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Telferin wurde zum lebenden Rettungsanker

Julia Saurer hat ihre Stammzellen gespendet und sprach mit der RUNDSCHAU über ihre Erfahrung

Stammzellspender sind für manche Menschen im Kampf gegen Leukämie und andere Blutkrankheiten der letzte Rettungsanker. Wenn Chemotherapie und andere Bestrahlungen nicht anschlagen, beginnt die Suche nach einem passenden Spender. Julia Saurer aus Telfs hat sich als solcher typisieren lassen. Ein Jahr später erhält sie eine Nachricht und verändert durch die Spende ihrer Stammzellen das Leben eines gleichaltrigen jungen Mannes aus England.
29. März 2021 | von Beatrice Hackl
Telferin wurde zum lebenden Rettungsanker<br />
Die heute 20-jährige Julia Sauerer aus Telfs hat vor einem Jahr einem gleichaltrigen männlichen Engländer ihre Stammzellen gespendet und ihm dadurch die Chance auf ein neues Leben ermöglicht.
Von Beatrice Hackl

„Ich habe mich Ende 2018 in der eco telfs typisieren lassen. Das war damals ein Maturaprojekt in Zusammenarbeit mit dem Verein ‚Geben für Leben‘. Freunde haben mich damals darauf aufmerksam gemacht. Ich muss zugeben, dass ich vorher kaum etwas über Stammzellenspenden wusste und mich erst zu dem Zeitpunkt informiert habe. Es ist wirklich eine tolle Sache und für mich war sofort klar, dass ich das machen werde“, berichtet Julia Saurer und ergänzt: „Mein Vater geht z.B. regelmäßig Blut spenden und ich auch. Für uns ist das eine Selbstverständlichkeit. Es ist auch klar, dass man Plasma spenden kann, aber die Möglichkeit der Typisierung für eine Stammzellenspende war mir nicht geläufig. So geht es vermutlich vielen. Ich selbst hätte mich mit meiner Geschichte nie an die Öffentlichkeit gewendet, das hat meine Oma eingefädelt. Und jetzt muss ich sagen, sie hatte recht. Ich bin froh meine Erfahrungen teilen zu können und hoffe, dass sie andere inspiriert.“ Bei ihr sei es ehr Zufall gewesen, aber dennoch habe sich alles von Anfang bis Ende perfekt zusammengefügt.

Treffer nach einem Jahr. „Ein Jahr nach meiner Typisierung habe ich eine Mail erhalten. Darin stand, dass ich als Spenderin in Frage kommen würde. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet, zumal es meist rund zehn Jahre dauert bis es zu einem Treffer kommt. Nach einem kurzen Gespräch mit meiner Mutter habe ich den Verein angerufen. Ich wurde über den weiteren Ablauf aufgeklärt und alles kam ins Rollen“, berichtet Saurer, deren gesamte Familie und Freunde hinter ihr standen, und sie alle zeigten sich von der Hilfsbereitschaft der damals 19-jährigen Telferin beeindruckt. Vorab wurde erneut ein Blutest veranlasst und anschließend fuhr Saurer für weitere Tests in die Gautinger Klinik – in München. Dort wurden ihre Anamnese erhoben sowie Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen gemacht. Danach konnte der Spendentermin festgelegt werden „Vom Erstkontakt bis zur tatsächlichen Spende vergingen rund zwei Monate. Anfang März 2020 konnte ich meine Stammzellen in Gauting spenden.“

Die zwei Varianten der Stammzellenspende. Stammzellen können auf zweierlei Arten gespendet werden: Durch eine Knochenmarkspende. Dabei werden die Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen – nicht zu verwechseln mit dem Rückenmark. Aber in 80 Prozent der Fälle werden die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert, so auch bei Julia Saurer. Mehrere Tage vor der Stammzellenspende musste Saurer zweimal täglich ein Medikament spritzen. Dabei handelt es sich um einen Wachstumsstoff, mit dem ein grippeähnlicher Zustand simuliert wird, wodurch die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut, also den Blutzellen in den Blutgefäßen, erhöht wird. „Ich bin kein Freund von Nadeln. Sie machen mir irgendwie Angst, aber solang das Spritzen jemand anders für mich übernimmt, ist es okay. Ich bekam starke Gliederschmerzen in den Knien und im Rücken. Das kann passieren, muss es aber nicht. Wenn man weiß wofür man es tut, geht es – es ist ja für einen guten Zweck und hört sich vermutlich schlimmer an als es ist“, verdeutlicht Saurer.

Der Tag der Spende. „Meine Oma hat mich nach München zum Termin begleitet. Anreise und Hotel wurden vom Verein ‚Geben für Leben‘ übernommen. Leider durfte mich meine Oma aufgrund von Corona nicht bis in die Klinik begleiten – ich war etwas nervös. Aber das Personal hat sich hervorragend um mich gekümmert. Ich bekam etwas zu essen und zu trinken. Sogar einen Film konnte ich während der Spende, die rund vier Stunden dauerte, zur Ablenkung sehen“, erinnert sich die junge Spenderin. Während der Stammzellenentnahme selbst wird das Blut des Spenders von einem Arm zum anderen durch ein Gerät geleitet, in dem die Stammzellen durch eine Zentrifuge abgetrennt werden.
„Nach der Spende war mir weder schwindlig, noch war ich sonderlich müde. Es ist alles ohne Probleme verlaufen. Einzig das lange Liegen war aufgrund meiner Gliederschmerzen unangenehm, und ich hatte auch noch einige Zeit nach der Spende damit zu kämpfen. Aber ich wusste ja wofür ich das mache – für das Leben eines anderen Menschen, und deshalb würde ich es jederzeit wieder tun“, ist Saurer überzeugt. Sie war nun ein Jahr für weitere Spenden gesperrt – sollte ihr Spendenempfänger noch einmal ihre Hilfe benötigen. „Ich weiß zwar nicht wie es dem Spendenempfänger geht, weil England sehr strenge Datenschutzauflagen hat. Da man aber nicht mit der Bitte für eine zweite Spende für ihn an mich herangetreten ist, nehme ich an und hoffe, dass es ihm gut geht.

Gut strukturiertes Gesamtpaket. „An dieser Stelle, möchte ich noch ein Lob für die hervorragende Organisation und den tollen Service durch den Verein und das Krankenhaus aussprechen. Sie kümmern sich wirklich sehr um einen. Nicht nur vorab wurde alles perfekt organisiert, nein – auch nach der Spende wurde für entsprechende Nachuntersuchungen gesorgt“, berichtet Saurer von ihren Erfahrungen, die sehr positiv waren, und fügt hinzu: „Nach meiner Spende habe ich sogar unerwartet ein Paket bekommen. Darin war ein 70 Euro Gutschein für ein Abendessen und eine gerahmte Spender-Urkunde. Ich war sehr überrascht und habe mich natürlich über diese nette, würdigende Geste gefreut, auch wenn das nicht im Entferntesten notwendig gewesen wäre.“

Was ein Einzelner bewirken kann. Aufgrund von Julia Saurers Geschichte haben sich einige ihrer früheren Schulkameraden auch typisieren lassen. „Die Bekannte einer Freundin wurde auch als Spenderin eruiert. Sie war unsicher und hatte Angst. Ich hätte damals auch gerne mit jemandem geredet, der das Prozedere schon hinter sich hat. Unsere gemeinsame Freundin hat den Kontakt zwischen uns hergestellt, und so konnte ich ihr von meiner Erfahrung berichten. Es ist mir tatsächlich gelungen ihre Bedenken und Ängste zu zerstreuen, und auch sie hat mittlerweile gespendet“, freut sich Saurer. Wer ebenfalls in die Spendendatei des Vereins „Geben für Leben“ aufgenommen werden möchte, kann sich unter www.gebenfuerleben.at als Stammzellenspender vormerken lassen und ein Typisierungsset bestellen.


 
Telferin wurde zum lebenden Rettungsanker<br />
Während der Stammzellenentnahme selbst wird das Blut des Spenders von einem Arm zum anderen durch ein Gerät geleitet, in dem die Stammzellen durch eine Zentrifuge abgetrennt werden. Fotos: privat

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