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Schuchter ist neuer Fachkräftekoordinator

Mit einem Team setzt er unterschiedliche Maßnahmen, um die Aufwertung der Lehre fortzusetzen und zu intensivieren

Im langjährigen Durchschnitt entscheidet sich fast die Hälfte der Pflichtschulabgänger in Tirol für eine Lehre. Rund 10.700 Jugendliche sind derzeit in der Lehre, wobei über 200 Lehrberufe zur Auswahl stehen. 3.230 Tiroler Unternehmen bilden derzeit Lehrlinge aus. Der größte Anteil mit 5.500 Lehrlingen liegt hier im Gewerbe und Handwerk, gefolgt vom Handel mit 1.550 Lehrlingen sowie der Industrie mit 1.300 Lehrlingen und dem Tourismus, mit der coronabedingt leicht gesunkenen Zahl von 980 Lehrlingen. Der Telfer GR Klaus Schuchter ist der neuer Fachkräftekoordinator des Landes Tirol und sprach mit der RUNDSCHAU-Redakteurin Beatrice Hackl über seine neue Position, den vorherrschenden Fachkräftemangel und darüber, wie er und sein Team dem entgegenwirken wollen.
6. Dezember 2021 | von Beatrice Hackl
Schuchter ist neuer Fachkräftekoordinator
Der Telfer GR Klaus Schuchter wurde zum Fachkräftekoordinator bestellt. Im Bild mit Bildungslandesrätin Beate Palfrader. Foto: Land Tirol/Pölzl
Von Beatrice Hackl

RUNDSCHAU: Sie sind der neue Fachkräftekoordinator des Landes. Ihre berufliche Laufbahn begann mit einer Kochlehre. Können sie uns auf eine Berufsreise quer durch Ihr Leben mitnehmen?
Fachkräftekoordinator Klaus Schuchter: Als Jugendlicher habe ich mich in en 80er Jahren für eine Kochlehre entschieden. Nach deren Abschluss habe ich erneut die Schulbank gedrückt und zwar in einer Hotelfachschule, mit dem Ziel zu maturieren. Beruflich war ich sowohl im Ausland, auf Schiffen als auch in Tirol tätig. Ich habe alles von der Pieke auf gelernt. Ein Weg, den ich nie bereut habe, und auch wenn ich heute nicht mehr als Koch arbeite, so bin ich der Branche als Lehrer jahrelang treu geblieben. In den letzten 21 Jahren war ich als Berufsschullehrer tätig und seit Oktober arbeite ich für die Bildungsdirektion. Seither unterstehen mir alle Tiroler Berufsschulen. Fachkräftekoordinator ist eine „Ehrenjob“, den ich im Grunde in meiner Freizeit ausübe.

RS: Das Image der Lehre aufzupolieren ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Es gilt Prioritäten zu setzen – wo liegen Ihre und was packen Sie als erstes an?
Schuchter:
Aktuell sind wir unter anderem stark darum bemüht, den Ist-Zustand genau zu ermitteln. Der Fachkräftemangel ist derzeit wirklich enorm. Allein im Tourismus gibt es gerade 880 Stellen für Lehrlinge, die es zusätzlich zu den „normalen“ Stellen zu besetzen gilt. Natürlich macht sich hier auch die Pandemie bemerkbar, obwohl das volle Ausmaß voraussichtlich erst in rund 1,5 Jahren zum Tragen kommt. Kontraproduktiv war unter anderem auch, dass Informationstage bzw. Messen ausgefallen sind und die Schüler kaum die Möglichkeit hatten, in unterschiedliche Berufe hineinzuschnuppern. Selbst die Aufstiegsklausel arbeitet gegen die Lehre, denn so können auch Schüler mit einer negativen Beurteilung versetzt werden. Betroffene Jugendliche suchen sich nur selten eine Lehrstelle, sondern bleiben aufgrund dieser Option meist in der Schule, und generell kämpfen weiterführende Schulen vehement  um Nachwuchs. Sie greifen sozusagen Schüler ab. Wenn es so weitergeht, wird der Fachkräftemangel in ein bis zwei Jahren dramatische Auswirkungen nach sich ziehen. Wir müssen rasch Dinge auf den Weg bringen.

RS: Ein wirkungsvoller Social-Media-Auftritt ist eine der Kernaufgaben des Fachkräftekoordinators. Wie sieht ihre Strategie diesbezüglich aus?
Schuchter:
Ich bin davon überzeugt, dass die Berufsorientierung in Schulen künftig anders werden muss. Wir müssen die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abholen – also via „TikTok“ und „Instagram“. In diesen Punkten werde ich von einem jungen Team unterstützt, das sich verstärkt auf die Sozialen Medien konzentriert, zumal es auch „WhatsApp“-Nachrichten möglichst zeitnah zu beantworten gilt.

RS: Der „Tag der Lehre“ hat sich als eine der größten Veranstaltungen seiner Art etabliert. Wie stehen Sie dem Konzept gegenüber?
Schuchter:
Der „Tag der Lehre“ findet für gewöhnlich im Jänner statt. Dieser soll nun nach Möglichkeit in den Herbst verlegt werden, da sich gezeigt hat, dass die Berufsfindung eher da stattfindet. Das Format vom „Tag der Lehre“ ist richtig gut, aber auch hier werden wir für Optimierungen sorgen: Nicht alle Berufe lassen sich mit einem Messestand vermitteln. Wir sind hier gesprächstechnisch noch ganz am Anfang, würden aber gerne kurze Filme produzieren, um den Jugendlichen diverse Jobs auf diese Weise näherzubringen.

RS: Welche Auswirkungen hat ihrer Meinung nach das vorherrschende Image-Problem der Lehre?
Schuchter:
Jugendliche in Tirol haben eigentlich die Wahl zwischen 200 verschiedenen Lehrberufen. Die Bandbreite ist enorm, aber leider noch zu wenig bekannt, was sich mitunter noch immer auf das Image der Lehre zurückführen lässt. Mir ist nicht ganz klar, warum einige eine Lehre noch immer negativ beurteilen. Jeder von uns braucht Handwerker. Vielleicht steckt da oftmals noch der Wunsch dahinter „unsere Kinder sollen es einmal besser haben“ und „sauberer“ Geld verdienen. Dabei hat sich so vieles getan, und ein Handwerker verdient durchaus das, was jemand im Büro erhält. Diese Kluft von früher existiert heute nicht mehr. Die Bewegung muss aber in beide Richtungen möglich sein. Wenn sich ein Maturant im Nachhinein für eine Lehre entscheidet, sollte Lehrzeitverkürzung einen schnellen Einstieg ermöglichen. Es gilt auch Leute aufzufangen, die eine Lehre abbrechen oder jenen mit einem Handicap eine verlängerte Lehre anzubieten.

RS: Was ist bei der Berufswahl wichtig, und inwiefern hat sich die Berufswelt verändert?
Schuchter:
Aber selbstverständlich haben alle Ausbildungen ihre Berechtigung. Unsere Gesellschaft braucht sowohl Fachkräfte als auch Akademiker. Ich bin sowieso der Meinung, dass es wichtig ist, sich an den Interessen der Kinder zu orientieren. Es geht darum, welcher Job sie künftig glücklich und zufrieden macht. Wobei sich der Arbeitsmarkt defensiv verändert hat und weiter verändern wird. Das Modell von früher, indem jemand in einem Betrieb seine Lehre absolviert und dort bleibt bis er in Pension geht, ist mit Sicherheit ein Auslaufmodell. Heute weisst jeder Lebenslauf mehr Bewegung auf, und in diesem Sinne ist eine Lehre eine wunderbare Grundlage, eine ideale Basis, auf die man aufbauen kann, sich weiterbilden kann, wenn man möchte. Vergleicht man das Berufsleben eines Menschen mit einem Haus, dann ist die Lehre der Keller, das Fundament, und jeder kann dann für sich entscheiden, was er drauf errichten möchte – einen Bungalow, eine Villa mit Pool. Was ich darauf stelle, ist individuell, und Zufriedenheit ist das, was zählt.

RS: Was braucht es langfristig gesehen, um das Image der Lehre in den Köpfen der Eltern und der Jugendlichen verändern?
Schuchter: Das Image der Lehre zu verändern, kann nicht nur politisch vorangetrieben werden. Auch Betriebe sind hier stark gefordert. In manchen Branchen, wie beispielsweise in der Gastronomie, braucht es dringend flexiblere Arbeitszeitmodelle.

 

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