Von Gebi G. Schnöll
Eine pfeilgerade Straße, die geradezu zum Rasen einlädt, brettelebene, ausgedehnte Anbauflächen und im Hintergrund die Autobahn. Ein Foto vom „Flyover Country“ der USA? Nein, gemeint ist die Strecke zwischen Kematen und Völs. In diesem Ambiente vermitteln die Ufer des Gießen samt ebenem Familienspazierweg so etwas wie einen Hauch längst vergangener Auenlandschaft. Wenn der Bach Wasser führt, was ja normalerweise der Fall ist, geht es nicht nur den Forellen gut, sondern auch geschützten Fischarten wie der in diesem Gewässer festgestellten Bachschmerle. Nun aber alarmierten zweimal seit Herbst Spaziergänger Luis Töchterle von der Fischereigesellschaft Innsbruck.
Naturschutzgesetz ignoriert und Tierquälerei? Die RUNDSCHAU bat Luis Töchterle von der Fischereigesellschaft Innsbruck zum Gespräch und Lokalaugenschein. Der Vertreter der Fischereigemeinschaft meint: „Dass der Bach auf natürliche Weise binnen weniger Monate bereits zum zweiten Mal ausgetrocknet ist, schließe ich aus. Erst auf dem Gemeindegebiet von Völs ist die Situation nach der Mündung des so genannten Michelfeld-Kanals entspannt. Dabei handelt es sich um die Einleitung drenagierter Grundwässer. Die Temperatur von ‚Lohbächen‘ – teilweise oder gänzlich grundwasserbeschickte Bäche in flachem Gelände – sinkt selten unter vier Plusgrade Celsius ab und bietet schon deshalb einen unverzichtbaren Lebensraum für unterschiedliche Organismen.“ Auf dem hier angesprochenen Bachabschnitt handelt es sich nach Aussage von Luis Töchterle um ein Gemenge aus Grundwasser und der für den Erhalt des Ökosystems unverzichtbaren Speisung aus dem Kemater Mühlbach, dem Oberlauf des Gießen. Für die Fischereigesellschaft stelle sich laut Töchterle die Frage, ob Naturschutzbestimmungen ignoriert wurden und es sich darüber hinaus um Tierquälerei handle.
Bezirkshauptmannschaft leitet Verfahren ein, Landeskriminalamt ermittelt. Die RUNDSCHAU führte ein aufschlussreiches Telefongespräch mit Peter Raggl vom Umweltreferat der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Land. Peter Raggl: „Wir haben zu dieser Sache ein Verfahren eingeleitet, das natürlich immer noch läuft und vom Umweltreferat engagiert betrieben wird. Wir arbeiten mit dem Landeskriminalamt zusammen, bei den bezüglichen Einvernahmen ist aber auch Kooperationsbereitschaft mit allen Beteiligten unverzichtbar.“ Töchterle exklusiv gegenüber der RUNDSCHAU: „Es ist extrem frustrierend, immer wieder mit derartigen Taten konfrontiert zu werden. Wir hatten bereits am 10. November 2021 dasselbe Problem, und haben Strafanzeige mit Privatbeteiligung erstattet, da wir im Dezember 2020 Bachforellen im Wert von rund 1.000 Euro in diesen Streckenabschnitt besetzt haben. Wegen des Totalausfalls haben wir am 24. November 2021 dort wieder besetzt (17 kg Urforellen im Wert von 823 Euro), den Besatzaufwand nicht eingerechnet.“
Handlungsbedarf der Gemeinde Kematen? Die Fischereigesellschaft Innsbruck schließt einen Zusammenhang zwischen der Gemeinde Kematen und der Austrocknung des Gießen nicht aus. Töchterle meint unter anderem: „Damit ist klar, dass es sich nicht um natürliche Ereignisse handelt, das Wasser wird von jemandem ab- und wieder zugeleitet. Die betreffende Stelle liegt offenbar im Bereich der Ausleitung beim TIWAG-Kraftwerk oberhalb von Kematen.“ Dazu verweist die Gemeinde Kematen laut Medienbericht auf ein laufendes Verfahren und erklärt, dass der Mühlbach mittels Schieber beim E-Werk immer wieder zurückgedreht werden müsse, um etwa bei Aufeisungen Überflutungen zu verhindern. Aktuell ließ der Bürgermeister von Kematen Rudolf Häusler der RUNDSCHAU folgende Stellungnahme unter Beilage der „Räumung Gießenbach – Ökologische Begleitplanung – Unterlagen“ zukommen. Im Wortlaut: „Ich darf hier anmerken, dass mich die Vertreter der Fischereigesellschaft zu keinem Zeitpunkt persönlich kontaktiert haben. Im Falle eines persönlichen Gespräches wären alle Unwägbarkeiten sofort ausgeräumt worden und wir, die Gemeinde Kematen, hätten hier eine gütliche Einigung mit hoher Wahrscheinlichkeit erzielt. Uns aber so, ohne jedwede fachlich fundierte Begründung an den Pranger zu stellen, mit einhergehenden Verunglimpfungen, welche Tatbestände der Tierquälerei und des Umweltfrevels beinhalten, zielt von Seiten der Fischereigesellschaft nur auf eine monetäre Entschädigung ab und nicht auf eine dauerhafte, lösungsorientierte, nachhaltige Bewirtschaftung des Kemater Mühlbaches.“