Etwa 500 Oberländer erkranken jedes Jahr an Krebs, Männer sind mit ca. 270 Fällen etwas häufiger betroffen als Frauen. Bei Frauen tritt Brustkrebs am häufigsten auf, gefolgt von Lungenkrebs, Blut- und Lymphknoten-Krebserkrankungen und Darmkrebs. Bei Männern findet sich das Prostatakarzinom an erster Stelle, gefolgt von Lungenkrebs, Blut- und Lymphknotenkrebserkrankungen und dem Darmkrebs. Fünfthäufigste Tumorart ist bei Frauen und Männern der schwarze Hautkrebs (Melanom). „Die häufigste Krebstodesursache ist jedoch leider bei beiden Geschlechtern der Lungenkrebs“, berichtet Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, ärztlicher Direktor und Interne-Vorstand des Krankenhauses St. Vinzenz in Zams.
NEU: VERNETZUNG MIT DEM AUSLAND UND MOLEKULARPATHOLOGIN. Der aktuelle Tumorbericht (er betrifft das Jahr 2020) weist als Oberländer Besonderheiten u. a. ein kolorektales Karzinom bei Frauen in Landeck unter dem Landesschnitt und Lungenkarzinom bei Frauen in Imst über dem Landesschnitt aus. Prim. Wöll relativiert: Es handle sich um relativ kleine Fallzahlen, sie entsprächen nicht realen Häufungen oder deutlich niedrigeren Werten. „Insgesamt liegen wir hier im Tiroler Durchschnitt“, sagt der Primar, der Oberländer Patienten von Zusatznutzen ist, da er seit ca. einem Jahr auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie ist. Daher „können wir auch die Vernetzung mit Deutschland und der Schweiz ausbauen“, sagt Wöll. Weiter ausgebaut wurde in den letzten Jahren auch die Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Innsbruck, wo über Telekonferenzen das Netzwerk gestärkt wird, was sich zum Beispiel in der Behandlung des Lungenkrebses oder der Blutkrebserkrankung positiv auswirkt. Bestens bewährt ist das Tumorboard, das integraler Bestandteil der Therapiesteuerung ist. Es tagt einmal pro Woche im Krankenhaus St. Vinzenz, kann aber jederzeit einberufen werden. „Verstärkung“ hat’s vor gut einem Jahr gegeben: Eine Molekularpathologin ist nun fix im Team, wodurch die komplexen Befunde direkt diskutiert werden und in die Behandlung einfließen können.
INNOVATIVE THERAPIEMÖGLICHKEITEN. Durch den Verein für Tumorforschung, dessen Obmann Prim. Wöll ist, wird die Studieninfrastruktur unterstützt, die in „St. Vinzenz“ ebenfalls besteht. „Dadurch können innovative Substanzen, wie sie zum Beispiel in der Behandlung spezieller Untergruppen des Lungenkarzinoms eingesetzt werden, frühzeitig und noch vor Zulassung zum Einsatz kommen. Darüber hinaus werden unter anderem auch spezielle Konzepte zur Behandlung von Blutkrebs und Magenkrebs eingesetzt“, kann Wöll von besonderen therapeutischen Möglichkeiten berichten. Bereits bekannt und mittlerweile etabliert ist eine Methode eines Kollegen mit Skalpell: Prim. Peter Sandbichler hat vor einigen Jahren eine innovative Technik der Brustrekonstruktion eingeführt, bei der eigenes Fettgewebe verwendet wird. Diese Innovation, so Wöll, „hat sich sehr bewährt und ist inzwischen bei uns zu einer der Standardmethoden geworden“. In den letzten Jahren wurde diese spezielle Methode bei über 170 Patientinnen „mit sehr gutem Erfolg durchgeführt“, erklärt MedR Prim. Univ.-Doz. Dr. Peter Sandbichler – verwendet wird sie zum Aufbau der Brust nach Brustkrebs, aber auch nach entzündlichen Erkrankungen. „Leider wird dieser Eingriff nur von sehr wenigen durchgeführt, damit haben wir die größten Zahlen im deutschsprachigen Raum und darüber“ hinaus, sagt der Chirurgie-Primar von „St. Vinzenz“.
ÜBERLEBENSRATE 66 PROZENT. Ziel all dieser Bemühungen ist es, Krebs zu heilen oder zumindest ein Leben in bestmöglicher Qualität sicherzustellen. Aktuell liegt die Fünf-Jahre-Überlebensrate bei rund zwei Drittel. „Vergleicht man das vorletzte Jahrzehnt (2001–2010) mit dem letzten Jahrzehnt (2011–2020), so findet man erfreulich eine Zunahme der 5-Jahre-Überlebensrate. Sie liegt derzeit bei über 66%. Das bedeutet, dass zwei Drittel aller Patientinnen und Patienten, bei denen Krebs diagnostiziert wurde, geheilt werden können oder zumindest lange mit der Erkrankung leben können“, sagt Wöll. Die Oberländer können dazu beitragen, dass die Zahl der Erkrankungen sinkt oder zumindest die Überlebensrate steigt: „Krebsvorsorge bedeutet neben gesundem Lebensstil auch das Wahrnehmen der mannigfaltigen Angebote der Vorsorgeuntersuchungen. So können Krebserkrankungen zum Teil verhindert oder in frühen Stadien entdeckt werden, was die Heilungschancen deutlich erhöht. Krebsvorsorge ist eine Investition in die eigene Zukunft“, stellt der Interne-Primar fest. In den nächsten Jahren allerdings könnte es einen Rückschlag geben: Zumindest in den ersten Pandemiejahren (Corona) wurden nachweislich weniger Vorsorgemöglichkeiten wahrgenommen. Die Auswirkungen zeigen sich zum Teil jetzt schon, werden aber erst in den nächsten Jahren schlagend werden, sagt Ewald Wöll voraus.