Von Attila Haidegger
Aufgrund der Vorgaben des Umweltinformationsgesetzes ist die Bevölkerung über das Risiko von Störfällen beim Betrieb von Wasserkraftanlagen mit Sperrenbauwerken zu informieren. Dazu wurde von der Tiwag ein sogenannter Flutwellenalarmplan ausgearbeitet. In dem heißt es, dass der Staudamm Gepatsch nach sorgfältiger Planung unter strengen Kontrollen gebaut wurde. Nach menschlichem Ermessen sei mit keinem unvorhersehbaren Versagen des Staudammes zu rechnen. Trotzdem muss – wie für alle Talsperren in Österreich – nach behördlichen Vorgaben ein theoretisches Totalversagen des Staudammes Gepatsch dargestellt werden. Dazu wurden u.a. Fluchtorte für die einzelnen Gemeinden definiert, die auf einer Überflutungskarte beruhen. Diese Karte stellt ein Szenario dar, in dem die Flutwelle durch das Kaunertal von Ried/Frauns bis ins Zillertal reicht. Nur möglich gemacht durch das abrupte Verschwinden eines jeden einzelnen Steines des Staudammes. Die geballte Kraft von rund 138 Mio. Kubikmeter Wasser wäre damit auf einen Schlag freigesetzt. „Ein denkunmöglicher Zwischenfall“, wie der Talsperrenverantwortliche des Gepatschspeichers, DI Michael Holzmann, erklärt.
FLUCHTORTE DER GEMEINDEN. Im Falle einer Flutwellengefahr erfolgt die Warnung durch das Warnsystem der Tiwag – den besagten Tieftonsirenen. Zudem sind Radiodurchsagen vorgesehen. Die Bevölkerung würde aufgefordert, sichere Fluchtorte aufzusuchen. So müsste man in Feichten den nächstgelegenen Hang ca. 80 Meter über dem Talboden aufsuchen. In Platz im Kaunertal wären es noch 40 Meter über dem Talboden. In Prutz, Faggen und Ried (bis St. Christina) müsste, von der Fendler-, Kauner- oder Reschenstraße aus gesehen, der nächstgelegene Hang ca. 35 Meter über dem Talboden aufgesucht werden. In Fließ wären es ebenso 35 Meter über dem Talboden. In Landeck gibt es zwei Bereiche – die Pfarrkirche und Perfuchs, jeweils ca. 30 Meter über der Talsohle. In Zams müssten die Hänge noch 20 Meter über der Talsohle erreicht werden. Bei der rasch durchzuführenden Räumung wird die Mitnahme von warmer Kleidung, Nahrung, Wertsachen, Dokumenten, einem Batterie-Radio sowie persönlich notwendigen Gegenständen empfohlen. Die betroffenen Gemeinden haben dazu auch sogenannte Hausanschläge erhalten, die über den Flutwellenalarmplan aufklären sollen.
REDUNDANTES ÜBERWACHUNGSSYSTEM. Damit es gar nicht erst so weit kommt, hat die Tiwag mehrere Überwachungs- und Beobachtungssysteme eingerichtet, die bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten dürfen. Dazu gehören u.a. die Stauspiegelmessung, die Gesamtsickerwassermessung, ein Überflutungsmelder, Fernsehkameras zur Dammüberwachung sowie Sondierstollen an den Ost- und Westhängen, die die Sackung überwachen. Und: „Wir bleiben bewusst unter dem Stauziel, voll ist der Gepatschspeicher erst nach der Hochwasserperiode, ca. ab Mitte September“, erklärt der Talsperrenverantwortliche DI Holzmann, dem die Kontrolle der Messungen und Beobachtungen obliegt. Zudem muss Holzmann der Talsperrenaufsicht des Landes Tirol einmal im Jahr einen Zustandsbericht vorlegen. Weiters führt der Unterausschuss für Talsperrensicherheit in der österreichischen Staubeckenkommission alle fünf Jahre eine detaillierte Zustands- und Sicherheitsbeurteilung durch. „Die Leute können beruhigt sein, ich schreibe meine Berichte jedes Jahr mit einem guten Gewissen“, lässt Holzmann wissen und merkt dabei an, dass er als Talsperrenverantwortlicher gegebenenfalls auch zivilrechtlich belangt werden könnte. Der Name trägt es bereits in sich – ein Job mit viel Verantwortung.
Ein Job mit viel Verantwortung – der Talsperrenverantwortliche des Speichers Gepatsch, DI Michael Holzmann Foto: Tiwag