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Im alpinen Gelände lauern viele Gefahren

Alpinunfallstatistik 2020: Positive Entwicklung bei den tödlichen Alpinunfällen, dennoch 34 Tote in Tirol

Die Alpinunfallstatistik des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit stellt für den Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September 2020 eine Zunahme an Alpinunfällen von mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre fest. In diesem Zeitraum ereigneten sich insgesamt 3.204 Unfälle, die von der Alpinpolizei aufgenommen wurden. 34 Alpintote im genannten Erfassungszeitraum registriert Tirol als drittgrößtes Bundesland Österreichs. Trotz der Unfallzunahme um 40 Prozent gibt es 30 weniger Tote durch Alpinunfälle als im Vorjahr 2019.
2. November 2020 | von Beatrice Hackl
Im alpinen Gelände lauern viele Gefahren<br />
Insgesamt verunfallten im vergangenen Sommer mehr Männer (60 Prozent) als Frauen (40 Prozent) in den Bergen. Fotos: Bergrettung und ÖKAS
Von Beatrice Hackl

Zu den Ursachen für Alpinunfälle in vergangenem Sommer äußert sich Major Viktor Horvath, Leiter der Alpinpolizei Tirol: „Das Wetter spielte im alpinen Unfallgeschehen eine wichtige Rolle: vormittags Schönwetterperioden, nachmittags Wechsel auf Schlechtwetter mit sehr durchwachsenen Verhältnissen. Dieser Faktor wurde im Zusammenhang mit alpinen Unternehmungen in den Tiroler Bergen häufig unterschätzt.“ Hinzu kommt, dass vermehrt Personen, die nicht ausreichend informiert sind und ihre Leistung sowie die äußeren Gegebenheiten falsch einschätzen, diesen Sommer Bergtouren unternahmen. Das bestätigt auch Bruno Berloffa, Landesleiter Stellvertreter ÖBRD Land Tirol: „Auffällig bei vielen unserer Einsätze ist, dass immer mehr Menschen in die Berge gehen, die absolute Anfänger sind und dort an ihre Grenzen stoßen. Dabei fällt uns auf, dass mangelnde Tourenplanung, Selbsteinschätzung und der Irrglaube, dass immer und überall eine Rettung möglich ist, die großen Herausforderungen sind.“

Unfallrate bei Einheimischen am höchsten. 51 Prozent der im Sommer 2020 verunfallten Bergsteiger waren österreichische Staatsbürger. Mit Blick auf die Durchschnittswerte der vergangenen zehn Jahre verzeichnet das Kuratorium für Alpine Sicherheit eine Zunahme von fünf Prozent  bei den Einheimischen. Auf die Österreicher folgen mit 37 Prozent die deutschen Nachbarn, die es ab Juni 2020, nach Aufhebung der Reisebeschränkungen, in die österreichischen Berge zog. Bei den tödlich verunfallten Personen entfallen 55 Prozent auf Österreich und ca. ein Drittel auf Deutschland.  „Es ist der Inländer und nicht der Ausländer, der die steigenden Unfallzahlen des Sommers 2020 verursacht,“ sagt Peter Paal, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit. Der Nachfolger von Karl Gabl setzt auf Prävention durch Ausbildung und Aufklärung: „Die Prävention muss in Österreich beginnen und dies bereits in jungen Jahren.“

Selbsteinschätzung und Können. Nach Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen seien die Einsatzzahlen „in die Höhe geschnellt“, so Berloffa. In den Monaten Juli und August hatte die Bergrettung in Tirol höhere Einsatzzahlen als im Vergleichszeitraum 2019. Insgesamt übertraf die Bergrettung Tirol am Ende des Sommers 2020 die Einsatzzahlen vom Vorjahr. Horvath und Berloffa sind sich einig, dass eine umfangreiche Tourenplanung die Alpinunfälle in Zukunft positiv beeinflussen könnte. Eine realistische Selbsteinschätzung, das notwendige Können, das Einholen und Bewerten aktueller Informationen zu Wetter und Verhältnissen, sind die Grundvoraussetzung eine Bergtour zu starten.

Präventionsmöglichkeiten. Gute Präventionsmöglichkeiten biete laut Peter Paal der Schul-Bergsport, Jugend-Camps, die Mitgliedschaft in alpinen Vereinen sowie deren Aus- und Fortbildungsprogramme. Paal weist ebenfalls darauf hin, dass professionell geführte Touren durch Bergsportführer (Bergführer, Bergwanderführer, Sportkletterlehrer etc.) eine sichere Option darstellen, sich dem Bergsport zu nähern. Die Zahlen belegen, dass es vielerorts an Knowhow und Können mangelt. Die 1.213 unverletzt geborgenen Personen befanden sich meist in Situationen, in denen sie blockiert waren. Wenn die physische oder psychische Leistungsgrenze erreicht wird, weil die Bergtour mehr abverlangt als erwartet, wird ein alpiner Notruf abgesetzt. Im Sommer 2020 liegt der Anteil der unverletzt geborgenen Bergsteiger bei 32 Prozent. Eine Ausnahme ist der Monat Juni. Hier liegt der Anteil mit 35 Prozent ein wenig höher.

Die Hälfte der Verunfallten waren Wanderer. Sturz, Stolpern und Ausgleiten sind mit 75 Prozent die Hauptunfall-ursachen beim Bergwandern. Bei den tödlichen Unfällen dominiert weiterhin das Herz-Kreislaufversagen mit 34 Prozent als Ursache; 26 Prozent der Personen stürzten ab, 22 Prozent stolperten, stürzten oder glitten aus. Bei den unverletzt geborgenen Personen stellten Verirren und Versteigen mit 39 Prozent sowie Erschöpfung mit 16 Prozent den Hauptgrund für das Absetzen eines Notrufs dar.

Mehr unverletzt Geborgene im Klettersteig. „Der Hauptgrund zur Absetzung eines Notrufs im Sommer 2020 bei den 107 Unverletzten auf Klettersteigen ist laut den Auswertungen mit 62 Prozent die Erschöpfung“, sagt Peter Paal. Das ist eine Zunahme um 10 Prozent im Vergleich mit dem Mittelwert der vergangenen zehn Jahre. Insgesamt kamen bei der Disziplin Klettern zehn Personen ums Leben, davon fünf beim Begehen eines Klettersteigs. In Summe sind in Österreich 412 Personen beim Klettern verunfallt, davon 187 Personen auf Klettersteigen.

Mountainbiken führt zu mehr Unfällen und Toten. Die Alpinunfallstatistik verzeichnet eine Zunahme der beim Mountainbiken verunfallten Personen über die vergangenen zehn Jahre hinweg. Im Sommer 2020 verunfallten 837 Personen mit dem Bergrad. Zehn Mountainbiker verunglückten tödlich. Die steigenden Unfallzahlen dürften bei dieser boomenden Outdoor-Sportart vermutlich die direkte Folge von mehr Mountainbikern sein, die in Österreichs Bergen unterwegs sind.
Im alpinen Gelände lauern viele Gefahren<br />
51 Prozent der im Sommer 2020 verunfallten Bergsteiger waren österreichische Staatsbürger.
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Major Viktor Horvath, Leiter der Alpinpolizei Tirol.
Im alpinen Gelände lauern viele Gefahren<br />
Bruno Berloffa, Landesleiter Stellvertreter ÖBRD Land Tirol.

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