschollen ist, konnte dem bislang nie weiter nachgegangen werden“, weiß Müller.
GRABUNGEN TROTZ CORONA. In den letzten Jahrzehnten wurden am gesamten Südhang der „Hohen Birga“ ohne archäologische Begleitung Wohnhäuser errichtet. Nur zwei Parzellen im östlichen Bereich blieben frei. Auf einer der noch unbebauten Parzellen sollte heuer im Frühjahr ein Wohnhaus errichtet werden. Das Bundesdenkmalamt ordnete daraufhin weitere archäologische Untersuchungen an. Da die Zeit drängte, wurden die Arbeiten trotz Corona durch Florian Müller und dessen Team im April und Mai vorgenommen. „In zwei langen Suchschnitten konnten unter massiven Steinverstürzen mehrere Terrassen im Hang festgestellt werden. Die nördlichste war offensichtlichen bewusst zur Anlage eines Weges errichtet worden. Dieser stieg von Ost nach West leicht an, dürfte etwa zwei Meter breit gewesen sein und bestand aus einer sorgfältig verlegten Rollierung aus faustgroßen Steinen“, berichtet Müller. Bei den Grabungen wurden zudem zahlreiche Fragmente verzierter eisenzeitlicher Keramik, ein Webgewicht, Tierknochen sowie eine eiserne Lanzenspitze gefunden. Nach genauer Dokumentation und Aufnahme der freigelegten Befunde kann in Kürze der Hausbau starten.
Eisenzeitliche Lanzenspitzen, die bei den Grabungen gefunden wurden. Foto: Florian Müller
Jeder Stein wurde bei den Grabungen freigelegt und dokumentiert. Foto: Florian Müller