Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

In Birgitz auf den Spuren der Eisenzeit

Neue archäologische Untersuchungen auf der „Hohen Birga“ - Etliche Funde in 2.000 Jahre alten Gebäuderesten

Auf der geschichtsträchtigen „Hohen Birga“ bei Birgitz finden seit längerem archäologische Grabungen statt. - Die RUNDSCHAU berichtete bereits. Archäologen der Uni Innsbruck konnten in den vergangenen Wochen ein angeblich bereits 1949 freigelegtes, mehr als 2.000 Jahre altes Gebäude aus der Eisenzeit, weiter untersuchen und überraschende Erkenntnisse gewinnen.
14. September 2020 | von Gebi G. Schnöll
In Birgitz auf den Spuren der Eisenzeit
Das eisenzeitliche Gebäude wird in Kleinarbeit freigelegt. Sämtliche Details der Grabungen und die Funde wurden dokumentiert. Fotos: Florian Müller, Innsbruck
Von Gebi G. Schnöll

Bei der „Hohen Birga“ handelt es sich um einen kleinen bewaldeten Hügel nördlich von Birgitz, auf dem bereits 1937 die Überrese einer über 2.000 Jahre alten rätischen Siedlung aus der Eisenzeit entdeckt worden waren. Die Räter bewohnten seit dem Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. den Alpenraum vom Unterengadin im Westen bis in das Virgental im Osten und im Süden bis an den Gardasee. Aufgrund des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen mussten die Arbeiten auf der „Hohen Birga“ unterbrochen werden und wurden erst 1949 durch den Prähistoriker Osmund Menghin (1920–1989) wieder aufgenommen. Er legte in den folgenden Jahren zwar ein halbes Dutzend Gebäude aus der jüngeren Eisenzeit frei, bedauerlicherweise blieben die Untersuchungen dazu bis auf kurze Vorberichte jedoch unpubliziert und die alte Grabungsdokumentation dazu verschollen.  Nach über einem halben Jahrhundert wurden durch das Institut für Archäologie der Universität Innsbruck unter Leitung von assoz.-Prof. Mag. Dr. Florian Müller wieder archäologische Forschungen auf der „Hohen Birga“ begonnen. „Nachdem auch Teile der alten Grabungsdokumentation, wie hunderte Fotos, Negative und Glasplatten aufgespürt werden konnten, konzentrierten sich die Arbeiten auch auf die Bereiche der alten Menghin-Grabungen. Seit zwei Jahren wurde daher im Nordostbereich des Hügels gearbeitet, wo Osmund Menghin 1949 nach eigenen Angaben ein in den Hang eingetieftes eisenzeitliches Gebäude entdeckt hatte“, schildert Müller.

Eisenzeitliches Gebäude vollständig freigelegt. „Die Untersuchungen des heurigen Sommers zeigten jedoch, dass ein Großteil des Hauses von Menghin nie ausgegraben worden war, sondern seit mehr als zwei Jahrtausenden unberührt unter der Erde lag“ weiß Florian Müller und er führt weiters an: „So war offensichtlich bislang keine einzige Mauer freigelegt worden, auf denen sich daher noch in Originallage die verkohlten Balken der ursprünglichen Holzwände fanden. Alles spricht daher dafür, dass das Gebäude im Zuge eines Brandes, möglicherweise im Zuge der römischen Eroberung des Alpenraumes, zerstört worden war!“ Betreten werden konnte das Gebäude durch einen in einen Vorraum mündenden Korridor, der aus massiven behauenen Steinen in Trockenbauweise errichtet worden war. Im Inneren des Gebäudes hatten sich der gestampfte Lehmfußboden, eine Herdstelle und mehre Unterlagssteine für die senkrechten hölzernen Mittelfposten erhalten. Auch sonst zeigte sich, dass bei den Altgrabungen vielfach sehr phantasievoll interpretiert wurde. „Ein angeblich 1949 entdeckter Lehmofen, der damals in der Presse als 'erster Stubenofen des Alpenraumes' bezeichnet wurde, stellte sich als eingestürzte ursprünglich mit Lehm verstrichene verkohlte Holzwand heraus“, klärt Archäologe Müller auf.

Viele Kleinfunde. Bei den heuer unter strengen COVID19-Sicherheitsmaßnahmen durchgeführten Arbeiten auf der „Hohen Birga“, an denen auch fast 20 Studierende im Rahmen ihrer Ausbildung archäologische Grabungspraxis sammelten, konnten auch wieder zahlreiche Kleinfunde, unter anderem Fragmente verzierter eisenzeitlicher Keramik, eine bronzene Gewandnadel und ein vollständig  erhaltener Glasring gefunden werden.  „Die heurigen Arbeiten haben gezeigt, dass die wenigen überlieferten Angaben der Altgrabungen zur Bebauung und dem Aussehen einzelner Gebäude zum Teil deutlich relativiert werden müssen“, merkt Grabungsleiter Müller an. „Nachdem offensichtlich keineswegs sicher ist, was bei den Altgrabungen wirklich freigelegt worden ist, hoffen wir im kommenden Jahr auch bei einem weiteren Gebäude zahlreiche neue Erkenntnisse gewinnen zu können“, so Florian Müller.

Konservierung und Rekonstruktion als archäologischer Park. Neben den neuen wissenschaftlichen Untersuchungen auf der „Hohen Birga“ wurde in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit dem lokalen Verein „Archäotop Hohe Birga“  und der Gemeinde Birgitz auch an der Erschließung des Hügels als archäologischem Park gearbeitet. Auf Basis der Grabungsbefunde konnten bereits früher entdeckte Gebäude teilweise rekonstruiert werden. „Um an der Vergangenheit interessierten Besuchern ein noch besseres Bild vom Leben der Menschen auf der Hohen Birga zu geben, wird derzeit auch an der Entwicklung eines Audioguides gearbeitet“ schließt Müller ab.
In Birgitz auf den Spuren der Eisenzeit
Die Mauern des mehr als 2.000 Jahre alten Gebäudes müssen möglichst schonend in Handarbeit freigelegt werden.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben