Liebe Freunde der Überschwänglichkeit!
Wir Menschen neigen dazu, erfreuliche Zustände mit Superlativen zu beschreiben. Fantastisch. Grandios. Faszinierend. Oder vielleicht sogar berauschend. Letzteres ist ein Phänomen, das unsere nördlichen Nachbarn in Bayern zu ihrem obersten Kulturgut erhoben haben. Das Oktoberfest, das schon längst im September beginnt und auf einer Wiesen stattfindet, die großteils bereits asphaltiert ist, hat sich zum weltweit größten Volksvergnügen gemausert. Das deutsche Bundesland, das etwas mehr Einwohner zählt als Österreich, besticht seit Jahrzehnten durch seine wirtschaftliche Kraft. Die Symbiose von Laptop und Lederhose, also Modernität und Tradition, gepaart mit dem überzeugt vorgetragenen Miar-san-miar-Gefühl, ist zweifelsfrei eine Erfolgsgeschichte. Dass ein Volk, das solcherart den Wohlstand vorantreibt, ein Massenbesäufnis als höchste Form der Kunst zelebriert, ist wahrlich berauschend. Der Suff als kollektives Abtauchen in einen Zustand der geistigen Vernebelung, gepaart mit schunkelnden Rhythmusbewegungen als offensichtlich den menschlichen Körpern nicht zu schadender Sport, scheint wider jeglicher Vernunft und aller wissenschaftlicher Erkenntnislagen zum Trotz etwas unerklärlich Großartiges zu sein. Dass Geld dabei keine Rolle spielt, Millionen von Menschen ohne mit den Wimpern zu zucken für eine Maß Bier 15 Euro und ein gegrilltes Huhn mehr als 20 Euro auf den Tisch legen, dürfte trotz allgemeiner Teuerung den Allermeisten ziemlich (Weiß)Wurst sein. Wer derartiges Brauchtum nüchtern betrachten will, ist fehl am Platz. Übrigens: Sieben Tage nach der diesjährigen Neuauflage des überschäumenden Festes schreiten die Bayern zu den Urnen. Vielleicht hat dabei die schwarze Katz heuer eine Katerstimmung im Sack.