Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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The Very Very Last Supper

RUNDSCHAU-Gespräch mit Marc Hess

Ein wirklich allerletztes Mal wird kommende Woche Marc Hess mit seiner Company die konzertante Aufführung des Kultmusicals „Jesus Christ Superstar“ im Telfer Rathaussaal geben. Mit der RUNDSCHAU sprach er über dieses Werk, das ihn seit mehr als 20 Jahren begleitet.
19. April 2022 | von Lia Buchner
The Very Very Last Supper
Am Samstag geht die wirklich letzte Vorstellung des Kultmusicals „Jesus Christ Superstar“ im Telfer Rathaussaal über die Bühne. Produzent Marc Hess schwankt zwischen Erleichterung und Wehmut. RS-Archiv-Fotos: Rives
Von Lia Buchner

RUNDSCHAU: Herr Hess, „Jesus Christ Superstar“ ist eine Art Lebensthema für Sie. Was fasziniert Sie daran?
Marc Hess:
Vorweg: Ich bin ein gläubiger Mensch. Ich bin kein religiöser Mensch im katholischen Sinn, aber ich habe meine persönlichen Präferenzen im Glauben. Mit „Jesus Christ Superstar“ bin ich als 15 oder 16-Jähriger erstmals in Berührung gekommen. Also in einem Alter, in dem man über das Leben nachzudenken beginnt, auch darüber, ob alles so stimmt, wie einem das der Religionsunterricht vermittelt. Dann habe ich den Film „Jesus Christ Superstar“ gesehen und konnte plötzlich ganz viel damit anfangen. Natürlich erst einmal musikalisch. Aber auch mit der textlichen Umsetzung von Tim Rice, die ist einfach genial. Diese Bibeltexte so zu schreiben, dass sie singbar werden – und mit einem so nachvollziehbaren Inhalt – das hat mich wirklich fasziniert.

RS: Dass die Passionsgeschichte auf das Menschliche heruntergebrochen wird?
Hess:
Ja, genau. Da passieren nicht mehr einem höheren Wesen Wunder über Wunder, sondern da ist plötzlich ein Mensch mit all seinen Emotionen in einer Extremsituation. Mich hat auch fasziniert, dass der Judas von Carl Anderson, einem schwarzen Sänger, dargestellt wurde. Was für ein genialer Schachzug, dachte ich damals. Erst viel später habe ich erfahren, dass das eigentlich ein Zufall beim Casting war.

RS: In Zeiten der Black Lives Matter-Debatte undenkbar.
Hess:
Ja, natürlich. Aber: Der Judas ist im Film eine ganz wesentliche Figur, ohne seinen Konflikt mit Jesus hätte sich die Passionsgeschichte so nicht vollenden können. Einer musste den Part des Verräters übernehmen, und dann noch ein Schwarzer. Das war damals unglaublich aufwühlend.

RS: Sie haben sehr oft die Figur des Jesus gespielt. Ist es eine Rolle wie jede andere?
Hess:
In erster Linie ist diese Rolle eine große musikalischer Herausforderung. Zur Figur selbst habe ich mir natürlich viele Gedanken gemacht. Die Haltung auf der Bühne muss immer den Menschen zeigen, der oft so verborgen im Emotionalen liegt und nicht rational erklärbar oder erzählbar ist. Es gibt zum Beispiel am Ölberg die Szene mit dem Gethsemane Song, in der Jesus sagt: Ich habe das nicht angefangen, warum muss ich es zu Ende bringen? Da wird er sehr, sehr menschlich, sehr begreifbar. Wir haben für die Rolle verschiedene Zugänge ausprobiert. Einmal sehr emotional, wild gestikulierend und immer am Ausflippen. Oder ruhiger, in sich gekehrt, der nur manchmal zeigt, wie es in ihm aussieht. Dieser Charakter liegt mir persönlich mehr. Beim Vorbereiten der aktuellen Vorstellung, beim Lieder studieren, habe ich mir immer wieder überlegt, was mache ich jetzt mit dem Erfahrungsschatz aus diesen vielen Aufführungen? Wird man dadurch irgendwie anders? Gelassener?

RS: Und, wird man?
Hess:
Man wird. Ich habe auch mit Simon Kräutler, der den Judas in unserer Produktion verkörpert, darüber gesprochen. In der „Last Supper“-Szene streiten wir ziemlich heftig miteinander. Und das ist interessant: bei ihm wurde im Laufe der Jahre der Schmerz größer, all die Angst und die Furcht zu spüren. Bei mir verstärkt sich eher dieses in sich ruhen, sich nur ab und zu verletzlich zeigen. Man wird vielleicht auch ein bissl älter.

RS: Sie haben viele Frauen in Ihrem Ensemble. Ist das ein Statement?
Hess:
In der Bibel kommen Frauen fast gar nicht vor. Ich habe in meinen Inszenierungen immer auch die Frauen am Tisch des letzten Abendmahls gezeigt, sie sind ein wichtiger Teil der Geschichte. Das ist immer wieder bemängelt worden.

RS: Sind Sie angegriffen worden?
Hess:
Weil die Maria Magdalena nicht so dargestellt wird, wie man sie sich hier vorstellt. Simone Heinig als Maria Magdalena hat ganz kurze blonde Haare und ist eine sehr selbstbewusste Frau. In der Oper selbst ist die Rolle relativ klein, sie hat diesen Song, den jeder kennt, aber damit ist es schon erledigt. Trotzdem ist sie eine wichtige Figur für die Geschichte Jesu. Sie macht ihn so menschlich mit einer eben menschlichen, nicht ausschließlich transformierten Liebe.

RS: Sie haben in Ihrem Leben viel erreicht und bewegt. Fühlen Sie sich geführt?
Hess:
Ich habe schon so viel erlebt, bei dem ich dachte: das ist kein Zufall, das hat einen Grund, diese Erfahrung ist jetzt wichtig für mich. Ja, ich fühle mich geführt.

RS: Der Abschied von „Jesus Christ Superstar“ ist endgültig? In Wehmut oder Erleichterung?
Hess:
Von diesem Werk, das mich so gepägt hat, verabschiede ich mich tatsächlich. Wehmut? Noch nicht. Aber ich vermute, dass dann auf der Bühne, bei der wirklich letzten Vorstellung am Samstag, doch ein bissl Wehmut dabei sein wird.

RS: Es ist vorbei?
Hess:
Ja, es ist vorbei. Ted Neeley, der Jesus im Film, hat diese Rolle mit 70 zum letzten Mal gespielt. Das möchte ich dann doch nicht.

RS: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg.

 
The Very Very Last Supper
Simon Kräutler als Judas und Marc Hess als Jesus (v.l.), Im Hintergrund ein Ensemblemitglied der Marc Hess Company.

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