Von Friederike Hirsch
„Wir feiern zehn Jahre immaterielles Kulturerbe ,Ötztaler Dialekt‘ in Österreich und im letzten Jahr wurden die Schafewandertriebe in Italien, Österreich und Griechenland auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit eingetragen“, sagt Florentine Prantl, Geschäftsführerin „Pro Vita Alpina“. Diese Auszeichnungen der Traditionen im Ötztal präsentierte der Kulturverein beim Bauernmarkt in Imst. Bücher, Musik, Spiele und Bilder zum Anschauen und zum Mitnehmen brachte Florentine Prantl zum Bauern- und Frischemarkt beim Pflegezentrum Gurgltal in Imst.
EIN KULTURERBE DER MENSCHHEIT. Bereits 2011 wurde die Transhumanz in den Ötztaler Alpen in das Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen. Eine Voraussetzung für die Aufnahme in die repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Österreich, Italien und Griechenland schafften mit ihrer länderübergreifenden Einreichung für die Tradition der Wanderweidewirtschaft (Transhumanz) die Aufnahme in die Liste und sind seit letztem Jahr „immaterielles Kulturerbe der Menschheit“. Mit der Aufnahme der Transhumanz 2019 sind nun aktuell sechs österreichische Traditionen auf der Repräsentativen UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit gelistet. Auf multinationaler Ebene, also gemeinsam mit anderen Staaten, sind das: „Die Falknerei, das Wissen im Umgang mit Lawinengefahr, die Handwerkstechnik des Blaudrucks und die Transhumanz. Der Imster Schemenlauf, die Hohe Schule und klassische Reitkunst der Spanischen Hofreitschule schafften die Aufnahme auf ausschließlich nationaler Ebene“, so Florentine Prantl. Sie alle reihen sich auf der UNESCO-Liste neben weltweiten Traditionen ein, wie zum Beispiel der Tradition der Peking-Oper, dem spanischen Flamenco, dem mongolischen Naadamm-Festival, iranischer Teppich-Knüpfkunst, dem Tango aus Argentinien oder der italienischen Geigenbaukunst.
TRANSHUMANZ. Die Transhumanz ist eine den Jahreszeiten folgende Alm- beziehungsweise Weidebewirtschaftung, die Wanderschaft von begleiteten Herden (insbesondere Schafen, Kühen und Ziegen) entlang bestimmter Routen. Sie existiert in vielen Weltregionen, eine internationale Erweiterung dieses Elements ist durchaus realistisch. Die für Österreich bei dieser Einreichung relevante, seit Jahrhunderten durchgeführte Transhumanz ist in den Ötztaler Alpen beheimatet. Die Transhumanz in den Ötztaler Alpen ist eine besondere Form des Schafwandertriebs, startend auf der Südtiroler Seite der Berge nach Tirol und zurück. Die Wanderungen verlaufen über das Timmelsjoch (2494 Meter), das Hochjoch (2885 Meter) und das Niederjoch (3017 Meter) und gelten als die einzige grenzüberschreitende Transhumanz in den Alpen, die über Gletscher führt. Jährlich werden im Frühsommer rund 5000 bis 5500 Schafe aus Südtirol in die Ötztaler Weidegebiete getrieben und im Herbst wieder zurückgetrieben. Über viele Generationen hinweg haben sich durch die Transhumanz soziale und kulturelle Beziehungen zwischen den Menschen „hüben und drüben“ der Berge entwickelt. Alte Rituale und Bräuche wie etwa das Festlegen der Weideplätze und die Zahl der Schafe, die Bezahlung oder der gemeinsame Kirchgang vor dem Übertrieb werden bis heute ausgeübt. Aus der Ur- und Frühgeschichtsforschung ist inzwischen gesichert, dass es die Schaftriebe über die zum Teil vergletscherten Jöcher seit mindestens 6000 Jahren gibt.
2020-„MUSSEIN“-STRASSE. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat eine Vielzahl an Organisationsteams die Imster Kunststraße gestaltet. Diese unterschiedlichen Zugänge der Gestaltung und Organisation schaffte Vielfältigkeit, nicht nur durch die gezeigte Kunst. Ein Markenzeichen der Kunststraße Imst. Als „langjährig gewachsene Marke“ bezeichnete Bürgermeister und Kulturobmann Stefan Weirather die Kunststraße in einem Interview. Dennoch soll sich die Kunststraße dieses Jahr nicht über die Straßen legen. Kopfschütteln und Unverständnis löste die Entscheidung der Stadtgemeinde bei vielen Künstlern aus – und auch Gebhard „Gebi“ Schatz versteht dies nicht: „Viele sind empört über diese Haltung der Gemeinde. Der Virus gilt nicht als Ausrede für die Untätigkeit der Politik. Überall sonst wird der Neustart versucht, nur unser Imscht will da nicht mitmachen“, empört sich der Imster Künstler. Nichts tun, gibt es für Gebi Schatz nicht, daher startet er mit seiner Feuergalerie das Projekt „Kunststraße Tirol Oberland 2020“. Zutaten und Partner will er in den Gemeinden Telfs, Imst und Landeck finden. Hauptaugenmerk liegt für Schatz auf „der Aufmerksamkeit für Bestand an Kunst im öffentlichen Raum“. Die Vision des Künstlers: „In den drei Gemeinden soll jeweils ein Wochenende dem Bezirk als Schwerpunkt gewidmet sein. Skulpturen im Schnee im Advent mit Führungen, Straßenmusik, Pantomime und Poesie“, so Gebi Schatz. In Kooperation mit Schulen, Universitäten, Vereinen, Museen, Galerien und nationalen und internationalen Skulpturenparks soll Kunst im öffentlichen Raum erlebbar und begreifbar werden. „Ich glaube ein ideales Konzept in Covid-19-Zeiten“, ist sich Schatz sicher.
Gebhard Schatz und Florentine Prantl beim „insriX“-Markt in Imst in regem Austausch über Visionen für die Neuzeit und Kulturerbe der Menschheit. RS-Foto: Hirsch