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Der große Kraftwerksbericht

Bezirk: Fünf kommunale Trinkwasser-Kraftwerke sind in Betrieb, fünf weitere konkret geplant

Der folgende Bericht bietet einen Überblick über die aktuellen Trinkwasserkraftwerksplanungen im Bezirk Landeck sowie jene Trinkwasserkraftwerke, die sich derzeit in der Umsetzungsphase befinden oder bereits in Betrieb sind. Zudem enthält die Abhandlung eine Zusammenfassung der gemeindeeigenen Kraftwerke sowie der Kraftwerke mit Gemeindebeteiligung.
28. Feber 2023 | von Von Herbert Tiefenbacher
Der große Kraftwerksbericht
Das Flathbachwasser in Tobadill wird zweimal genutzt: für Trinkwasser sowie seit 2019 auch für die Produktion von Strom. RS-Foto: Tiefenbacher
Von Herbert Tiefenbacher

Immer mehr Gemeinden nutzen die innovative Möglichkeit der Doppelnutzung von Trinkwasser sowohl zur Trinkwasserversorgung der Kommunen als auch zur Stromgewinnung. Das Beispiel „Trinkwasserkraftwerk Tobadill-Pians“ zeigt, um was es hier geht. Die Gemeinden Tobadill und Pians haben im Juni 2019 ein Trinkwasserkraftwerk in Betrieb genommen. Das heißt, dass im Zuge der Sanierung der Trinkwasser-Anlage im Bereich des Flathbaches eine einstrahlige Gegendruck-Peltonturbine eingebaut wurde, die Strom produziert. Die Menge des erzeugten Stroms ist abhängig von der Wassermenge und dem Gefälle. Die Anlage am Flathbach gewinnt aus einem Druckgefälle von rund 400 Metern jährlich an die 840000 Kilowattstunden Strom, die ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Umgerechnet kann damit (berechnet auf Basis der Daten der Statistik Austria 2021) der Strombedarf von Ladis gedeckt werden. In Ladis gibt es 210 Privathaushalte. Nachdem das Trinkwasser die Turbine angetrieben hat, fließt es in den Hochbehälter und steht als Trinkwasser zur Versorgung der Gemeindebürger zur Verfügung.

FÜNF TRINKWASSER-KW. Im Bezirk Landeck sind derzeit fünf Trinkwasserkraftwerke in Betrieb, die von den jeweiligen Gemeinden betrieben werden. Insgesamt werden damit jährlich durchschnittlich 5,44 Gigawattstunden (GWh) Strom erzeugt. Das reicht aus, um 1360 Familien (mit einem mittleren Einkommen, die laut Statistik Austria einen durchschnittlichen Stromverbrauch bei 4000 kWh haben) ein Jahr lang mit Strom zu versorgen – ist größenordnungsmäßig etwa Zams. Wo stehen diese Kraftwerke?
In Serfaus befinden sich zwei Trinkwasserkraftwerke. Die beiden Anlagen produzieren zusammen etwa zwei Mio. Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr und liefern rein rechnerisch Strom für 500 Haushalte.
Im Kaunertal betreibt die dortige Gemeinde ein Trinkwasserkraftwerk. Diese Anlage erzeugt im Jahr durchschnittlich 1,1 Mio. kWh Strom (275 Haushalte).
In Pfunds erfolgte die Inbetriebnahme eines Trinkwasserkraftwerkes 2020. Je nach Niederschlagsmenge können dort bis zu 1,5 Mio. kWh Strom jährlich produziert werden. Das entspricht dem Stromverbrauch von 375 Haushalten. Investiert hat die Gemeinde rund 3,55 Mio. Euro. In 13 Jahren ist das Darlehen getilgt.
Ebenfalls in 13 Jahren amortisieren sich die Investitionskosten für das Trinkwasserkraftwerk Tobadill-­Pians. Diese belaufen sich auf 1,1 Mio. Euro.

IN PLANUNG ODER UMSETZUNG. Fünf Trinkwasserkraftwerke sind in Planung oder befinden sich in der Umsetzungsphase. Ein Trinkwasserkraftwerksprojekt ist in Schönwies und Pettneu bereits auf Schiene und soll noch heuer umgesetzt werden. In Landeck ist man noch nicht so weit: Hier hat der Landecker Gemeinderat kürzlich die Auftragsvergabe für eine technische und wirtschaftliche Prüfung eines Trinkwasserkraftwerks Thial-Katlaun beschlossen. In Zams sind die Budgetmittel für die Planung eines Trinkwasserkraftwerkes reserviert. Laut Bgm. Benedikt Lentsch soll es 2024 umgesetzt werden. In Prutz ist ein Trinkwassserkraftwerk konkret geplant. Dort soll eine kombinierte Trinkwasserkraftwerks- und landwirtschaftliche Beregnungsanlage errichtet werden.

DERZEIT NICHTS GEPLANT. Aus unterschiedlichen Gründen – wie etwa eine nicht ausreichende Schüttung der Quellen oder wirtschaftlich nicht rentabel bzw. aus finanzellen Gründen nicht möglich – ist in 13 Gemeinden in näherer Zukunft kein Trinkwasserkraftwerk geplant. Zu diesen zählen Kaunerberg, Fendels, Faggen, Grins, Spiss, Kauns, Stanz, Strengen, Ischgl, Ladis, Flirsch, Tösens und Kappl. Durchaus Ambitionen für ein Trinkwasserkraftwerks­projekt zeigt man in den Gemeinden Fließ, Nauders, Fiss, See, Galtür, Ried und St. Anton.



Weitere neun „kommunale“ Kraftwerke

Im Bezirk Landeck sind derzeit neun Kraftwerksanlagen, die gemeindeeigene Kraftwerke oder Kraftwerke mit Gemeindebeteiligung sind, in Betrieb. Diese liefern jährlich insgesamt über 130 Gigawattstunden Strom. Das reicht umgerechnet für knapp 32650 Haushalte. Die EWA St. Anton (zu 100 Prozent gemeindeeigener Betrieb) betreibt drei Wasserkraftwerke, die etwa 55 GWh Strom produzieren, wie 13750 Haushalte im Jahr benötigen.
Das Wasserkraftwerk Stanzertal – ein Gemeindebeteiligungsmodell, bei dem neben den Elektrizitätswerken Reutte, den Stadtwerken Imst und der EWA St. Anton GmbH auch die fünf Gemeinden St. Anton, Pettneu, Flirsch, Strengen und Zams die Gesellschafter sind – hat eine Jahresproduktion an Strom von rund 62 GWh. Das entspricht dem Jahresstrombedarf von ca. 15500 Haushalten. Im Jahr 2020 gab es im Bezirk Land­eck 17728 Privathaushalte.
Das Kraftwerk Stiller Bach der Gemeinde Nauders – ein Kleinkraftwerk – produziert jährlich bis zu 9,5 GWh Strom, das reicht für etwa 2375 Haushalte.
Das Kleinkraftwerk der Gemeinde Grins liefert jährlich 1,05 Mio. kWh Strom und deckt den Bedarf von 263 Haushalten.
Das gemeindeeigene Kraftwerk „Klausbach“ in Flirsch ging 2021 in Betrieb. Das Kleinkraftwerk erbrachte einen Jahresertrag von 580000 kWh, Strom für umgerechnet 145 Haushalte.
Die Gemeinde Serfaus betreibt außer den beiden Trinkwasserkraftwerken ein kleines Kraftwerk am Arge- und Lausbach. Die Anlage produziert rund 1,35 GWh Strom im Jahr, das entspricht in etwa dem Verbrauch von 340 Haushalten. Nachdem das E-Werk zwischenzeitlich in den Besitz der Tiwag gewechselt war, kaufte es die Gemeinde Serfaus 2007 zurück.
Die Gemeinde Pettneu betreibt bereits seit den 1930er-Jahren das Mühlbach-Kraftwerk. 2013 wurde die Anlage aufgepeppt. Die Jahresproduktion liegt jetzt bei 1,1 GWh (275 Haushalte).


Fast doppelt so viel Strom wie benötigt

Die Zusammenschau der Ergebnisse aller gemeindeeigenen Kraftwerke sowie der Kraftwerke mit Gemeindebeteiligung liefert das Wissen darüber, welchen Beitrag die Kommunen als Kraftwerksbetreiber im Bezirk Landeck zur sicheren Stromversorgung leisten. Fünf Trinkwasserkraftwerke, die derzeit in Betrieb sind, produzieren im Jahr insgesamt 5,44 GWh Strom (1360 Haushalte). Neun Kraftwerksanlagen (bei denen Gemeinden alleinige Betreiber oder Mitgesellschafter sind) liefern jährlich insgesamt über 130 GWh Strom (knapp 32650 Haushalte). Somit ergibt sich eine derzeitige Jahresproduktion von rund 135 GWh Strom, ausreichend für fast 34000 Haushalte. Die kommunalen Kraftwerke erzeugen also derzeit fast doppelt so viel Strom, wie die Privathaushalte im Bezirk Landeck benötigen. Anzuführen ist hier auch, dass für das Trisanna-Kraftwerk der Genehmigungsbescheid in Bälde erwartet wird. Dann kommen 32 GWh Strom (reicht für rund 8000 Haushalte) zusätzlich dazu.


Weitere Kleinkraftwerke

Vorgesehen und bereits in Planung sind zwei weitere Kleinkraftwerke. Die Gemeinde Kappl will 2024 ein Projekt realisieren. Und die Gemeinde Galtür plant gemeinsam mit der DAV-Alpenvereinssektion Schwaben und der Bergrettung Tirol ein Kleinwasserkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 466 Kilowatt und einem Regelarbeitsvermögen von 2,67 GWh. Mit der aus der Taufe gehobenen Gemeinschaftskraftwerk Paznaun GmbH, an der die Gemeinden See, Kappl, Ischgl und Galtür sowie das Landecker Unternehmen Gebrüder Kofler beteiligt sind, wurden die Weichen für die Errichtung des Trisanna-Kraftwerks gestellt. Dieses soll jährlich bis zu 32 Gigawattstunden Strom erzeugen. Man kann damit den jährlichen Strombedarf von 8000 Haushalten decken. Das Projekt befindet sich bereits in der finalen Phase des Bewilligungsverfahrens.

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