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„Wie wollen wir zukünftig in Reutte wohnen?“

Bürgermeister Günter Salchner lud die Bevölkerung vergangenen Donnerstag zu einer hochkarätigen Veranstaltung

Wohnen ist mehr als ein komplexes Thema und somit ist die Wohnungspolitik einer Gemeinde sehr oft im Spannungsfeld von verschiedenen Gruppierungen – Anbieter, Nachfragende, Bauträger und Architekten mit unterschiedlichen Interessen. Fachexperten sollten ein wenig Licht in diese schwierige Thematik bringen.
13. November 2023 | von Von Bruno Dengg
„Wie wollen wir zukünftig in Reutte wohnen?“
Bgm. Günter Salchner bei der Eröffnung der Veranstaltung „Wie wollen wir zukünftig in Reutte wohnen?“ RS-Fotos: Dengg
Von Bruno Dengg

Das Gemeindeoberhaupt von Reutte hieß in seiner Eröffnungsansprache die Gemeinderäte, Bauträger, Architekten, das Publikum und die Expertenrunde im Lina-Thyll-Saal der Landesmusikschule herzlich willkommen.  BM Salchner gab zu Beginn einen zahlenmäßigen Einblick in die demografische Entwicklung des Talkessels der letzten zehn Jahre. Den größten Bevölkerungszuwachs hatte Pflach (+ 27 Prozent), gefolgt von Reutte (+ 18 Prozent), Wängle (+ 15 Prozent), Ehenbichl (+ 3 Prozent) und Lechaschau und Höfen (+ 2 Prozent). Lediglich Breitenwang verzeichnete ein Minus von fünf Prozent. In Reutte leben derzeit 7.163 Bürger und die Marktgemeinde rechnet mit einem moderaten Bevölkerungswachstum von rund ein Prozent pro Jahr, sodass in zehn Jahren die Bevölkerung knapp bei 8.000 Einwohnern liegen wird und weitere (ca. 274) neue Wohnungen notwendig sein werden. Derzeit überwiegen die Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser. Von den ca. 80 ha Fläche sind an die 43 ha noch unbebautes Wohngebiet, also herrscht ein großer Baulandüberschuss in Reutte, der nicht auf den freien Markt kommt, da die Eigentümer nicht zum Verkauf bereit sind. Somit sind laut Salchner, vorausschauend auf die Wohnungspolitik der kommenden Jahre, die Mobilisierung und Verdichtung von Bauland und ein guter Mix an verschiedenen Wohnformen notwendig, wobei Delogierungen nicht ausgeschlossen sind.

DAS GESELLSCHAFTLICH GROSSE GANZE. Das interessierte Publikum erwartete ein spannender Vortrag mit dem Titel „Wohnmodelle fürs globale Dorf“ – soziodemografische Zukunftstrends als „Marksteine“. Dr. Raimund Gutmann, Experte für soziale Stadt(teil)entwicklung, Trendanalysen und Quartiersmanagement referierte über die zukünftigen Herausforderungen im Wohnbau und über alternative Wohnformen. An den Beginn seiner Ausführungen stellte er drei Thesen: Als erste: Die Polarisierung Stadt- versus Landleben ist obsolet, als zweite: Wohnen mit „Mehrwert“ statt „reines“ Wohnen und als dritte: Neue Wohnformen, raus aus der (elitären) Nische – Pilotprojekte wagen. Wenn über zukünftiges Wohnen und dessen Qualität nachgedacht wird, ist es unabdingbar sich mit den derzeitigen und voraussichtlich zukünftigen gesellschaftlichen Trends auseinanderzusetzen. Dabei geht es um die Rolle des Wohnens und deren Veränderungen aufgrund von Flächen-, Ressourcen- und Energieverbrauchsminimierung, um die persönliche und intime Sphäre bzw. darum Manches in ein Sharing auszulagern. Von großem Interesse sind aber auch die Zielgruppen, die Nachfrage nach neuen Wohnformen und vor allen Dingen auch wieviel Nachbarschaft bzw. Gemeinschaft die Bewohnerinnen und Bewohner haben wollen. Dr. Gutmann erklärte die zehn  Schlüsseltrends, die für Wohnen und Arbeiten von großer Bedeutung sind. Diese reichen von Individualisierung, Gesundheit, Mobilität, New Work (zu Hause arbeiten) und Neo Ökologie (alternative Wohnformen) bis hin zu Globalisierung (Migration). Dass seine Ideen verwirklichbar sind, zeigte er anhand toller, bereits funktionierender Umsetzungen im In- und Ausland. Allerdings, so betonte Dr. Gutmann bedarf es dafür einer frühzeitigen Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung und einer gemeinsamen Verwirklichung.

HAUS IM LEBEN – EIN NEUES WOHNKONZEPT. Anton Stabentheiner, Geschäftsführer der Haus im Leben gemeinnützige GmbH, stellte eine neue, zeitgemäße Wohnform für jede Generation vor und das in Nassereith, also jenes Dorf, das den Reuttenern mehr von der Verkehrsproblematik auf ihrem Weg nach Innsbruck als durch ein Großprojekt einer neuen Wohnform bekannt ist. Das Haus im Leben ist eine Kombination von individuellem Wohnen und großzügigen Gemeinschaftsräumen für alle Generationen, die sich für diese neue Wohnform entschieden haben. Es entstehen mitten im Ort 75 barrierefreie, wohnbaugeförderte 2- bis 4-Zimmer Wohnungen, daneben großzügige Gemeinschaftsräume, Freiflächen und Spielplatz sowie Infrastruktur, dh Arztpraxis, Physiotherapie, Frisörsalon, Café als gemeinschaftlichen Treffpunkt und vieles mehr ,was das Leben im Haus angenehm macht und Wohnqualität bietet. Es herrscht also Leben im „Haus des Lebens“, egal, ob Single- oder Familienhaushalt, immer steht die Gemeinschaft im Vordergrund, die achtsam aufeinander schaut. Der Nassereither Bürgermeister Herbert Kröll, der an diesem Abend auch für Auskünfte zur Verfügung stand, ist voll des Lobes über dieses Projekt, das die Handschrift des Reuttener Architekturbüros Walch und Partner ZT GmbH trägt.

LEISTBARES WOHNEN. Bgm.  Salchner zeigte bereits in seiner Einleitung zu dieser Informationsveranstaltung auf, dass es auch in Reutte in den letzten Jahren teilweise exorbitante Steigerungen von Mieten gegeben habe, die jenseits von Gut und Böse waren. Zu diesem Thema referierte der Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol, Hannes Gschwentner. Anhand vieler Zahlen erklärte er warum Wohnen so teuer geworden ist. Geopolitische Umstände und die stark angestiegenen Energiekosten seien ua große Preistreiber. Dazu kommen noch Preissteigerungen im Baugewerbe und hohe Zinsen bei Fremdkapital. Er sieht für die allernächste Zukunft keine Anzeichen für Preissenkungen und somit wird das leistbare Wohnen in Zukunft wohl zum Leidwesen aller Betroffenen ein Traum bleiben. Sehr dramatisch stellt sich die Prognose für Klientinnen und Klienten dar, die betreutes bzw. begleitetes Wohnen benötigen um inklusives Leben, das gesetzlich in Österreich niedergeschrieben ist, verwirklichen zu können. Das sei einfach ohne zusätzliche Unterstützung nicht mehr möglich, erklärte eine Mitarbeiterin von Vianova. Laut Gschwentner sei hier die Politik und nicht die Genossenschaft gefordert. So mancher Zuhörer zweifelte am System des Genossenschaftswesens, das ja letztendlich in erster Linie nicht auf Gewinn ausgerichtet sein sollte.

….. UND DIE ZIELE DES BÜRGERMEISTERS? Ich hatte am Ende der Veranstaltung noch die Gelegenheit in einem Gespräch mit BM Salchner seine kurz-, mittel- und langfristigen Ziele zu erfahren. Die kurzfristigen Ziele, was die Wohnpolitik anbelangt, sind eine fraktionsübergreifende Auseinandersetzung, die Bewusstseinsbildung und das Definieren gemeinsamer Leitideen. Als mittelfristige Ziele gibt er einen sparsamen Umgang mit Ressourcen, die Weiterentwicklung und gemeinsame Abstimmung mit den Talkesselgemeinden an. Langfristig liegen ihm ein leistbares Wohnen, das gesellschaftliche Miteinander, eine qualitätsvolle Architektur und Baubiologie am Herzen. Wichtig sei ihm auch die Weichenstellung für die strategische Ortsteilentwicklung des RTW-Areals.
„Wie wollen wir zukünftig in Reutte wohnen?“
GF Anton Stabentheiner erklärte das Vorzeigeprojekt „Haus im Leben“ in Nassereith, das 2024 fertiggestellt wird.

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