Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Graffiti als Volkskunst lesen

Von der Gemeinde Inzing in die weite Welt: Der internationale Urban Artist HNRX lebt für und wegen der Kunst

Ob eine von einem Knochen aufgespießte Banane, die durch einen Bilderrahmen fliegt, knallrote Lippen, eine Wurst oder farbintensive Murals auf Hausfassaden: Das ist die wiedererkennbare und unverwechselbare Bildsprache des Inzinger Graffiti-Künstlers Henryx, kurz HNRX. Überall in Tirol leuchten seine Werke auf Hauswänden und Unterführungen, unter anderem auch in den Gemeinden Telfs, Inzing oder Rietz. Trotz internationalem Erfolg blieb HNRX auf dem Boden und reist minimalistisch mit Rucksack.
27. Feber 2024 | von Nina Zacke
Graffiti als Volkskunst lesen
Beim Flanieren durch die Orte Telfs, Inzing oder Rietz begegnet man immer wieder den Graffiti-Werken von HNRX. RS-Foto: Zacke
Auf Hausfassaden, Unterführungen und Viaduktbögen in ganz Tirol prangen seine farbintensiven Malereien, die vom Kunstgenre zwischen Surrealismus und Comic angesiedelt sind. Eine aufgeschnittene Paprika mit Rippenbogen, eine von einer Wäscheklammer geöffnete Mandarinenschale, eine Banane, in der eine Wurst steckt. Jede signiert mit seinem Künstlernamen HNRX. HNRX steht für Henryx, dem wohl bekanntesten Tiroler Graffiti-Künstler. „Der Name ist durch Zufall enstanden, beim Kritzeln in meinen Schülbüchern, eine reine Fantasieschöpfung“, erzählt der Graffiti-Künstler, der ursprünglich aus der Gemeinde Inzing stammt und heute seinen Lebensmitelpunkt abwechselnd in Innsbruck und Hamburg hat. Auch in seiner Heimatgemeinde begegnet man vielen seiner Graffiti-Kreationen. Dass man sich im Bereich der Urban Art ein Kürzel aussucht, sei wichtig, um anonym zu bleiben, betont er. Denn gerade am Anfang bewegen sich Graffiti-Künstler meist in der illegalen Szene. Urban Art heiße für ihn, sich im öffentlichen Raum auszudrücken – frei von kommerziellen Gedanken. Dabei komme dieser Kunstform im allgemeinen Kunstverständnis ein spezieller Stellenwert zu, sagt der Künstler: „Graffiti ist wie eine Brücke von der musealen, etablierten Kunst zur Volkskunst.“

GRAFFITI ALS QUEREINSTEIGER-OPTION. Das Schöne dabei sei, dass jeder einsteigen kann, das sei ein Quereinsteiger-Weg. Für die Urban Art brauche es kein Studium und keine Galerie, schildert er. Diese Form der Kunst ermöglicht es jedem, für alle sichtbar im Außen zu gestalten. Als einfacher Mensch habe man mit wenig Werkzeug die Möglichkeit, etwas Großes zu schaffen, mit einer Spraydose oder einem Pinsel, das ist das Faszinierende daran, betont er. Und wenn man schlau sei, könne man sehr viel sagen. „Deswegen ist es erstaunlich, wie unterschiedlich diese Form ausgelebt wird. Ich bin immer noch ein absoluter Minimalist. Ich brauche nicht viel, habe immer noch einen kleinen Rucksack, mit dem ich unterwegs bin“, erzählt der minimalistische Künstler im Gespräch.

MIT EINEM RUCKSACK VON INZING IN DIE WEITE WELT. Der gebürtige Inzinger hat mit seiner Kunst längst international Fuß gefasst. Seine internationale Stellung verdankt der Graffiti-Künstler dabei in erster Linie seiner Ambition, sagt er: „Ich bin keiner, der einfach aufhört, es ist jeden Tag eine neue Entscheidung, und es braucht viel Einsatz.“ Dabei hat ihn die Kreativität schon immer begleitet. Seine ganze Freizeit und mitunter auch Schulzeit widmete der Tiroler dem Zeichnen. „So wurde aus mir ein Maler, Malen ist die Art der Kreativität, die ich auslebe“, sagt HNRX über sich selbst. Mit dreizehn Jahren war er viel im öffentlichen Raum unterwegs und ist auf die Urban Art gestoßen. „Als ich entdeckt habe, dass eine Malerei im Draußen existiert, war ich sofort verknallt“, bringt der Künstler die frühe Faszination für das Sprayen auf den Punkt.

GRAFFITI MIT NACHHALTIGKEITSGEDANKEN. Mittlerweile hat HNRX seine Sprühdosen gegen Farbeimer getauscht. Vor allem das Thema Nachhaltigkeit ist dem international anerkannten Künstler dabei ein Anliegen. Die Aerosol- und Feinstaubbelastung ist beim Sprayen enorm groß, der Inhalt der Dosen so gering, dass viel Müll entsteht. Deshalb arbeitet der Urban Artist seit seinen Mittzwanzigern mit gewöhnlichen Fassadenfarben. Europäische Malereibetriebe werfen literweise Restfarben weg, die er in seinen Werken in einen Upcyclingprozess zurückführt. So könne er kostengünstig produzieren, unabhängiger arbeiten und zudem Farben selber mischen, was bei der klassischen Spraydose nicht möglich sei, schildert HNRX.

JEDER MENSCH BRAUCHT KREATIVEN ZUGANG. Graffiti als künstlerischer Ausdruck sei gerade auch für junge Menschen in seinen Augen sehr wichtig, weil er glaubt, „sich selber auszudrücken eine gute Art und Weise ist, sich kennenzulernen, sich mit sich selbst zu beschäftigen und an sich zu forschen“. Es wäre schön, wenn jeder Mensch einen Zugang zur Kreativität habe, betont der Inzinger. Ob Häkeln, Tischlern, Töpfern oder Malen sei dabei zweitrangig, das kreative Gestalten sei für alle Menschen essentiell, hebt er hervor. Denn Kreativität ist der Schlüssel für uns alle.
Graffiti als Volkskunst lesen
Das Kürzel HNRX ist eine reine Fantasieschöpfung. Foto: privat
Graffiti als Volkskunst lesen
Der Inzinger Graffiti-Künstler bleibt nach wie vor anonym und verdeckt auf
Fotos sein Gesicht. Foto: Manuel Kokseder

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben