Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

„Gesamtschau auf Almen unabdingbar“

Bilanz der Almsaison: guter Käse, wenige gerissene Tiere und Sorge um den künftigen Schutz vor Naturgefahren

Die abgelaufene Almsaison ist in vielen Bereichen sehr gut verlaufen, und es wurden mitunter auch Innovationen zum Erhalt der Almweideflächen ausprobiert. Sorgenfrei ist die Sommerfrische von Rind, Schaf & Co aber keineswegs.
19. September 2023 | von Daniel Haueis
„Gesamtschau auf Almen unabdingbar“
Die Herausforderungen in der Almwirtschaft sind mannigfaltig. RS-Foto: Archiv
Von Daniel Haueis

Viele Niederschläge und warmes Wetter haben speziell in den mittleren Höhenlagen für einen sehr guten Futternachwuchs gesorgt, was sich auf die Milchmenge auf den Almen ausgewirkt hat. Schlechtwettereinbrüche sind ausgeblieben, aber auf einigen Almen hat es Vermurungen von Zufahrtswegen und Viehtriebwegen gegeben, deren Sanierung einen erheblichen Aufwand darstellt und noch nicht abgeschlossen ist (siehe auch Kästchen „Mure im Moostal“). Konsumenten dürfen sich jedenfalls freuen: „Die Produktqualität von Almkäse und Almbutter ist ausgezeichnet und erfreut sich einer sehr guten Nachfrage. Mit Spannung werden die Prämierungen auf der Almkäseolympiade in Galtür erwartet“, sagt Peter Frank von der Landecker Landwirtschaftskammer.

SCHLÜSSEL PERSONAL. Ohne Hirt, Senner & Co gibt’s keine Sommerfrische für die Tiere: „Das Almpersonal hat ausgezeichnete Arbeit geleistet und das muss in besonderer Weise hervorgehoben werden“, sagt Frank. Es arbeitet praktisch drei Monate rund um die Uhr und musste heuer auch den mitunter langen Niederschlagsperioden trotzen, denn Nässe und schlechte Sicht erschweren die tägliche Arbeit unter dem freien Himmel. Fachpersonal zu finden bleibe eine der größten Herausforderungen für die Almbewirtschafter, hinzu kommen Herausforderungen wie Personal­kosten, laufende Kosten für die Infrastruktur (Wege, Strom, Gebäude …), Auftriebszahlen, klimatische Veränderungen und Bedrohung durch die Raubtiere. Einige Almen haben übrigens bereits Maßnahmen zum Erhalt der Almweideflächen umgesetzt und sehr gute Erfolge erzielt – dabei geht’s um bessere Weidelenkung mittels Koppelungen, Errichtung und Verbesserung der Tränkestellen, Einführung der Tag- und Nachtweide bei den Kühen, Weide mit unterschiedlichen Tieren und früherer Almauftriebszeitpunkt.

HERDENSCHUTZ. Was die Übergriffe von Raubtieren anlangt, ist der Bezirk Landeck mit einem blauen Auge davongekommen: Es gab zwei mittels DNA bestätigte Schafrisse, einige verletzte und abgängige Tiere (wobei sich das noch ändern kann: Bis Ende Oktober sind die Tiere noch auf den Heimbetriebsweiden). Zufrieden ist Peter Frank deshalb aber nicht, denn die Erkenntnisse aus den drei Schafalmprojekten mit verstärk­tem Herdenschutz seien „sehr ernüchternd“: „Ein Rückschluss, dass wegen der ergriffenen Maßnahmen kein Raubtierangriff stattgefunden hat, ist nicht zulässig, da es bei vielen Schafalmen in der Umgebung, die wie bisher behirtet werden, genauso keine Angriffe gegeben hat.“ Wo Wolf & Co zuschlagen, schrecken sie auch vor Einzäunungen und Hunden nicht zurück, wie man aus der benachbarten Schweiz wisse, und töteten sogar Rinder und Pferde. Zudem seien die immer wieder kolportierten Kosten der Herdenschutzprojekte von 114 Euro pro Schaf nicht vollständig und Tierwohl und Tierschutz ein Thema: Eingepferchte Schafe sind bis zu zwölf Stunden ohne Wasserversorgung, Fresszeiten werden reduziert und das Risiko der Krankheitsübertragung steige sehr. „Zusammenfassend ist zu sagen, dass Maßnahmen mit gelenkter Weideführung und Behirtung zukünftig zu unterstützen und auszubauen sind“, sagt aber der Fachmann. Weitere Herdenschutzmaßnahmen hingegen verursachten nur weitere Probleme, da gerade eine grundlegende Funktion der Almbeweidung für die gesamte Bevölkerung – der Schutz vor Naturgefahren – nicht mehr erfüllt wird. „Dazu braucht es eben einen sehr frühen Almauftrieb mit einer großflächigen und gelenkten Beweidung (mit Hirten) der exponierten Standorte. Das sind die zentralen Elemente, um unsere Almweideflächen zu erhalten“, sagt Frank. Verabschiede man sich von diesen Grundsätzen der Almwirtschaft, dann verliere man gerade in Zeiten des Klimawandels sehr schnell unsere Produktionsgrundlage. Peter Frank plädiert für einen mehrdimensionalen Blick: „Daher ist eine Gesamtschau auf unsere Almen unabdingbar. Es braucht das Wohlergehen von Mensch, Tier und Almweide!“




„Jagen und regulieren“

Signale für Senkung des Wolf-Schutzstatus

Bereits Anfang September hat die EU-Kommission angekün­digt, den Schutzstatus des Wolfs in der Europäischen Union überprüfen zu wollen. Und nach einer Aussprache Mitte September im EU-Parlament in Straßburg sind sich Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, LH-Stv. Josef Geisler und MEP Barbara Thaler einig: Die Senkung des Schutzstatus von Wölfen rückt näher. BM Totschnig: „Problemwölfe, die wiederholt Nutztiere reißen und in Siedlungsgebieten auftauchen, müssen entnommen werden können. Ansonsten werden heimische Almen bald nicht mehr bewirtschaftet werden können, Wanderwege werden gesperrt.“ Tirols EU-Parlamentarierin Barbara Thaler freut’s: „EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen erkennt die Dringlichkeit der Situation und handelt nun aktiv.“ Josef Geisler wiederum meint: „Tirol nützt in Bezug auf Großraubtiere alle rechtlichen Möglichkeiten, um zumindest Schad- und Risikotiere zu entnehmen. Aber wir wollen Wölfe bejagen und regulieren wie jedes andere Wildtier auch.“ Die Europäische Kommission ruft übrigens Kommunen, Wissenschaftler und alle Interessierten dazu auf, bis 22. September Daten über die Wolfspopulationen und deren Auswirkungen zu übermitteln. Sie sollen als Grundlage dienen, um möglicherweise den Schutzstatus des Wolfs zu überdenken. Im Bezirk Landeck wurden Wölfe heuer in Pfunds (Juli), Prutz und Fiss (Mai), Ried (März) sowie Serfaus (Februar) nachgewiesen. Ein Bär wurde in St. Anton gesichtet (Juni). Soweit im Große-Beutegreifer-Nachweis-System des Landes ersichtlich, wurden dabei ein Schaf getötet und zwei verletzt (alle in Pfunds).



Mure im Moostal

Aufgrund eines Murenabganges am 7. September im Moostal musste der Moostalweg für den gesam­ten Verkehr, auch für Fußgänger, gesperrt werden. Am 11. September fand eine neuerliche Begutachtung statt, nach der aber entschieden werden musste, dass die Zufahrt/der Zugang ins Tal bis 14. September gesperrt bleibt. Nach dem neuerlichen Lokalaugenschein hatte Bgm. Helmut Mall noch schlechtere Nachrichten: Nach Meinung von Landes­geologie, Lawinen- und Wildbachverbauung, Geotechnik-Zivilingenieur und Spezialtiefbaufirma wäre eine Freigabe des Moostalweges unverantwortlich. Auch temporäre und kurzfristige Lösungen mit Beobachtungsposten seien von allen Beteiligten abgelehnt worden, da in den 24 Stunden zuvor wieder massiv Gesteinsmaterial abgegangen sei. Erst am Donnerstag dieser Woche findet wieder eine Begehung statt.
„Gesamtschau auf Almen unabdingbar“
Peter Frank: „Das Almpersonal hat ausgezeichnete Arbeit geleistet und das muss in besonderer Weise hervorgehoben werden.“ RS-Foto: Archiv

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben
Wir verwenden Cookies, Tracking- und (Re-) Targeting-Technologien. Damit wollen wir unsere Webseite nutzerfreundlicher gestalten und fortlaufend verbessern. Wenn Sie unsere Webseite weiter nutzen, stimmen Sie dadurch der Verwendung von Cookies zu – ausgenommen sind Cookies für Google-Marketing-Produkte.
Einverstanden
Weiter ohne Google-Marketing-Produkte.
Weitere Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.