Am 23. Februar 1999 kurz nach 16 Uhr gingen in Galtür zwischen Grieskogel und Grieskopf die Lawinen „Äußere Wasserleiter“ sowie „Weiße Riefe“ ab. Die erste drang bis in die als sicher geltenden Ortsteile Frühmeßgut und Winkel vor. Von 52 Verschütteten konnten 31 nur mehr tot geborgen werden. Sieben Häuser und vier Wirtschaftsgebäude wurden total zerstört, 18 weitere Gebäude schwer oder leicht beschädigt, rund 100 Autos zerstört oder beschädigt. Der finanzielle Schaden wurde von einer Landeskommission auf 10 bis 11 Millionen Euro geschätzt. 24 Stunden später kam es im Ischgler Ortsteil Valzur zu einem Lawinenunglück – hier starben sieben Menschen unter den Schneemassen. „Das Ereignis hat jeder im Kopf“, sagt der Ischgler Bürgermeister Werner Kurz noch heute. In Galtür wird der Lawinen-Todesopfer alljährlich gedacht, bei einem Gedenkgottesdienst in der Pfarrkirche, aber auch im Alpinarium, wo ein Gedenkraum mit Arthur Salners „Memento“ eingerichtet wurde und die Namen der 31 Todesopfer samt Geburtsjahr aufgelistet sind. Betroffenen geht das Unglück weiterhin unter die Haut, wie der Galtürer Bürgermeister Hermann Huber berichtet, tägliches Gesprächsthema ist es freilich nicht mehr: „Die nächste Generation kennt es nur aus Erzählungen.“ Die Katastrophe hat viel menschliches Leid und Betroffenheit ausgelöst, sie war aber Anlass für Verbesserungen.
VERBESSERUNGEN FÜR ALLE. Eine Konsequenz von „Galtür 1999“, die zur Verbesserung für alle geführt hat, ist die Änderung der Richtlinien der Gefahrenzonenplanung. „Infolge der enormen Schäden im Siedlungsraum wurde die Rote Lawinengefahrenzone bzw. der Abgrenzung verschärft. Somit soll künftig verhindert werden, dass derart hoch gefährdete Bereiche besiedelt oder besser geschützt werden. In weiterer Folge wurden insbesondere in Tirol alle Gefahrenzonenpläne auf diese geänderte Richtlinie hin adaptiert und angepasst“, berichtet der Leiter der Sektion Tirol der Wildbach- und Lawinenverbauung, Dipl.-Ing. Gebhard Walter, der aus Galtür stammt. Das Lawinenunglück 1999 war auch Auslöser für Fortschritte im Bereich der Lawinendynamik und Lawinenmodellierung: „Meilenstein war dazu im Februar 2000 die Gründung einer eigenen Stabstelle der Wildbach- und Lawinenverbauung für Schnee und Lawinen in Schwaz in Tirol. Zwischenzeitlich ist dieser Bereich zu einem eigenen Fachzentrum für Geologie und Lawinen mit Sitz in Innsbruck weiterentwickelt worden“, weiß Walter. Dort wurde die Lawinenmodellierung intensiviert, seit 2023 gibt’s ein von der WLV entwickeltes Lawinenmodell, das die Weiterentwicklung des Lawinenmodells Samos 99 aus dieser Zeit darstellt. Auch die Zusammenarbeit mit den Lawinenkommissionen hat sich seit 1999 stark verbessert. Zusätzlich wurde in Zusammenarbeit mit dem Lawinenwarndienst und der Hydrographie des Landes Tirol das Messnetz mit Wetterstationen stark verdichtet und ausgebaut.
GALTÜR. Galtür selbst profitiert nicht nur von den allgemeinen Verbesserungen, sondern auch von ganz konkreten Maßnahmen – am sichtbarsten sicherlich in Form der Lawinenmauer, in die das Alpinarium integriert ist. Seit 1999 wurden allein in die Verbauung der „Äußeren Wasserleiter“ und der „Weißen Riefe“ 6,7 Millionen Euro investiert (z.B. in 4,7 km Stahlschneebrücken und eine automatische Wetterstation). In sechs weitere Lawinen in Galtür flossen weitere fast 10 Millionen Euro – in Summe 16,1 Millionen, wie Gebhard Walter ausgerechnet hat. Seit 1999 wurden allein in Galtür zum Schutz vor Lawinen 237 Bauwerke, davon sechs Schlüsselbauwerke, errichtet. Der Gefahrenzonenplan der Gemeinde wurde 2009 überarbeitet, wobei die umgesetzten Schutzbauten insbesondere der Katastrophenlawinen bereits berücksichtigt werden konnten. „Aufgrund der sonstigen umfangreichen Schutzbauten in Galtür sind wesentliche Bereiche des Siedlungsraums durch Verbauungen wirkungsvoll geschützt und nur mehr Restgefährdungen vorhanden“, sagt der WLV-Chef. Zudem wurde 2018 zur Kontrolle, Betreuung und Instandhaltung von Schutzbauten, insbesondere von Lawinenverbauungen, der Wasserverband „Instandhaltung Schutzbauten Paznaun“ gegründet, dem die vier Paznauner Gemeinden angehören.
237 Bauwerke hat die „Wildbach“ seit 1999 in Galtür errichtet. Foto: WLV
Blick auf die Galtürer Verbauungen Foto: Walter/WLV
Gebhard Walter: Eine Konsequenz von „Galtür 1999“ ist die Änderung der Richtlinien der Gefahrenzonenplanung. RS-Foto: Archiv