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Wenn einem Gasteltern ihren Hof anbieten

Die Wildermiemingerin Pia Zimmermann absolvierte ein landwirtschaftliches Auslandspraktikum in Irland

Pia Zimmermann verbrachte mit 17 Jahren einen Sommer in Irland – auf Valentia Island. Von Juni bis September lebte die junge Wildermiemingerin 14 Wochen als Praktikantin auf dem Milchviehbetrieb ihrer Gasteltern. Nach einem kurzen Anflug von Heimweh ist es ihr gelungen, sich auf Land, Tier und Leute einzulassen. „Ich hatte keine bestimmten Erwartungen an das Praktikum. Ich habe es einfach als Abenteuer gesehen und ließ alles auf mich zukommen. Mir hat es auf der grünen Insel wirklich gefallen, und ich habe mich sehr wohl gefühlt. Jedem, der gerne neue Menschen, Kulturen und Länder kennenlernen möchte, kann ich so ein Praktikum nur wärmstens empfehlen“, zeigt sich Pia Zimmermann sichtlich begeistert. Mit der RUNDSCHAU-Redakteurin Beatrice Hackl sprach sie über jene Zeit, die ihr Leben nachhaltig beeinflusst hat.
12. April 2021 | von Beatrice Hackl
Wenn einem Gasteltern ihren Hof anbieten<br />
14 Wochen lebte die Wildermiemingerin Pia Zimmermann in Irland, auf Valentia Island im Südwesten des County Kerry. Eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte und sie laut eigenen Angaben schneller erwachsen werden ließ. Fotos: privat
Von Beatrice Hackl

RUNDSCHAU: Wann und wie wurde die Idee für ein landwirtschaftliches Praktikum geboren?
Pia Zimmermann:
Als ich auf der Suche nach einer weiterführenden Schule war, habe ich in der HBLA Kematen den Tag der offenen Tür besucht und dort wurde die Möglichkeit eines Auslandspraktikums vorgestellt. Diese Idee hat mir so gefallen, dass ich mich direkt für diese Schule angemeldet habe. Es war eigentlich schon immer mein Traum nach Australien zu reisen und meine Familie in Adelaide zu besuchen. Da ein Praktikum in Australien aber nicht von der Landjugend unterstützt worden wäre, habe ich mich für Irland entschieden. Mir gefällt die vielseitige Landschaft der Insel und ich wollte die irische Kultur kennenlernen. 

RS: Wie sind Sie an Ihren Praktikumsplatz gekommen?
Zimmermann:
Unsere Schule arbeitet mit der Landjugend Österreich
zusammen, die uns das Projekt „Erasmus+“ vorstellte und uns die vielseitigen Möglichkeiten eines Auslandspraktikums näherbrachte. Das Ganze lief relativ unkompliziert ab. Auf einer Praktikanten-Datenbank musste ich meinen Lebenslauf, den gewünschten Betriebszweig, die Aufenthaltsdauer, ein Motivationsschreiben sowie Referenzschreiben und dergleichen einpflegen. Sobald die Bewerbungsunterlagen vollständig waren, wurden diese von der Landjugend an eine Partnerorganisation namens „Equipeople“ in Irland weitergeleitet und diese suchten nach einem auf mich abgestimmten Betrieb.

RS: Wie gestaltete sich ihr Arbeitsalltag, und wie war das Verhältnis zur Gastfamilie?
Zimmermann:
Mein Arbeitstag begann damit, dass ich die Kühe am Morgen mit dem Quad von der Weide holte und sie melkte. Danach gab es Frühstück und je nach Wetterlage verrichtete ich unterschiedliche Arbeiten. Der Tag endete wie er Anfang: Die Kühe wurden wieder von der Weide geholt und gemolken. Das Verhältnis zur Gastfamilie würde ich als sehr familiär beschreiben. Meine Gasteltern Anne und David sind schon etwas älter, ihre fünf Kinder leben in anderen Städten und haben kein Interesse am Hof. Ich selbst wurde schnell wie ein Familienmitglied behandelt. Zwischenmenschlich hat es einfach gepasst und darüber hinaus waren sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Zu meiner großen Überraschung haben sie mir schlussendlich sogar angeboten, ihren Bauernhof irgendwann zu übernehmen und weiterzuführen. Sie hatten bereits mehrere Praktikanten am Hof, aber noch keiner habe sich so gut um alles gekümmert wie ich. Ein riesiges Kompliment und eine wunderbare Bestätigung für mich. Ich war sprachlos. Eigentlich würde ich gerne den elterlichen Betrieb in Wildermieming übernehmen, aber irgendwie könnte ich mir das in Irland auch vorstellen, jedoch nicht allein. Nur mit einem Lebenspartner oder einer guten Freundin. 

RS: Konnten Sie in die Lebenswelt der Einheimischen eintauchen? 
Zimmermann:
Definitiv. Wenn man für einige Zeit in einem Land lebt, lernt man die Leute, die Kultur und Lebensweise von einer ganz anderen Seite kennen. Das lässt sich mit den Erfahrungen eines Touristen nicht vergleichen. Durch und mit meiner Gastfamilie durfte ich Orte und Plätze in Irland sehen und erleben, zu denen man als Tourist gar keinen Zutritt hat. 

RS: Was würden Sie als die größten Unterschiede zwischen Ihrem Gastland und ihrem Zuhause definieren?
Zimmermann:
Die größten Unterschiede zeigten sich beim Essen und der Mentalität. In Irland sind die Menschen viel direkter und zugänglicher. Wenn jemanden etwas störte, egal ob es die Arbeit oder das Verhalten betraf, wurde das direkt angesprochen. Auch hinsichtlich der Essenskultur erlebte ich Unterschiede. Es kam durchaus auch vor, dass es zum Frühstück ein 300g T-Bone-Steak und einen Apple Cider gab. Auch an die gesalzene Butter auf meinem Marmeladenbrot musste ich mich erst gewöhnen. 

RS: Wenn Sie sich an diese Zeit zurückerinnern, was kommt Ihnen als erstes in den Sinn?
Zimmermann:
Ich denke immer gerne an meine Zeit in Irland zurück, da ich viele neue und nette Menschen kennenlernen durfte, die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin. Ich konnte hautnah erleben, wie es ist, eine Bäuerin in Irland zu sein und einen Milchviehbetrieb mit 70 Milchkühen selbst zu bewirtschaften. Mein Gastvater nutzte die Zeit, in der ich am Hof war, um Urlaub in den verschiedensten Ländern der Welt zu machen. Schon ein bis zwei Wochen nach meiner Anreise verabschiedete er sich von mir und flog mit seiner Enkelin für ein paar Wochen nach Aserbaidschan. Diese Zeit prägte mich sehr und ich musste lernen, selbstständig zu werden und „die Schaufel selbst in die Hand nehmen“ – wie man so schön sagt. 

RS: Welche Erkenntnis konnten Sie in puncto Landwirtschaft aus dieser Zeit mitnehmen?
Zimmermann:
Ich denke, alle österreichischen Bauern könnten sich noch etwas von dem System der irischen Landwirtschaft abschauen. Unser Bauernhof in Irland beispielsweise hatte etwa 100 Hektar Grünland rund um den Hof und die Kühe sind somit von März bis Oktober/November 24 Stunden am Tag auf der Weide. Sie werden nur zum Melken mit einem Quad von der Weide geholt und in den Stall gebracht. Mich fasziniert dieses System, da ich sowas noch nie gesehen habe und es die Arbeit um einiges erleichtern würde. Ich habe gesehen, wie „leicht“ man Landwirtschaft betreiben kann und denke, dieses System könnte das „Bauernster-ben“ bei uns etwas eindämmen und die Landwirtschaft wieder rentabel und interessant machen. Aber leider ist unsere Landwirtschaft anders strukturiert und kaum jemand hat all seine Grünflächen direkt rund um den Hof. Dennoch, das Konzept ist interessant und vielversprechend.

RS: Inwiefern hat Sie der Auslands-aufenthalt als Mensch verändert?
Zimmermann:
Persönlich definitiv, ja. Ich bin nun viel selbstständiger und lernte, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich habe gelernt was es heißt, auf sich alleine gestellt zu sein. Auch meine Familie bestätigt, dass ich jetzt viel aufgeschlossener und selbstständiger bin. Ich gehe nun viel eher auf Menschen zu. 

RS: Was würden Sie jemandem, der sich für ein Auslandspraktikum interessiert, mit auf jeden Weg geben?
Zimmermann:
Ich muss zugeben, dass es am Anfang – bis man sich eingelebt hat – sehr schwer sein kann. Ich habe mich einsam gefühlt und wollte einfach nachhause. Aber sobald ich diese Anfangsschwierigkeiten überstanden hatte, begann die beste Zeit meines Lebens. Ich würde mich jederzeit wieder für ein Auslandspraktikum entscheiden. Ein derartiges Praktikum kann ich jedem nur wärmstens empfehlen, der gerne neue Menschen, Kulturen und Länder kennenlernen möchte. Es war eine Erfahrung, die mein Leben nachhaltig auf wunderbare Art und Weise geprägt hat.

RS: Vielen Dankf für das Gespräch!
Wenn einem Gasteltern ihren Hof anbieten<br />
Pia Zimmermann genoss das volle Vertrauen ihrer Gasteltern David und Anne. Die beiden Senioren waren von ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement derart angetan, dass sie ihr sogar ihren Hof vermachen würden.
Wenn einem Gasteltern ihren Hof anbieten<br />
Die Gastfamilie übertrug der jungen Landwirtin die Verantwortung für ihre 70 Holsteinkühe. Land und Leute waren für die Wildermiemingerin neu, aber die Kuhrasse war ihr vertraut, denn auch am elterlichen Hof wird Milchwirtschaft mit Holsteinern betrieben.
Wenn einem Gasteltern ihren Hof anbieten<br />
Zweimal täglich fuhr Zimmermann mit dem Quad auf die weitläufige Weide, um die Kühe kurzzeitig zum Melken in den Stall zu bringen.

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