Von Daniel Haueis
Das Jahr 2023 war im Bezirk Landeck aus landwirtschaftlicher Sicht gemischt: Ausreichend Niederschläge in Kombination mit höheren Temperaturen haben für sehr gute Wuchsbedingungen auf Wiesen, Feldern und Almen gesorgt. „So kann man das Erntejahr 2023 für die Grünlandwirtschaft als ein sehr gutes bezeichnen“, sagt Landwirtschaftskammer-Chef Ing. Mag. (FH) Peter Frank. Die Scheunen sind also ausreichend mit selbst produziertem, qualitativ hochwertigem Grundfutter für jene Tiere gefüllt, die das für Menschen unverdauliche Gras und Heu zu hochwertigen Produkten wie Milch/Joghurt/Käse etc. und Fleisch veredeln. Auch im Ackerbau ist man mit den Ernten zufrieden: „Es gab eine sehr gute Erdäpfelernte“, sagt Frank, der aber auch den Wermutstropfen Engerlingfraß nennen muss. Die Mais- und die Getreideernte waren durchschnittlich. Sehr überschaubare Ernten gab es beim Obst: Nasse und kalte Tage während der Blüte im Frühjahr haben hier an einigen Standorten sogar zum Totalausfall bei Äpfeln, Zwetschken oder Marillen geführt.
ELF MONATE IM JAHR OHNE GEMÜSE, ZEHN MONATE OHNE OBST. Setzt man die Lebensmittelproduktion im Bezirk in Verhältnis zum Verbrauch der 45.000 Einwohner (ohne Touristen), ist das Ergebnis ernüchternd. Zucker wäre vom Speiseplan gestrichen – es werden im Bezirk praktisch keine Zuckerrüben angebaut. Das Getreide reicht laut Peter Frank für weniger als 1 Prozent der Bevölkerung. Anders gesagt: Nach nicht einmal vier Tagen ist von den Landeckern alles aufgegessen – die restlichen 361 Tage des Jahres gäbe es keine Semmel und keinen Grießbrei mehr. Das Gemüse reicht für geschätzte 10 Prozent, und das auch nur dank Hausgärten: Die Jahresproduktion wäre also in gut einem Monat verspeist. Mit im Bezirk produziertem Obst (inklusive Hausgärten) kann man ca. 20 Prozent des Bedarfes decken – es dauert also nur knapp zweieinhalb Monate, bis es von den Landeckern schnabul iert ist. Auch Erdäpfel gäbe es ab etwa Mitte März keine mehr, wenn zu Jahresbeginn gestartet würde (Selbstversorgungsgrad ebenfalls nur rund 20 Prozent).
MILCH UND RINDFLEISCH REICHEN SIEBEN MONATE. Beim Grünland schneidet Landeck recht gut ab – viele Wiesen bedeuten viel Gras und Heu, die von Tieren in Milch und Fleisch verwandelt werden. Bei Rindfleisch sowie Trinkmilch/Butter/Käse werden mit etwa 60 Prozent die höchsten Selbsversorgungsraten im Bezirk erreicht. „Ich hätte gemeint, dass wir da besser sind“, sagt Peter Frank in Bezug auf die Milch(-produkte). Die 60 Prozent bedeuten aber auch, dass fast fünf Monate im Jahr kein Rindsgulasch und kein Almkäse auf den Tisch kommen würden. Bei Eiern sinkt die Rate auf rund ein Drittel ab – also: ab Mai kein Frühstücksei mehr. Und Schweinefleisch ist regelrecht Mangelware: Nur knapp 10 Prozent beträgt die Selbstversorgungsrate – ab Anfang Februar wäre das Schnitzel also nicht mehr auf dem Teller.
Peter Frank hat diese Selbstversorgungsraten auf Basis der der Landwirtschaftskammer gemeldeten Flächen und mit seinem Wissen über die Verbreitung von Haus- und Obstgärten u. a. m. geschätzt. „Das ist zugegeben ein rechnerischer Ansatz mit Durchschnittswerten, es zeigt die Größenordnung jedoch klar auf, dass wir bei der Selbstversorgung mit Getreide, Kartoffel, Gemüse nicht sehr weit kommen“, sagt der Fachmann.
Selbstversorgungsgrad
Die Selbstversorgung in puncto Lebensmittel ist im Bezirk Landeck nur unzureichend gegeben – sie schwankt zwischen 0 und 60 Prozent. Die 45.000 Landecker könnten von der Jahresproduktion im Bezirk je nach Art also nur wenige Tage (Getreide) bis rund 7 Monate (Milchprodukte und Rindfleisch) leben. Folgende Aufstellung zeigt, wie lange die Landecker das Auslangen finden würden, wenn nur die im Bezirk produzierten Lebensmittel konsumiert werden könnten, und den Grad der Selbstversorgung.
• Zuckerrübe: 0 Tage – 0 %
• Getreide: 4 Tage – 1 %
• Schweinefleisch: gut 1 Monat – 10 %
• Gemüse: gut 1 Monat – 10 %
• Obst: gut 2 Monate – 20 %
• Erdäpfel: gut 2 Monate – 20 %
• Eier: 4 Monate – 33 %
• Milch/Käse: gut 7 Monate – 60 %
• Rindfleisch: gut 7 Monate – 60 %
Das Pro-Kopf-Feld
Die Landwirtschaftskammer Tirol hat bereits vor einigen Jahren das „Pro-Kopf-Feld“ errechnet – es zeigt die Fläche, die nötig ist, um die Lebensmittel für einen Menschen zu produzieren. Das Essen eines durchschnittlichen Tirolers benötigt demnach 1.850 Quadratmeter: 790 qm für die Produktion von 330 kg Getreide (u. a. Brot), 305 qm für Mais und 615 qm für Grünland (als Futter für Kuh & Co.), 60 qm für 390 kg Zuckerrüben (= 37 kg Zucker), 30 qm für 111 kg Gemüse, 35 qm für 76 kg Obst sowie 15 qm für 47 kg Erdäpfel.
Viehhaltung wird weiter dominieren
„Im Bezirk Landeck wird aufgrund der vorherrschenden Standortbedingungen (Hanglagen, Wiesen und Almen) das Grünland und damit verbunden die Viehhaltung immer die zentrale Rolle spielen“, prognostiziert Peter Frank. Weitere Formen der Flächennutzung wie Obstbau, Ackerbau, Gemüsebau hat es im Bezirk zwar immer gegeben – aber in geringem Ausmaß, auch wenn in diesem Bereich ebenfalls sehr professionell gearbeitet wird. Nicht nur die Obstbauern, sondern die Landwirtschaft insgesamt wird sich künftig mit der Frage nach geeigneten Sorten und Kulturen noch mehr auseinandersetzen müssen – Klimawandelanpassung ist gerade in der Landwirtschaft ein Thema.
Peter Frank: Im Bezirk wird Viehhaltung immer die zentrale Rolle spielen. RS-Foto: Archiv