Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Ruetz“ geht wegen Krieg das Mehl nicht aus

Kemater Großbäckerei setzt seit zwei Jahrzehnten auf Regionalität von heimischen Bauern und profitiert davon

In der Ukraine, der Kornkammer Europas, tobt der Krieg. Seit Rußland im osteuropäischen Staat einmarschiert ist, sind die Preise für Lebensmittel, Rohstoffe, Treibstoff und viele andere Produkte des täglichen Bedarfs in die Höhe geschnellt. Auch in der Großbäckerei „Ruetz“ in Kematen spürt man in der Produktion die angezogenen Preise. Einen Lieferengpass für Getreide gibt es dort allerdings nicht. Seit mittlerweile 20 Jahren baut das Unternehmen „Ruetz“ selbst Getreide an und man arbeitet intensiv mit 36 Tiroler Landwirten zusammen, die Getreideanbau betreiben. Bäckermeister Christian Ruetz ließ die RUNDSCHAU hinter die Türen der Backstuben blicken.
9. Mai 2022 | von Gebi G. Schnöll
„Ruetz“ geht wegen Krieg das Mehl nicht aus
Bäckermeister Christian Ruetz steht fast jede Nacht ab drei Uhr in der Backstube und bäckt gemeinsam mit den Bäckern Qualitätsbrote. Fotos: Bäcker Ruetz
Von Gebi G. Schnöll

Christian Ruetz ist Bäcker mit Leib und Seele. Fast jede Nacht steht er ab drei Uhr in der Großbäckerei in Kematen in der Backstube und backt gemeinsam mit den Bäckern „Ruetz“-Qualitätsbrote und andere Bäckereiprodukte. Wie schmackhaft und qualitätsvoll das Brotsortiment ist, zeigte sich kürzlich auch wieder beim „Internationalen Brotwettbewerb“ in Linz. Das „Ruetz“-Team holte nicht nur zum fünften Mal den Gesamtsieg, es gab auch einen Medaillenregen. 30 von 30 möglichen Goldmedaillen wurden mit den eingereichten Brotsorten erzielt. Ein Beweis dafür, dass „Ruetz“ auf Qualität setzt. „Unser Unternehmen bewirtschaftet sieben Hektar Pacht- und Eigengrund. Davon werden auf dreieinhalb Hektar verschiedene Tiroler Getreidesorten angebaut, ein halber Hektar ist Ackerland für den Kartoffelanbau, der Rest ist Grünland. Ein Drittel unseres Brotsortiments wird zu einhundert Prozent mit Tiroler Getreide hergestellt. Uns sind kurze Wege einfach wichtig. Deshalb haben wir vor zwanzig Jahren das Projekt zum Eigenanbau von alten Getreidesorten gestartet, und wir arbeiten seither auch mit 36 Tiroler Landwirten zusammen, die Getreideanbau betreiben“, schildert der Kemater Bäckermeister. Zwei Drittel der „Ruetz“-Backwaren werden mit österreichischen Getreidesorten hergestellt, die vorwiegend in Ostösterreich angebaut werden. „Wir können die Gesamtproduktion mit Tiroler Getreide nicht abdecken, deshalb ist uns auch die Zusammenarbeit mit ostösterreichischen Landwirten wichtig. Die Bauern haben eine Freude, wenn wir ihnen das Getreide zu einem vernünftigen Preis abnehmen, wir profitieren, weil wir mit ihrem Getreide Qualitätsprodukte erzeugen können. Also eine Win-win-Situation für beide Seiten“, erklärt Christian Ruetz.

Regionalität. Der „Bäcker Ruetz“ setzt aber nicht nur beim Getreideanbau und beim Mehl, das in der „Rauchmühle“ hergestellt wird, auf Regionalität, sondern auch bei den Nebenprodukten, die für die Produktion von Qualitätsbackwaren notwendig sind. „Topfen, Milch und Eier beziehen wir zum Beispiel direkt von Tiroler Bauern. Wir schauen drauf, dass die Wertschöpfung im Land bleibt. Der Kunde muss sich auf die Ruetz-Qualität verlassen können. Unsere Backwaren gibt es nur in unseren Filialen und in einigen Hotels in der Umgebung. Wenn der Kunde zum ‚Bäcker Ruetz‘ kommt, um Brot oder andere Backwaren einzukaufen, muss die Qualität passen. Wir sind jeden Tag darum bemüht, den Qualitätsansprüchen unserer Kunden gerecht zu werden“, erläutert Bäckermeister Christian Ruetz.

Getreideanbau in Österreich funktioniert. Die stark angestiegenen Preise durch den Krieg in der Ukraine wirken sich natürlich auch beim Unternehmen „Ruetz“ aus, an einen Mangel an Getreide in den österreichischen Bäckereien glaubt Christian Ruetz nicht. „Viele Länder beziehen Getreide aus der Ukraine, Österreich zählt nicht dazu. In vielen europäischen Staaten war im vergangenen Jahr durch einen verregneten Sommer die Ernte schlecht, da musste man auf Getreide aus der Ukraine zugreifen. Auch in Italien, wo das Getreide für die Produktion von Nudelwaren knapp wurde. In Österreich war die Ernte jedoch hervorragend“, weiß Christian Ruetz, der global gesehen mit gemischten Gefühlen auf den Kriegszustand in der Ukraine blickt. „Der Großteil des ukrainischen Getreides wird nach Afrika exportiert. Die Ukraine hat weltweit die größten Flächen an Schwarzerdböden, die für den Getreideanbau ideal sind und jetzt durch Panzer und Bomben in vielen Landesteilen zerstört werden. Wie sich der Krieg auf den Getreideanbau und den Export auswirkt, wird erst die Zukunft zeigen. Wir sind jedenfalls froh, dass wir seit Jahren die gleichen Lieferanten haben, in die wir auch in Zukunft großes Vertrauen setzen“, so Ruetz.

Dankeschön von vielen Kunden. Beim RUNDSCHAU-Gespräch waren natürlich auch die Corona-Pandemie und der herrschende Personalmangel ein Thema. „Als am 15. März 2020 der Lockdown ausgerufen wurde, erlebten wir ein Wechselbad der Gefühle. Die Leute sind anfangs kaum mehr zum Bäcker gegangen, sondern haben die Supermärkte leergekauft. Zehn Tage später lief das Geschäft wieder bestens, aber auf einem ganz anderen Niveau. Brot und Coffee to go fanden reißenden Absatz, die Sehnsucht der Menschen nach Altbekanntem war groß. Wir waren in dieser Zeit dankbar für jeden Kunden, der zu uns gekommen ist, und man hat es uns gedankt, dass wir für sie da sind. Sogar Briefe haben uns erreicht, mit denen sich Menschen dafür bedankten, dass wir die Filialen geöffnet halten. Das ist uns vor allem gelungen, weil wir flexible und verlässliche Mitarbeiter haben, die auch in den zwei Pandemie-Jahren voll hinter dem Betrieb gestanden sind und für unsere ‚Superkunden‘ da waren“, blickt Christian Ruetz zurück. Die Situation im Arbeitnehmerbereich hat sich – wohl auch coronabedingt – aber dennoch ein wenig verändert. „Wir haben das Glück, dass wir einen sehr guten Personalstand haben, auch bei den Bäckern und Lehrlingen. Die Bewerbungsstapel sind in letzter Zeit aber deutlich geschrumpft!“ Das Unternehmen „Bäcker Ruetz“ beschäftigt in der Großbäckerei in Kematen und in den 75 Filialen in Tirol (69) und Vorarlberg (6) insgesamt 750 Arbeitnehmer, davon sind 600 im Verkauf – auch auf Teilzeitbasis – tätig. In Tirol gibt es 39 „Ruetz“-Filialen in Vorarlberg sechs.
„Ruetz“ geht wegen Krieg das Mehl nicht aus
30 von 30 möglichen Medaillen erzielte das „Bäcker Ruetz“-Team heuer beim „Internationalen Brotwettbewerb in Linz. Es war bereits der fünfte Gesamtsieg.

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