Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Zapfenstreich für Zapfsäulen in Telfs-Sagl

Letzte Service-Tankstelle der Region wurde fast 57 Jahre von der Familie Neuner betrieben und schloss nun ihre Pforten

Bitte einmal volltanken und Öl kontrollieren. Fast 57 Jahre lang bot die Familie Neuner in Sagl hunderten Stammkunden – als einzige Tankstelle weit und breit – einen Rundumservice, und das an sieben Tagen die Woche. Jetzt hat sich Klaus mit 80 Jahren in die Pension verabschiedet und die beliebte BP-Tankstelle für immer geschlossen. Die RUNDSCHAU hat sich mit der Familie über das Ende einer Ära unterhalten.
24. Jänner 2022 | von Beatrice Hackl
Zapfenstreich für Zapfsäulen in Telfs-Sagl<br />
Die Familie Neuner – Herlinde, Klaus Junior und Klaus Senior – hat den Tankstellenbetrieb in Sagl nach rund 57 Jahren eingestellt. RS-Fotos: Hackl
Von Beatrice Hackl

Die BP Tankstelle von Klaus Neuner in Sagl mit ihrem Alleinstellungsmerkmal als servicierte Tankstelle wird vielen fehlen. Mit ihr wurden die Pforten einer geschätzten Institution geschlossen. „Wir haben durchaus Kunden, die seit jeher ausschließlich bei uns getankt haben und selbst gar nicht wissen, wie das geht. Sie bedauern, dass wir zugesperrt haben, denn jetzt müssen sie erst einmal selbst tanken lernen, oder ihre Kinder damit beauftragen“, berichtet der gebürtige Telfer Klaus Neuner, dessen Familie große Wertschätzung für ihre Tätigkeit entgegengebracht wurde. „Wir haben unseren Kunden nicht nur die Scheiben geputzt während wir für sie getankt haben, sondern auf Wunsch auch die Flüssigkeiten wie Öl kontrolliert. Es kam nicht selten vor, dass jemand an einer anderen Tankstelle Öl nachfüllen wollte, selbst nicht wusste, welches er braucht und ihm diese Frage auch keiner beantworten konnte. Die Menschen wurden immer wieder mit den Worten ‚Fahr doch einfach nach Sagl zum Klaus. Der kennt sich aus‘ zu uns geschickt“, erinnert sich der nun pensionierte Tankstellenbetreiber. Für den Ruhestand habe er keine konkreten Pläne, er lasse es auf sich zukommen.

Es ging nur gemeinsam. Die Tankstelle hat er einst von seinem Vater übernommen, der diese am 7. Juli 1965 eröffnete. Seit 25 Jahren führte er sie gemeinsam mit seinem Sohn Klaus Junior. Damals kam auch noch die Tabaktrafik dazu. Die Schließung kommt dem Ende einer Ära gleich. „Die letzten Begegnungen mit den Kunden waren sehr emotional und zwar auf beiden Seiten. Dadurch, dass wir an sieben Tagen die Woche geöffnet hatten, war es unserem Sohn nicht möglich, das allein zu stemmen und somit war es nun an der Zeit zuzusperren“, verdeutlicht Herlinde Neuner die wehmütige Stimmung. Sie hat Klaus 1969 während seines Wirtshausbesuchs in Pettnau bedient. Ein Kennenlernen, das in einer jahrzehntewährenden Ehe endete. Herlinde Neuner packte immer überall mit an und geht seit den 70er Jahren mit der Zimmervermietung und der Gästebetreuung einer Leidenschaft nach. 

Täglich 400 bis 500 Autos. In 57 Jahren war Neuner nie krank, ist stets um kurz nach fünf Uhr aufgestanden, um spätestens um 6.30 Uhr in seinen Arbeitstag zu starten und erst um 21.30 Uhr abzurechnen: „Ich habe immer gerne gearbeitet. Langweilig wurde es nie. Wir haben täglich zwischen 400 bis 500 Autos betankt. Früher war es natürlich ruhiger, aber in den letzten 20 bis 30 Jahren ist es stressiger geworden. Es kamen immer mehr Autos, und alles musste schnell gehen. Die Leute hatten es immer eilig. Egal, ob sie im Freizeitmodus oder auf dem Weg in oder von der Arbeit waren. Die Kunden kamen von Nah und Fern – Telfs, Seefeld, Leutasch, aber auch Menschen aus Deutschland und Südtirol haben regelmäßig bei uns getankt, sobald sie wieder hier auf Urlaub waren.“ Der Umsatz sei das ganze Jahr über relativ konstant geblieben. Sobald die Einheimischen auf Urlaub waren, wurde deren Fehlen durch Touristen wettgemacht. „Stress konnte Klaus nie etwas anhaben. Im Gegenteil, dann ist er erst richtig aufgeblüht und war die Ruhe in Person“, beschreibt Neuner ihren Mann.

Licht- und Schattenseiten. „Im Laufe der Jahre kam es innerhalb weniger Monate zu zwei Überfällen. Einmal wurde ich mit einem Messer bedroht, und beim anderen Mal erlitt unser Sohn eine Kopfverletzung“, erinnert sich Neuner an die zwei dunkelsten Tage seiner Tätigkeit: „Danach war es erst einmal recht schwer weiterzumachen. Man war einfach noch vorsichtiger, aber mit der Zeit gerieten die Ereignisse glücklicherweise wieder in den Hintergrund. Der Alltag und die Routine haben einen fest im Griff und während dessen vergisst man.“ Die schönen Zeiten überwiegen bei Neuner aber zweifelsfrei: „In den besseren Hotels der Umgebung gab es auch immer wieder Ferrari-, Beetle- oder Oldtimertreffen. Die Oldtimer waren mir die Liebsten. Wenn sie zu uns zum Tanken kamen, war der ganze Platz voll. Optisch ein tolles Bild – man hat da viele tolle Autos gesehen. Die Leute waren alle nett aber manchen war das Auto durchaus heilig, und diese durften von Fremden nicht angefasst werden. Sie bestanden darauf selbst zu tanken“, erinnert sich Neuner schmunzelnd, und die Familie ist sich einig: „Es war eine ebenso bewegte wie schöne Zeit und wir danken allen Kunden für die langjährige Treue.“
 
Zapfenstreich für Zapfsäulen in Telfs-Sagl<br />
Die Schließung der Tankstelle gleicht wohl dem Ende einer Ära. Telfs hat damit eine beliebte Institution verloren.

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